Ist Faust auf der Suche nach der Weltformel?

5 Antworten

Zur Zeit der Entstehung des "Faust" wusste man noch nichts von einer "Weltformel" . Die gibt es erst seit der Epoche Albert Einsteins und seiner Zeit..

Wohl aber ist Faust auf der Suche nach der Kraft, die "die Welt im Innersten zusammenhält". Das ist praktisch identisch mit dem, was man heute mit dem Begriff "Weltformel" und der Suche nach ihr bezeichnet. Also: Deine Frage ist zu bejahen, wobei man natürlich zu berücksichtigen hat, dass die Komponenten, die man seit Beginn des 20. Jh. für die Weltformel gefunden hat, also insbes. die Relativitätstheorie, für Fausts Weltformel noch keine Rolle gespielt haben. Man hat damals noch mehr an eine Art "göttliche Kraft" geglaubt, die die Welt zusammenhält.

Ja, auch.

"Drum hab ich mich der Magie ergeben, Ob mir, durch Geistes Kraft und Mund, Nicht manch Geheimnis würde kund; Dass ich nicht mehr, mit sauerm Schweiß, 380 Zu sagen brauche was ich nicht weiß; Dass ich erkenne was die Welt Im Innersten zusammenhält, Schau alle Wirkenskraft und Samen, Und tu nicht mehr in Worten kramen."

Doch eine rein wissenschaftliche Formel ist nicht alles für ihn. Er will mehr. Er will intensiver, tiefer leben, die Natur nicht nur untersuchen und beschreiben.

"Ach! könnt ich doch auf Bergeshöhn, In deinem lieben Lichte gehn, Um Bergeshöhle mit Geistern schweben, Auf Wiesen in deinem Dämmer weben, Von allem Wissensqualm entladen In deinem Tau gesund mich baden!"

Faust ist ein Gelehrter, der fühlt, dass seine Gelehrsamkeit ihn nicht dem Leben nähergebracht hat. Er ist nicht als Wissenschaftler unzufrieden, sondern als Mensch.

Nein, keine mathematisch-physikalisch-chemische Formel! Das ist eher viel später Einsteins mythisch wirkende Gleichung e = mc².

Faustus sehnt sich nach Gewissheit (ratio) und Geborgenheit (emotio); beide Ideale existieren nicht in der Realität: Er nennt es das, was die Welt im Innersten zusammenhält.

Die christliche Religion hilft ihm dabei nicht mehr, aber immerhin vor seinem Selbstmord aus Verzweiflung über sein bisher erfolgloses Leben.

Am Schluss des Dramas (Faustus II.) entdeckt der Dichter, nicht Faustus direkt, die ersehnte Lösung: Der Chorus mysticus beschließt das Drama:

Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis. Das Unzulängliche, hier wird's Ereignis. Das Unbeschreibliche, hier ist's getan. Das Ewig-Weibliche zieht uns hinan.“ (Zeilen 12104–12111). Das ist die "Weltformel". Es ist die möglichst eindeutige Beschreibung dessen, was die Welt im Innersten zusammenhält. Eben nicht das männliche Prinzip der Sucht nach Macht, der Forderung nach steter Veränderung und Vervielfältigung, sondern die tröstende Vergebung durch Liebe, das Festhalten des Entzweiten, das Verbinden zweier Pole zur Geburt des Neuen - wie das Weibliche aus dem Samen des Männlichen das Kind, den neuen Menschen beider, im eigenen Leib gebiert. So einfach ist das.

Der zweite Teil wird leider fast nie gelesen, weil der erste Teil so schön patriarchalisch und simpel ist.

Puh, meine letzte Faust-Lektüre ist schon ewig lange her... :)

Mal sehen,...

Faust ist insofern auf der Suche nach der Weltformel, da er ja wissen will, "was die Welt im innersten zusammenhält".

Soweit ich mich erinnere gehen ja alle seine alchemistischen Bestrebungen in diese eine Richtung.