Findet ihr den Begriff "Kampf gegen Rechts" problematisch?

Das Ergebnis basiert auf 23 Abstimmungen

Ja 70%
Nein 30%

13 Antworten

Ja

Ja, die Terminologie ist äußerst problematisch, wenngleich die realpolitische Konsequenz in Deutschland recht marginal ausfällt - logisch, man will sich unter Umständen nicht selbst ins eigene Bein schießen.

Der Mainstream - größtenteils der linksideologische Teil, aber nicht nur - hat es geschafft, etwas in der Öffentlichkeit zu etablieren, was die Politikwissenschaft so nicht kennt, denn sie kennt nichtmal eine allgemein-gültige definitorische Einordnung von „rechts“ - sollen wir es nun wie die Franzosen machen, dass „links“ (le côté gauche) revolutionär-republikanisch und „rechts“ (le côté droit) reform-monarchistisch bedeutet oder das Ganze auf eine Metaebene stellen, die sich jeweils am Status quo des jeweiligen Systems orientiert.

Wenn wir nun Letzteres wählen, was die meisten Politikwissenschaftler der modernen Politikwissenschaft getan haben, haben wir drei Spektren: Rechtsideologismus, Zentrismus und Linksideologismus - übrigens gab es damals bei den Franzosen auch das zentristische Lager „centre“.
Diese drei Spektren werden dann wieder in die grundsätzlichsten Ebenen eingeteilt - und zwar in jede Richtung, sowohl nach unten als auch zur Seite. So kennt beispielsweise jedes Spektrum die Handlungsweisen-Kategorisierung: Populismus, Radikalismus und Extremität - beachte, mit „Extremität“ ist keineswegs „Extremismus“ gemeint.

Jede der drei Kategorieren wird folglich im Volksmund mit „rechts“, „zentristisch“ und „links“ abgekürzt, doch diese Adjektive sagen so gut wie nichts über die wahren Ansichten aus. Jede der drei Kategorieren beherbergt hunderte, wenn nicht sogar tausende gesellschaftliche und politische Ideologien, die im jeweiligen Spektrum spezifisch gewertet sind - Beispiel: nur weil die politische Ideologie „Nationalsozialismus“ eine rechtsextremistische Ideologie ist und damit schlussendlich auch eine rechte Ideologie, sind nicht alle anderen Ideologien, die dem rechtsideologischen Spektrum angehören, vergleichbar mit dem Nationalsozialismus oder rechtsextremistisch.

Nochmal zu Ersterem: auch eine linksorientierte Partei wie Bündnis 90/Die Grünen kann man rechts agieren oder eine zentristische Partei wie die Sozialdemokratische Partei Deutschlands. Und auch die CDU hat sich dem „Kampf gegen Rechts“ angeschlossen, aber nicht, weil sie sich selbst hasst, wenngleich sie ebenfalls eine zentristische Partei aber eben halt traditionell rechtsorientiert ist, sondern aus strategischen Gründen und weil der Mainstream eine Selbstlüge konstruiert hat, nicht rechts sein zu können. Rechts könne nur die AfD und Ähnliches sein.

Ja

Rechts hat für viele eine andere Bedeutung. Es ist generell keine gute Idee Menschen mit anderen Meinungen in andere Kasten wie Rechts zu stecken. Dies ist eine extreme Pauschalisierung von öfters komplexeren Ansichten. Was ist wenn der Gegenüber von dir wirklich etwas weiß was du nicht weißt? Wie soll so gesunder Monolog entstehen? Wenn du mit jemandem redest und er eine andere Meinung hat und du ihn Rechts nennst, was schon von den meisten sehr negativ eingeprägt ist, glaubst du nicht dass der Gegenüber dich dann aufgrund dieser Pauschalisierung als nur Links in eine Schuplade stecken wird? Dieser Sprachgebrauch ist von Anfang an auf Konfrontation und Ignoranz aus.

Adf234 
Fragesteller
 02.06.2022, 12:55

Da bin ich völlig bei dir, das schadet einer Diskussion ungemein, jemanden in politische Spektren einzuordnen bzw. diese Einordnung zu offenbaren.

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Ja
ich habe mich schon öfter gefragt, wie das andere sehen. Ich persönlich bin eher links im politischen Spektrum, sehe den Begriff "rechts" an und für sich aber als neutral an. Kampf gegen Rechts würde rein nach Begriff bedeuten, dass man gegen alles jenseits der Mitte "kämpft", was ich problematisch finde, weil man dann streng genommen schon gegen die Union kämpfen müsste.

Das Verständnis davon, dass politische Strukturen ins Extreme neigen, wenn der Gegenpol fehlt, sollte klar sein. In früheren Zeiten konnte man seinen politischen Gegner noch respektieren und achten. Eben für das, was sie waren. Der Faktor, dass man nicht ins Extreme gerutscht ist. Die durch das Internet gehäuften Bubblebildungen sind ebenso treibende Kräfte. Ich finde deine Ansicht dazu sehr gesund. LG

Woher ich das weiß:Hobby – Bewunderer Nietzsches Philosophien.

Nur wenn man "nur" dazu meint und je nachdem, was genau mit "Rechts" gemeint ist. eindeutiger wäre Rechtsextremismus.

Nein

"Kämpfen" muss ja nicht automatisch "auf die Fresse hauen" bedeuten.

Man kann auch gegen konservative Ansichten und veraltete Vorstellungen kämpfen. Das haben auch Feministinnen gemacht, meist ohne jemanden zu vermöbeln.

Jemand der für etwas kämpft, ist ja auch nicht automatisch gewalttätig.

Adf234 
Fragesteller
 02.06.2022, 20:58

Natürlich ist mit Kampf (zumindest für die allermeisten) keine körperliche Auseindersetzung gemeint. Das Problem, das ich an dieser Begrifflichkeit sehe, ist, dass rechts zu sein pauschal als schlecht dargestellt wird, was ich nicht so sehe. Es gibt klare Grenzen, und die ist bei mir spätestens bei der AfD erreicht, die meiner Meinung nach so rechts ist, dass sie der Demokratie schadet. Aber auch andere Parteien sind in Teilen (gemäßigt) rechts, deswegen halte ich aber keinen Kampf dagegen für notwendig.

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Enzylexikon  02.06.2022, 21:11
@Adf234

Ich persönlich bin Sozialist und für mich sind auch Vorbehalte gegen progressive soziale Ideen eine Form "rechter" Gesinnung. Wenn sich die Gesellschaft sozial gerecht entwickeln soll, müssen wir solche konservativen ("rechten") Konzepte überwinden - man "bekämpft" sie also.

Nach dem Motto: "Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit".

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Adf234 
Fragesteller
 02.06.2022, 23:36
@Enzylexikon

Die Einstellung finde ich teilweise schwierig, einerseits wegen des Wortes "Vorbehalte", andererseits weil es schwierig ist, zu definieren, was progressiv ist. Im Prinzip nimmst du ja in Anspruch, dass alles, was nicht deiner Vorstellung von progressiven Ideen entspricht und man Vorbehalte äußert, dass dies dann rechts ist. Ist jetzt etwas reininterpretiert bzw. hast du das so nicht gesagt, aber zumindest wirkt es so.

Das ist meiner Meinung nach sehr grenzwertig, weil man sich bei einzelnen Punkten darüber streiten könnte, was progressiv ist. Wenn ich Hartz IV abschaffen und eine andere Sozialleistung einführen will, ist das progressiv. Wenn man ein bedingungsloses Grundeinkommen fordert, ist das progressiv. Zumindest nach meinem Verständnis. Nehmen wir mal an, du bist für das Grundeinkommen und ich nicht bzw. habe Vorbehalte, wäre ich dann deiner Einschätzung nach insgesamt rechts oder nur in diesem einen Punkt? Oder gar nicht?

Ist jeder, der nicht sozialistisch ist, in deinen Augen rechts? Das würde mich tatsächlich interessieren. Aber eines vorweg: Wenn du das bejahst, kommt Gegenwind ;).

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Enzylexikon  03.06.2022, 18:51
@Adf234

Nimm statt "rechts" einfach den Begriff "konservativ", dann klingt meine Aussage weniger radikal.

Ist jeder, der nicht sozialistisch ist, in deinen Augen rechts?

Nein, nicht alles "rechts vom Sozialismus" ist für mich "rechts", weil es dann eben noch die Sozialdemokraten (sozusagen "Sozialismus light") und die Wirtschaftslobbyisten ("Liberalen") gibt, dann folgen die Konservativen ("rechten") und dann der "rechte Rand" (rechtsextrem).

Ich selbst verwende deshalb im allgemeinen Sprachgebrauch "konservativ" für Gruppen mit altmodischen Wertevorstellungen usw. und "rechts" geht in Richtung Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit usw.

Oder gar nicht?

Das käme auf dein Weltbild an, z.B. deine Haltung gegenüber Asylbewerbern, anderen Kulturen, Verschwörungstheorien, Homosexualität und vieles andere an.

Wenn du jetzt z.B. sagen würdest "Jau, finde ich alles toll, nur das BGE ist schei..." - dann ist das eben deine Meinung. Dadurch wirst du nicht erzkonservativ (rechts)

In unserer Partei sind wir auch nicht alle "auf einer Linie", weshalb wir als zerstritten gelten.

Im Begriff "Kampf gegen Rechts" schließe ich persönlich zwar konservative Politik ein, die überwunden werden sollte, aber im Wesentlichen geht es dabei aus meiner Sicht natürlich vor allem darum, Rechtsextremisten in ihre Schranken zu weisen.

Subsumtion: Konservative Konzepte sollten überwunden werden, rechtsextreme bekämpft. Beides gehört für mich zum "Kampf gegen Rechts".

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Adf234 
Fragesteller
 03.06.2022, 22:28
@Enzylexikon

Ok, so verstehe ich deine Ansicht. Vielen Dank!

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