Forschung an komplexen Zahlen?

1 Antwort

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Die komplexen Zahlen sind recht gut erforscht. Da erwartet man wohl keine grosse Revolution. Man kann aber zeigen, dass es überhaupt nur vier Zahlenbereiche gibt, die eine sogenannte Divisionsalgebra bilden. Das bedeutet etwa, dass nur in diesen Zahlen die vier Grundoperationen (Plus, Minus, Mal und Geteilt) sinnvoll funktionieren (Satz von Hurwitz). Das sind die reellen Zahlen, die komplexen Zahlen, die Quaternionen und die Oktonionen.

Die komplexen Zahlen entstehen durch Verdoppelung der reellen Zahlen und haben deshalb 2 Dimensionen.

Die Quaternionen entstehen durch Verdoppelung der komplexen Zahlen und haben daher 4 Dimensionen.

Und die Oktonionen entstehen durch Verdoppelung der Quaternionen und haben daher 8 Dimensionen.

Zu den Quaternionen und den Oktonionen wird heute äusserst Spannendes erforscht. Es zeigt sich nämlich, dass die Quaternionen mathematisch die gleiche Struktur haben wie unsere 3+1 dimensionale Raumzeit. Man kann aus der Algebra der Quaternionen die spezielle Relativitätstheorie und zumindest grosse Teile der Quantentheorie herleiten. Z. B. gilt für zwei Quaternionen a und b nicht mehr ab=ba. Dies ist der mathematische Grund für die Heisenbergsche Unbestimmtheitsrelation.

Die Oktonionen sind noch geheimnisvoller. Hier gilt nicht mehr (ab)c=a(bc). Aber die Oktonionen funktionieren mathematisch gleich wie die Teilchen, die wir aus der Teilchenphysik kennen.

Die Idee ist also etwa: Wenn du überhaupt irgendetwas mathematisch mit Zahlen beschreiben willst, dann mit Oktonionen oder einer Unteralgebra der Oktonionen. Und wenn du dies tust, dann sind da bereits alle Naturgesetze in sehr engem Rahmen vorgegeben, so wie wir sie aus der Physik kennen. Wenn diese Idee stimmt, könnte man die Naturgesetze aus der Mathematik herleiten.

Für die Quaternionen hat dies C. F. von Weizsäcker als erster erforscht, und zwar unter dem Titel 'Ur-Theorie'. Siehe dazu Holger Lyre, 'Quantentheorie der Information'. von Weizsäcker und Lyre reden meist nicht von Quaternionen, sondern von Uren, welche die Grundbausteine von Information darstellen. Ein kurzer Text von Lyre dazu: http://www.lyre.de/physapri.pdf

Die Oktonionen werden weit weniger erforscht, weil sie mathematisch so unhandlich sind (sie lassen sich nicht durch Matrizen darstellen). Cohl Furey macht aber derzeit mit Oktonionen Furore: https://www.spektrum.de/video/divisionsalgebren-in-der-physik/1614224

Julian660 
Fragesteller
 11.03.2021, 21:49

Das ist sehr viel, was meine Frage perfekt beantwortet. Ich habe mir auch schon gedacht, dass bei einem Zahlenbereich, den es so lange gibt nichts mehr zu erforschen ist. Großes Dankeschön.

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ProfFrink  22.07.2021, 12:44

Sehr schöne Zusammenfassung. Sehr hilfreich!

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