Freund mit Bindungsangst... Dränge ich zu sehr?
Hallo an alle!
Mein Freund (29) und ich (31) sind nun 4 einhalb Jahre zusammen, im ersten Jahr Fernbeziehung (Studium), danach bis heute dann wohnen wir in der gleichen Stadt, ca. 5 min Fußweg voneinander entfernt, in jeweils eigenen Wohnungen. Wir treffen uns freitags ab 15 Uhr bis sonntags 17 Uhr und manchmal noch unter der Woche Mittwoch für 1-2 Stunden, ansonsten lebt jeder für sich. Die Urlaube verbringen wir immer gemeinsam.
Zu Beginn unserer Beziehung ging es von seiner Seite her recht schnell und gleich redete er von Hochzeit, Haus und Kindern. Nach drei Jahren sollte es schließlich, auf seinen Vorschlag hin, der nächste Schritt sein: eine gemeinsame Wohnung. Kurz vorm Unterschreiben des Mietvertrages dann plötzlich der Schock: Er will und kann doch nicht mit mir zusammen ziehen und möchte dies auch langfristig nicht. Genauso wenig wie Heiraten, ein Haus oder einmal Kinder kriegen. Seine Antwort auf meine Frage, wie er sich denn eine Zukunft mit mir vorstellt: ich möchte einfach mit dir weiter zusammen sein. Eine nähere Beschreibung kann er mir nun, eineinhalb Jahre später, leider noch nicht geben.
Ich weiß, dass mein Freund sehr viel Zeit braucht und ich wie bei einem scheuen Reh darauf warten muss, bis er einen Schritt auf mich zumacht. Er hat seine freundinfreien Männerwochenenden, wir sitzen auch am Wochenende nicht immer aufeinander und ich lebe, wie von ihm gewünscht, mein Leben unabhängig von ihm weiter und bin gerade dabei, ein Grundstück für mein eigenes Haus (ohne ihn) zu suchen. Ich zeige ihm also, dass ich nicht klammere und bin selbstständig. Gleichzeitig weiß er von meinen Sehnsüchten nach einer eigenen Familie, die noch so viel stärker sind als bei anderen, da ich selbst eine zerrüttete Kindheit im Heim und nie eine eigene Familie hatte. Dränge ich damit zu sehr? Also allein mit der reinen Existenz meiner Sehnsucht nach Familie? Wie gesagt, versuche ich alles von ihm abzuhalten, doch ich habe nicht das Gefühl, dass es irgendwie hilft.
Und falls jemand nun verständlicherweise fragen will, warum ich denn überhaupt mit meinem Freund zusammenbleibe: Ich bin kein Mensch, der sich oft bindet (nur eine weitere Beziehung davor über 5 Jahre, von mir beendet) und ich suche mir die Menschen, mit denen ich leben möchte, sehr genau aus. Zum anderen kann ich mir Liebe nicht aussuchen und meinen Freund liebe ich über mein eigenes Leben hinaus, ich würde alles für ihn tun. Auch wenn das hieße, dass er ohne mich glücklich wird. Und zuletzt ist mein Wunsch nach Familie nur präsent, weil ich eben mit meinem Freund zusammen bin. Mein Freund löst den Wunsch aus, nicht umgekehrt. Ach so, und ja, ich bin fest davon überzeugt, dass auch mein Freund mich wahrhaft liebt: "Ich habe noch nie jemanden so nah an mich herankommen lassen wie dich, weil ich mich bei dir einfach wohl fühle. Wenn wir zusammen sind, dann bin ich irgendwie ganz..." (bereits 14 Beziehungen, die längste eineinhalb Jahr)
Wie würdet ihr an meiner Stelle damit umgehen?
8 Antworten
Das ist eine sehr schöne Situation für deinen Freund. Du stehst immer parat, gehst auf alle seine Wünsche ein und richtest dich vollkommen nach ihm. Ihm dagegen sind deine Wünsche und Vorstellungen völlig egal. Du solltest keine Zeit mehr mit ihm verlieren und die Beziehung beenden.
Also habe ich das jetzt richtig verstanden:
DU lebst DEIN Leben.
ER lebt SEIN Leben.
Aber IHR lebt nicht EUER Leben...
Da gibt es nichts zu lernen. Du kannst eine Beziehung mit Deinem Freund nicht gestalten, weil er es nicht will.
Wollte er es, wäre er schon längst bei Dir.
Jein, wie ich schon in meiner Frage geschrieben hatte, ja, jeder lebt sein Leben, er seins, ich meins. Das Problem, und da stimme ich dir zu und das ist auch der Kern des Ganzen, wo ist das Wir? Natürlich gibt es ein Wir, es gibt es an den gemeinsamen Wochenenden, durch gemeinsame Unternehmungen und Urlaube, durch gemeinsames Planen von Dingen und so weiter. Aber es gibt es halt nicht in Form einer gemeinsamen Wohnung oder sonstigem, so nahe, wie man sich das halt in der Regel mit einem Partner wünscht. Das Wir ist in unserem Fall halt sehr sehr klein und genau deswegen finde ich gut, wenn mir andere Menschen wie du ihre Sicht der Sache schreiben, weil ich dadurch mehr Orientierung kriege. Danke auf jeden Fall!
Ich finde nicht, dass du ihn in irgendeiner Form drängst. Du solltest dich auch auf keinen Fall zurücknehmen, was deine Wünsche und Vorstellungen betrifft. Du wünschst die eine Familie. Du hast, realistisch betrachtet, nicht mehr ewig Zeit dafür. Gebe ihm am besten ganz klar zu verstehen, wie wichtig dir das ist. Wenn du noch länger so lebst, zurücksteckst und ihn nur nicht unter Druck setzen willst, kann es sein, dass du irgendwann sehr unglücklich wirst. Stelle dir klar die Frage, ob du wirklich für ihn auf all deine Wünsche verzichten kannst, und falls nein, triff eine Entscheidung.
Danke, du hast es sehr klar und wertfrei formuliert! Ich habe mich damals für eine Beziehung mit meinem Freund entschieden und deswegen gehe ich auch den Weg so mit ihm, wie er sich aus unserer Beziehung heraus gestaltet. Ich hätte nur gern von anderen Menschen, die vielleicht auch einen bindungsängstlichen Partner haben, gewusst, wie sie damit emotional umgehen.
Ich könnte mir so ein Modell übergangsweise für ca ein Jahr vorstellen aber nicht für 4,5 Jahre. Da stellt sich mir abseits von seinem Verhalten die Frage warum du das mitmachst, warum du nicht auf einen Zusammenzug hinarbeitest. Ihr seid beide in einem Alter wo das normal wäre das man sich als Paar vorwärts bewegt.
Hätte ich einen Partner der kurz vorm Beziehen einer Wohnung mit so einer Erklärung zurücktritt von dem hätte ich mich getrennt denn ich hätte für mein Leben andere Vorstellungen von Beziehung als dauerhaft in getrennten Wohnungen zu leben und die aktive Beziehungszeit während der Woche derart limitiert wird. Da kannst du auch genauso gut alleine bleiben.
Mir wäre das auch zu anstrengend ihn wie ein scheues Reh aus dem Wald zu locken immer in der Vorsicht ja keinen falschen Schritt zu machen um den guten Herren nicht zu verschrecken aber offenbar bist du so gestrickt das du Liebe und Nähe hinterher betteln willst.
Wenn es obendrein noch freundinnenfreie Männer WEs gibt wann seht ihr euch dann eigentlich noch? Dann bleiben mittwochs 1-2 Stunden und vielleicht sieht man sich dann die Woche drauf wieder.
Deine Sehnsüchte nach einer gemeinsamen Wohnung und einer Familie wirst du dir mit dem Mann nicht erfüllen können. Nach deinem letzten Absatz hast du nämlich auch selbst ein Bindungsproblem und solltest zuerst deine Baustellen klären bevor man sich Gedanken über eine tragfähige Beziehung und Familiengründung macht.
Wow, auch sehr klar und direkt, Danke für deine Antwort! Du sprichst davon, dass ich selbst ein Bindungsproblem habe. Wie bist du auf den Gedanken gekommen? Das würde mich sehr interessieren! Beim Rest kann ich dir nur zustimmen!
Ein Bindungsängstler kommt nicht alleine. Es braucht das passende Pendant dazu. Der eine ist aktiver BA der andere passiv. Andernfalls- und wenn ein Partner "gesund" ist könnte eine solche Verbindung nicht stehen bleiben.
Es gibt ein Buch von Stephanie Stahl "Vom Jein zum Ja - Bindungsängste verstehen und lösen", da würdest du mit Sicherheit viele Parallelen entdecken.
Oh, also weil er Bindungsangst hat, muss ich sie auch haben? Nur eben passiv? Ich hatte gehofft, du hättest noch andere Ideen gehabt, weswegen du dir bei mir Bindungsprobleme vorstellen könntest. Weißt du mehr über Bindungsängste?
Ja.
Ich weiß genug um zu wissen das man mit einem Mann keine Familie realisieren kann der mit Bindungen ein grobes Problem hat. Um diese Wunschvorstellung kannst du noch weitere 4 Jahre + kreisen oder die Augen aufmachen und etwas verändern. Unterm Strich liegt es bei dir was du aus deinem Leben machst. Wenn für dich diese Beziehung erfüllend ist belass es so, wenn nicht muss du was ändern... und das nicht an ihm. Denn er ist für seine Schwierigkeiten selbst verantwortlich. Alles Gute!
Oh, ich habe jetzt erst den Buchtipp gesehen, Danke! Wie gesagt, dass ich mit meinem Freund keine Familie haben werde, weiß ich und ich möchte auf keinen Fall etwas an ihm ändern. Wer wäre ich und in der Tat, warum sollte ich ihn nach meinem Geschmack formen wollen? Ich hatte nur auf Ratschläge gehofft, wie ich emotional mit dieser Situation umgehen kann und war einfach gespannt, als Rückmeldung und Orientierung für mich, wie andere über meinen Fall denken. Danke!
Das finde ich merkwürdig: Erst spricht er - von sich aus - von Hochzeit, Kinder, Zusammenziehen, dann plötzlich FLUCHT!
Wie lange ist das denn her? Ist damals irgendetwas passiert, dass er plötzlich "kalte Füße" bekam?
Arbeitet ihr beide, habt ihr sichere Jobs?
Liebe ist schön und gut, aber Gemeinschaft, Familie ist doch die Perfektion davon?
Ich glaube, ihr müßt mal reden, denn er ist immerhin kein kleine Junge mehr und Du bist zwar noch recht jung, aber für Kinder wäre es langsam mal Zeit, vor allem wenn Du zwei (oder drei) möchtest...
Und Ihr seid auch schon lange genug zusammen, als dass man noch großartige Überraschungen befürchten müßte.
Sprecht miteinander. Wenn er nun gar nicht will, hast Du immer noch Zeit, einen Partner mit gleichen Lebenszielen zu finden.
Danke für deine Antwort! Bei Menschen mit Bindungsangst ist es sehr oft so, dass sie am Anfang sehr schnell bei Aussagen wie Heirat, Haus und Kindern sind, weil sie eben wissen, dass das von ihnen erwartet wird. Erst im Laufe der Beziehung, wenn es eben ernster und realer wird, ziehen sie sich aus Angst zurück und das Ernste war in dem Fall der ausgedruckte Mietvertrag. Es geht auch weniger um Überraschungen, die zu befürchten sind, sondern darum, dass mein Freund sich emotional auf mich einlassen muss. Für ihn ist das anscheinend sehr schwer und da spielt auch viel wie das eigene Selbstbild und Selbstvertrauen mit. All das, was ich euch hier nun geschrieben hab, weiß er auch bereits, denn ich spreche stets über alles offen mit ihm. Mein Wunsch von einer eigenen Familie besteht wie schon geschrieben aufgrund meines Freundes, nicht weil ich jetzt unbedingt für mich allein Kinder haben möchte. Das wär ja auch irgendwie ziemlich egoistisch und ich könnte mir einfach irgendeinen anderen, zeugungsfähigen Mann schnappen, nur damit ich dann für mich Kinder habe. Das wäre natürlich möglich, aber ich liebe eben meinen Freund und keinen anderen. Und ja, wir arbeiten beide in guten Berufen, Stadtplaner und Lehrerin. Das mit der Gemeinschaft/Familie als Perfektion von Liebe sehe ich übrigens genauso!
du machst es deinem freund echt einfach. er hat seine freiheiten und kann machen, was er will. du scheinst es ihm recht machen zu wollen.
was ist denn mit deinen wünschen? wünschst du dir ein gemeinsames leben unter einem dach und mit familie? wenn nein, dan mach halt so weiter. wenn ja, solltest du das ansprechen. das ist total ok. du hast auch bedürfnisse, die genau so zählen wie seine.
wie stellst du dir die zukunft mit ihm vor? soll das auf ewig so weiter gehen? das solltest du dich fragen und danach handeln.
Danke für deine Antwort! Meine Vorstellung war ganz klischeehafterweise so, wie sie fast alle Menschen haben: zusammenziehen, heiraten, Haus, Kinder inklusive Hund und Gartenzaun. Das alles weiß mein Freund auch und ich spreche immer offen mit ihm darüber, wie es mir gerade in der Beziehung geht. Wie es weiter gehen soll? Nun, ich werde weiterhin meine Freunde treffen, meinen Hobbys nachgehen, reisen, ein Haus bauen, mir einen Hund zulegen und einfach mein Leben so leben, wie ich es genieße. Wie es mit meinem Freund weitergeht, so glaube ich im Moment auch, wie hier jemand geschrieben hat, dass sich nicht viel, wenn überhaupt etwas, verändern wird. Wir werden uns weiterhin am Wochenende sehen, ungeachtet dessen, wie ich mein eigenes Leben lebe. Ich bin aber übrigens sehr froh, dass du von meinen Bedürfnisse sprichst, die genauso zählen, da werde ich weiter darüber nachdenken...
wenn deine vorstellung kinder beinhaltet, dann solltest du seinetwegen nicht darauf verzichten. da wirst du nicht glücklich! mach nicht den fehler wie viele und verschwende deine zeit mit drauf hoffen, dass er das noch mal irgendwann anders sieht. dann stehst du mit mitte 30 da und die uhr tickt immer lauter. da sind viele männer aber eben schon vergeben und haben schon kinder. wenn du dich dann erst trennst, wird es richtig schwer, deinen traum zu verwirklichen. eine beziehung funktioniert nur, wenn beide glücklich sind.
wenn das jetzt schon 4,5 jahre so geht, wird er sich kaum ändern. wie hast du dir das vorgestellt? du ziehst in dein haus, ihr bekommt ein kind und du darfst dich dann alleine drum kümmern, weil er am we mal vorbeikommt? das kann’s doch nicht sein.
ich würde das ganz offen ansprechen. wie stellt sich jeder die gemeinsame zukunft vor? wenn das zu unterschiedlich ist, dann lieber trennen und woanders das glück suchen, bevor es zu spät ist.
Wie gesagt, zuerst habe ich mich für meinen Freund entschieden und das heißt, ich wähle ihn als meinen Weggefährten, mit all seinen Macken. Mein Wunsch von Kindern und einer Familie wird erst durch ihn überhaupt greifbar und ist aus der Beziehung heraus gereift, nicht weil ich dieses Ziel nur für mich verfolge. Sich irgendeinen anderen Mann zu suchen, da dafür bereit ist und mich Kinder in die Welt setzen lässt, wäre natürlich einfach, aber ich liebe ja meinen Freund und nicht irgend jemand anderen. Meine Zukunftsvorstellung ist momentan, dass ich mir meine Ziele soweit erfülle, Freunde, Hobbys, Reisen, Haus, Hund und so weiter. Mit meinem Freund werde ich nach wie vor zusammen sein, nur eben nicht gemeinsam im Haus und ohne Kinder. Das Problem bei Menschen mit Bindungsangst, dass viele gar keine Vorstellung von ihrer Zukunft haben. Deswegen kann er mir ja auch schon seit eineinhalb Jahren nichts anderes sagen, alsdass er mit mir zusammen sein will.
Danke für deine Antwort! Ich kann verstehen, was du meinst und es wirkt wohl auch so, als ob ich meine eigenen Wünsche überhaupt nicht erfülle, aber das stimmt nicht. Ich lebe mein Leben wie gesagt so, wie ich es mir vorstelle, Freunde, Hobbys, Hausbau. Keine Zeit mehr mit ihm zu verlieren hört sich so an, als ob sie es im Moment nicht wert wäre, aber das ist sie definitiv. Es geht mir mehr darum, wie ich lerne, eine Beziehung mit meinem Freund, so schwierig er ist, zu gestalten.