Ist das Verb "gefallen" im Deutschen ein Ergativ-Absolut?
"Der Hund gefällt mir". Diese Bedeutung und damit Anordnung von "gefallen" (genauso wie "placere" im Lateinischen, etc.) kam mir als neurodivergente Person schon intuitiv immer merkwürdig vor. Wenn es nach mir ginge, wäre es so (bei gleicher Bedeutung) deutlich angebrachter: "Ich gefalle den Hund"... Denn warum genau steht das, was mir gefällt, nicht im Akkusativ? Und warum steht jener, dem es gefällt, im Dativ und nicht wie jeder vernünftige Satz im Nominativ. Ich hab zuerst gedacht, ob das so eine Art intrinsisches passiv ist: Aktiv konjugiert, passive Bedeutung und Konstruktion. Aber auch das ergibt nicht so viel Sinn.
Vielleicht ist das aber auch der seltene Fall einer Ergativstruktur im Deutschen. Wobei mir im Absolutiv und Hund im Ergativ steht (oder andersherum). Wie seht ihr das? Wie erklärt ihr das?
2 Antworten
Wenn man da einen Akkusativ haben möchte, könnte man sagen:
"Ich mag den Hund." - das Verb "gefallen" ist eher ein Zustand so wie "gefällig sein" oder "angenehm sein".
Der Hund ist "mir gefällig" oder "mir angenehm" - er "gefällt mir".
Der Dativ ("mir") steht hier für eine Art Beurteilung, in diesem Fall eine positive Beurteilung. So wie in den Sätzen
„Der Schwamm war ihm zu nass.“,
„Der Moderator ist mir zu nervös.“ (diese sind negative Beurteilungen).
Me gusta el perro. (Spanisch denkt da sehr ähnlich wie Deutsch)
Spaßeshalber habe ich auch mal einen baskischen Satz gesucht:
Txakurra gustatzen zait. (= Ich mag den Hund.)
Baskisch ist ja eine Ergativsprache, aber auch dieser Satz enthält keinen Ergativ.
txakurra (der Hund) ist die bestimmte Form (Absolutiv)
zait heißt "er ist mir" (zaio = er ist ihm... usw.)
gusta-tzen ist von spanisch "gusta" abgeleitet (mit einer baskischen Endung)
Man kann auch "niri" (mir) nochmals hinzufügen (ohne Änderung des Sinns).
Also wäre es wörtlicher, so zu übersetzen "Der Hund ist mir gefällig" (oder so).
Txakurra ikusten dut. (= Ich sehe den Hund.)
Das ist allerdings eine ganz normale ergative Formulierung (ich = Ergativ, also "nik" im Baskischen). Ich habe das hier zum Thema Deutsch gefunden (aber natürlich noch nicht ganz gelesen, nur den Anfang).
Fanselow_Ergative_Verben_1992.pdf
Er trennt da "Thema" von "Experiencer" - und bei III (mögen) wird das Thema dann auch Akkusativ. Bei den ersten Verben steht das Thema im Nominativ.
Ah, noch was habe ich gefunden: "Im Gegensatz zu „Ergativ“ als Name eines Kasus kursiert in der Literatur zur generativen Syntax auch noch der Begriff des „ergativen Verbs“, eine Prägung, die auf L. Burzio (1986) zurückgeht. Diese Bezeichnung ist jedoch synonym mit dem Begriff unakkusativisches Verb und hat nichts mit Kasussystemen zu tun."
Ich sehe darin nicht viel Ergativisches. Das gibt es im Deutschen durchaus, z.B. bei den beiden Sätzen Ich koche eine Suppe und Die Suppe kocht auf dem Herd.
Im Satz Der Hund gefällt mir ist gefallen ein Verb mit einer statischen Bedeutung ‘≈angenehm sein, Sympathie auslösen’. Es drückt also keinen Vorgang aus, sondern einen Zustand. Solche Verben sind eine Minderheit, aber nicht selten (häufiger sind Konstruktionen aus sein+Adjektiv, z.B. das ist mir angenehm, die Antwort ist mir unbekannt). Der Dativ drückt aus, daß etwas zum Vorteil eines anderen ist oder abläuft, und das ist im Deutschen sehr häufig (ich bestelle mir ein Abendessen, ich gebe dir einen Rat). Weil die Grammatik vorzeichenblind ist, macht sie keinen Unterschied zwischen Vor- und Nachteil (er schlägt mir die Zähne aus).
Dein Einwand, daß man die Satzaussage auch transitiv formulieren kann, ist gleichzeitig richtig und falsch. Dazu müßte das Verb nämlich lexikalisch eine andere Bedeutung haben, nämlich ‘Sympathie empfinden’. So ein Verb gibt es natürlich auch: Ich mag den Hund.