Inaktivierung eines X Chromosoms?

3 Antworten

Hey!

Schwer und kompliziert, na klasse:

Während der Embryonalentwicklung bei weiblichen Säugetieren wird eins der beiden X-Chromosomen inaktiviert, damit eine sog. Überexpression von X-chromosomalen Genen zu vermeiden, das nennt man Lyonisierung. Es geschieht zufällig und die Entscheidung ist ein Vorgang, der auf Zellebene stattfindet.

Es gibt ein Gen auf dem X-Chromosom, das als "X-Inaktivierungszentrum" bekannt ist. Wenn in einer Zelle dieses Gen auf einem X-Chromosom aktiv ist, wird dieses X-Chromosom inaktiviert. Dadurch entsteht eine Verdichtung der Chromatinstruktur (=Barr-Körperchen). Dieser Prozess stellt sicher, dass die gleiche Form der Inaktivierung in allen Tochterzellen aufrechterhalten wird.

Bedeutet: Da ein X-Chromosom inaktiviert ist, bleiben trotzdem einige Gene auf dem inaktiven X-Chromosom funktionsfähig. Die Inaktivierung ist demnach nicht vollständig, und es gibt einige Gene, die weiterhin abgelesen werden können. Das ermöglicht den weiblichen Körpern, für die Entwicklung und die Funktion des Körpers wichtigen X-chromosomalen Gene zu nutzen.

Also im gesamten Körper kommen beide X-Chromosomen aktiv vor, weil die Zellen sowohl das inaktive als auch das aktive X-Chromosom tragen. Die Inaktivierung ist stochastisch, bedeutet, dass in verschiedenen Zellen unterschiedliche X-Chromosomen inaktiviert sein können. Dies gilt für alle Körperzellen, außer für Keimzellen (Eizellen), bei denen eine erneute Aktivierung des inaktiven X-Chromosoms stattfindet, um sicherzustellen, dass beide Geschlechtszellen ein funktionelles X-Chromosom enthalten. Bisschen kompliziert, ich weiß.

Liebe Grüße!

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium

es gibt bei Frauen und Männern Unterschiede in der Gendosis, wenn Frauen zwei X-Chromosomen haben, Männer aber nur eins. Um die unterschiedliche Gendosis der Geschlechtschromosomen auszugleichen, wird bei Frauen ein X-Chromosom stillgelegt. Daher bezieht sich die Inaktivierung nur auf "Sexchromatin" (ein X-Chromosom).

Angeblich betrifft die Inaktivierung zufällig das vom Vater oder das von der Mutter stammende X-Chromosom. Wenn es Schäden an einem X-Chromosom gibt, wird allerdings bevorzugt das defekte inaktiviert. Ganz zufällig kann es also nicht sein.

Die Inaktivierung erfolgt durch stärkere Kondensation der DNA, Überführung in Heterochromatin, das transkriptionsinaktiv ist. Das inaktivierte X-Chromosom nimmt eine kompakte Form an, das sog. Barr-Körperchen. Das Barr-Körperchen ist bei Frauen nachweisbar, bei Männern hingegen nicht.

Bei X Monosomie fehlt das zweite X-Chromosom (Turner-Syndrom) und dies führt offenbar zu einer Reihe Symptomen, wie Kleinwuchs, Herzfehler, ausbleibende Pubertät, funktionslose Eierstöcke, Unfruchtbarkeit.

Es muss also ein Unterschied zwischen fehlendem X-Chromosom und inaktiviertem X-Chromosom geben. Mit anderen Worten, die Inaktivierung ist nicht gleichzusetzen mit einer Entfernung des X-Chromosoms.

Bei genauerer Untersuchung des X-Chromsoms stellte sich heraus, dass es trotz Inaktivierung dennoch RNA-Transkripte produziert. Das hat einerseits mit seiner Inaktivierung zu tun. Denn es handelt sich um sehr eigentümliche RNA sog. XIST-RNA (X-inaktives spezifisches Transkript), die das inaktivierte X-Chromosom wie eine Art Lackierung beschichtet, die mit der Inaktivierung in Zusammenhang steht. Das X-Chromosom beschichtet also diejenigen Regionen von sich selbst mit spezieller RNA, die nicht abgelesen werden sollen.

Das heißt auf der anderen Seite, dass es Regionen geben könnte, die nicht lackiert werden und von der Inaktivierung gar nicht betroffen sind. Und genau das hat sich herausgestellt, dass es Gene auf dem inaktivierten X-Chromosom gibt, die von der Inaktivierung ausgenommen bleiben. Das verursacht den Unterschied zwischen einer Symptome zeigenden Turner-Frau mit fehlendem zweiten X-Chromosom und einer gesunden Frau mit inaktiviertem zweiten X-Chromosom. LG

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologielehrer SI/II a. D.

Männer haben ja nur ein X-Chromosom. Im Vergleich dazu haben Frauen sozusagen ein X-Chromosom "zu viel". Es muss also eine Gendosiskompensation erfolgen und die wird erreicht durch die X-Inaktivierung. Dabei wird eines der beiden X-Chromosomen weitgehend stumm geschaltet, indem es ganz dicht verpackt wird (Heterochromatin). Im Lichtmikroskop kann man das inaktive X-Chromosomen in den Zellen dann als sog. Barr-Körperchen erkennen.

Bei Beuteltieren (Marsupialia) wird stets das paternal (väterlicherseits) vererbte X-Chromosom stumm geschaltet. Gesteuert wird das hier durch unterschiedliches Imprinting. In der männlichen und weiblichen Keimbahn werden die X-Chromosomen unterschiedlich epigrnetisch markiert, sodass die Zellen des Embryos später erkennen können, welches das paternale und welches das maternale (mütterlicherseits vererbte) X-Chromosom ist.

Bei den meisten plazentalen Säugern (Placentalia) einschließlich des Menschen, entscheidet hauptsächlich der Zufall darüber, welches X-Chromosom inaktiviert wird. In einem bestimmten Embryonalstadium schaltet jede Zelle unabhängig von den anderen eines der beiden X-Chromosomen stumm. Hat sich die Zelle einmal festgelegt, ist sie determiniert. Das heißt, dass ihre Tochterzellen und alle weiteren aus ihr hervorgehenden Zellen dasselbe X-Chromosom inaktivieren. Die Zufälligkeit der X-Inaktivierung kann man daran sehr schön erkennen, dass sich bei genetisch eigentlich identischen Individuen (z. B. eineiige Zwillingsschwestern) erhebliche phänotypische Unterschiede ausbilden können. Besonders schön erkannte man das an CC (Copycat), der ersten geklonten Hauskatze. Ihre Klonmutter Rainbow war eine Schildpattkatze, also dreifarbig weiß, schwarz und rot gefleckt. Das Gen für die Fellfarbe rot/schwarz liegt auf dem X-Chromosom - weshalb Kater (die nur ein X-Chromosom haben) auch nur entweder rot oder schwarz sein können. Nur weibliche Katzen können, da sie zwei X-Chromosomen haben, Schildpattkatzen sein. Das Aussehen ergibt sich danach, ob nun zufälligerweise das X-Chromosom mit dem Allel für rotes oder das X-Chromosom mit dem Allel für schwarzes Fell stumm geschaltet wird. Und weil das zufällig geschieht, hatte CC trotz gleicher Gene ein völlig anderes Fleckenmuster als Rainbow.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig
Hxlly 
Fragesteller
 04.08.2023, 23:03
In einem bestimmten Embryonalstadium schaltet jede Zelle unabhängig von den anderen eines der beiden X-Chromosomen stumm. 

Wenn jede Zellen unabhängig inaktiviert und noch zufällig, dann kann in unterschiedlichen Zellen ein unterschiedliches X Chromosom inaktiviert werden (Aktivität und Inaktivität der X Chromosomen vertauscht)
Das heißt dann, dass im weiblichen Körper eigentlich beide X Chromosomen ganz genutzt werden, aber wegen der Inaktivierung weniger Proteine und im anderen Verhältnis hergestellt werden?

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Darwinist  05.08.2023, 08:36
@Hxlly

Sie werden eben nicht ganz genutzt. "Ganz" hieße ja, dass entweder eines komplett genutzt wird und das andere gar nicht oder dass beide vollständig aktiv sind.

Wegen der Zufälligkeit werden beide im Schnitt zur Hälfte genutzt, weil die Wahrscheinlichkeit für ein bestimmtes X-Chromosom aktiv zu bleiben bei 50:50 liegt.

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