Fallbeispiel für Täter-Opfer-Ausgleich?

2 Antworten



Fallbeispiel 1: schwere Körperverletzung:Täter: 21 Jahre, männlich, unter Bewährung

Opfer: 67 Jahre, männlich, Rentner, Opfer musste im Krankenhaus behandelt werden

Tathergang: Opfer versucht auf dem Nachhauseweg vom Kleingarten in vermeintlichen Streit zwischen Täter und Freundin einzugreifen und wird daraufhin sofort attackiert und niedergeschlagen.

Tatfolgen: Jochbeinbruch, Zahnersatz gebrochen, ein Zahn verloren, Hämatome, Geschädigter erlebt seine Kleingartenanlage als nicht mehr sicher, fürchtet, dass ihm der ihm unbekannte Täter über den Weg läuft

Ergebnis TOA: Entschuldigung, Schmerzensgeldzahlung in Raten, Rentner kann durch die Begegnung wieder ruhig seinen Garten aufsuchen






Fallbeispiel 2: Verleumdung, Vortäuschung einer Straftat

Täter: zwei Jugendliche, 14 Jahre, männlich

Opfer: Kind, 13 Jahre

Tathergang: einer der Jugendlichen gibt an, dass Geschädigter ihm eine Schnittverletzung beigebracht hat, der Freund dient als Zeuge, die Eltern erstatten Anzeige

Tatfolgen: Opfer wird mit der Polizei sofort abgeholt und verhört, Mutter ist dem Gerede der Nachbarschaft ausgesetzt, Geschädigter ist wütend über die Ungerechtigkeit

Ergebnis TOA: Entschuldigung bei Opfer und Mutter des Jugendlichen, Öffentliche Richtigstellung durch Aushang im Haus der Geschädigten







Fallbeispiel 3: Beleidigung, Körperverletzung

Täterin: 19 Jahre, weiblich

Opfer: 19 Jahre, weiblich

Tathergang: Die Täterin trifft die Geschädigte (ehemalige Freundinnen) auf der Straße und stellt sie wegen Altschulden zur Rede, beleidigt sie und drückt sie gegen eine Mauer

Tatfolgen: blaue Flecken am Rücken, weiterer Konflikt mit der Täterin

Ergebnis TOA: intensive Aussprache über das was an der Freundschaft schief gelaufen ist, Entschuldigung, gemeinsames Treffen ohne Schlichter wird vereinbart







Fallbeispiel 4: Körperverletzung, Sachbeschädigung

Täter: drei männliche Jugendliche, 14 und 15 Jahre

Opfer: ein männlicher Jugendlicher, 15 Jahre

Tathergang: Der Geschädigte wird von mehreren Mitschülern nach der Schule aufgelauert, umher gestoßen, getreten, das Basecape beschmutzt

Tatfolgen: Blaue Flecke, Wut

Ergebnis TOA: Entschuldigung, Klärung der Gerüchte, Schenkung eines Basketball`s







Fallbeispiel 5: Sachbeschädigung

Täter: zwei männliche Jugendliche, 14 und 16 Jahre

Opfer: Firma der Abfallentsorgung, Betriebsleiter übernimmt die Gespräche

Tathergang: Beschuldigte kippten Abfallbehälter um

Tatfolgen: Sachschaden an Containern, Mehrarbeit für die Beschäftigten

Ergebnis TOA: Entschuldigung, Blumenstrauß, Arbeit in der Firma







Fallbeispiel 6: Beleidigung

Täter: Schülerin eines Berufsschulzentrums, 17 Jahre

Opfer: Lehrerin

Tathergang: Beschuldigte beleidigt und bedroht Lehrerin im Unterricht

Tatfolgen: Angst der Lehrerin, Autoritätsverlust, Schülerin wird von der Schule für 14 Tage suspendiert

Ergebnis TOA: öffentliche Entschuldigung; Nachhilfeangebot der Lehrerin, Wiederaufnahme der Beschuldigten in die Schule






Fallbeispiel 7: gemeinschaftlich begangene schwere Körperverletzung

Täter: drei Jugendliche, 19 und 20 Jahre alt

Opfer: ein Jugendlicher, 19 Jahre

Tathergang: Beleidigung zwischen Freunde des Geschädigten und Beschuldigten, Geschädigter will die Sache entschärfen und bekommt Schläge mit der Faust und dem Knie

Tatfolgen: Hämatom am Auge, ambulante Versorgung (Anwalt wurde eingeschaltet)

Ergebnis TOA: Schmerzensgeldzahlung, keine Zivilklage




1.

Randale vor Altersheim mit überraschendem Ausgang

Ein paar Jugendliche haben einige Bänke zerstört, die vor einem Altersheim stehen. Der Fall wird von der örtlichen Staatsanwaltschaft an die Schlichtungsstelle für Täter-Opfer-Ausgleich weitergeleitet. Eine Mediatorin der Stelle vereinbart mit beiden Parteien ein Gespräch vor Ort, direkt im Altersheim. Im Gespräch stellt sich heraus, dass die Bänke für die alten Menschen den einzigen Kontakt zur Außenwelt darstellen. Die Senioren waren entsprechend über ihre Zerstörung entsetzt. Die Jugendlichen erfahren im Gespräch, wie es den Alten ging, und können ihrerseits erzählen, was aus ihrer Sicht passiert ist: Sie kamen aus einer Kneipe und hatten sozusagen in Bierlaune ohne tieferen Grund auf den Bänken geschaukelt, bis diese zusammenbrachen. Jetzt sind sie betroffen und schämen sich. Im Gespräch entschuldigen sie sich für das, was sie getan haben. Man einigt sich, dass sie in Raten 500 Euro für neue Bänke an das Altersheim zahlen.



2.

Raub und schwere Körperverletzung - kann man da überhaupt noch miteinander reden?

Fünf Jugendliche haben eine 76-jährige Frau überfallen, ausgeraubt und schwer verletzt. Die Frau ist traumatisiert und kann vor der Verhandlung aus lauter Angst nicht mehr schlafen. Beide Seiten wünschen einen begleiteten Austausch in Anwesenheit ihrer Familienangehörigen.

Das Jugendamt führt eine umfangreiche Wiedergutmachungskonferenz, ein Mediationsgespräch unter Einbeziehung des familiären Umfeldes, durch. Die Jugendlichen und ihre Familien erfahren, wie der Überfall die Geschädigte und ihre Familie überrollte und wie Unverständnis, Wut, Angst und Ratlosigkeit herrschten. Die Geschädigte und ihre Familie können viele Antworten auf ihre Fragen bekommen und erfahren, was mit den Jugendlichen nach der Tat passierte: der Vater des einen Jungen beispielsweise erzählt, dass sein Sohn „wie ein Baby weinend" die ganze Nacht zwischen seinen Eltern gelegen hat. Die Jugendlichen entschuldigen sich persönlich. Bei den Erwachsenen herrscht große Betroffenheit und Ratlosigkeit.

Am Ende des emotional sehr intensiven Mediationsgesprächs werden die Aufteilung von 10.000 Euro Schmerzensgeld und Schadensersatz sowie Regelungen zu Freizeit und Schule der Jugendlichen vereinbart. Ein Jugendlicher wird außerdem in seiner Schule zusammen mit der Tochter der Geschädigten einen Vortrag halten, um zu zeigen, wie schnell aus Spaß bitterer Ernst werden kann. Die Erfüllung der Vereinbarungen läuft bis heute, ein Jahr nach dem Gespräch.


3.




Der 19-jährige Peter M. wird beschuldigt "in angetrunkenem Zustand dem Geschädigten Mathias S. mit seinem Butterfly-Messer am rechten Unterschenkel einen tiefen Stich zugefügt zu haben".

Die Zuweisung erfolgt durch den Staatsanwalt, der in diesem Falle die Waage (Verein für Täter-Opfer-Ausgleich Köln) auffordert, mit dem Beschuldigten und dem Geschädigten eine Vereinbarung über eine angemessene Konfliktschlichtung und Schadenswiedergutmachung zu treffen. Für den Fall einer Wiedergutmachung wird ein Absehen von der Verfolgung gemäß § 45 II JGG in Aussicht gestellt. Eine Konfliktschlichterin der Waage nimmt Kontakt zum Beschuldigten auf, und es wird ein Gesprächstermin vereinbart, zudem der Beschuldigte erscheint. Er schildert den Tathergang wie folgt:

"Peter M. bummelte gemeinsam mit seiner Freundin und einem Freund durch ein Kneipenviertel. Sie waren bereits in mehrere Lokale eingekehrt und hatten alle Alkohol konsumiert. Unterwegs trafen sie auf Mathias S., der vor einer Mauer saß und die drei Jugendlichen, die ihm unbekannt waren, ansprach. Peter M. fühlte sich durch die Bemerkung von Mathias S. provoziert und zog ein Butterfly-Messer. Der Freund von Peter M., der hinter ihm stand, versuchte, Peter M. das Messer zu entreißen. Während der daraus entstehenden Rangelei fiel Peter M. nach vorne und verletzte Mathias S. mit dem Messer am Bein. Nach einer weiteren verbalen Auseinandersetzung gingen Peter M. und seine Freunde weiter. Kurze Zeit später wurden sie von der Polizei, die ein unbeteiligter Zuschauer verständigt hatte, angehalten, und zur Vernehmung auf die Polizeidienststelle gebracht."

Im Nachhinein kann sich Peter M. sein aggressives Verhalten nicht erklären. Er hatte an dem Abend wegen einer Erkältung Medikamente genommen und gleichzeitig Alkohol getrunken. Dies sei jedoch keine Entschuldigung für sein Verhalten. Auf die Situation von Mathias S. angesprochen, erzählt Peter M., dass auch er einmal mit einem Messer angegriffen worden sei. Er könne sich noch gut daran erinnern, wieviel Angst er in dieser Situation gehabt habe. Seit diesem Vorfall trage er "zur eigenen Sicherheit" immer ein Messer bei sich. Umso weniger kann er selbst sein Verhalten erklären. Auf die Möglichkeit einer Konfliktschlichtung und Schadenswiedergutmachung angesprochen, erklärt er, dass er sein Verhalten bedauert und sich bei dem Geschädigten entschuldigen möchte. Er ist auch zu einer finanziellen Schadens- und Schmerzensgeldzahlung bereit.

Der Geschädigte Mathias S. wird daraufhin ebenfalls zu einem Einzelgespräch eingeladen. Er schildert den Tathergang und die daraus resultierenden Folgen aus seiner Sicht.

"Am Tatabend war er aus einer Kneipe gegangen, um frische Luft zu schnappen. Er setzte sich auf eine Mauer, als drei Jugendliche vorbeigingen. Mathias S. rief ihnen zu, dass die beiden Männer gut auf die Frau aufpassen sollen. Mathias S. betont, dass seine Aussage weder ironisch noch provozierend gemeint war. Der Beschuldigte kam jedoch auf ihn zu, und schrie ihn an, ob er Ärger haben wolle. Dabei hielt er ein Messer in der Hand. Als sein Begleiter versuchte, ihn zurückzuhalten, entstand einen Rangelei, in deren Verlauf Herr S. mit dem Messer am Bein verletzt wurde. Nach einer weiteren verbalen Auseinandersetzung gingen die Jugendlichen weg. Kurze Zeit später traf die Polizei ein, die ein unbeteiligter Zuschauer gerufen hatte. Aufgrund der Personenbeschreibung wurde der Beschuldigte, Peter M., nach kurzer Zeit gefasst."

Nach seiner Aussage bei der Polizei fuhr Mathias S. mit dem Taxi zu einem Krankenhaus, wo er behandelt wurde und eine Tetanusspritze bekam. Er wurde für einen Tag arbeitsunfähig geschrieben und erhielt einen Verband, den er eine Woche lang täglich bei seinem Hausarzt wechseln lassen musste.

Seit diesem Vorfall hat Herr S. Angst, abends seine Wohnung zu verlassen. Außerdem fragt er sich, inwieweit er Mitschuld an der Auseinandersetzung trägt, weil er die Jugendlichen angesprochen hatte.

Zu Möglichkeiten der Wiedergutmachung befragt teilte Herr S. mit, dass er an einem persönlichen Gespräch mit dem Beschuldigten interessiert ist. Als finanzielle Wiedergutmachung fordert Herr S. einen Gesamtbetrag von 250 EUR, der sich aus dem entstandenen Schaden (Taxikosten, Hose) sowie Schmerzensgeld zusammensetzt. Mit einer Ratenzahlung ist Herr S. einverstanden.

Mit den Beteiligten wird ein Gesprächstermin bei der Waage vereinbart. Zu Beginn schildern beide den Tathergang und dessen Folgen aus ihrer Sicht. Besonders für Herrn S. ist es wichtig, die psychischen Folgen der Tat ausführlich zu schildern. Anschließend fragt Herr S. den Beschuldigten, ob er ihn durch seine Bemerkung provoziert hat. Peter M. verneint dies und nennt die Mischung aus Medikamenten und Alkohol als den primären Auslöser für sein aggressives Verhalten. Dies will er jedoch nicht als Entschuldigung für sein Verhalten verstanden wissen. Ihm sei klar geworden, dass das Messer, das er zu seiner eigenen Sicherheit bei sich getragen hätte, gleichzeitig auch eine Gefährdung für andere darstellen könne. Heute würde er keine Waffe mehr mit sich führen.

Peter M. macht deutlich, dass er sein Verhalten im Nachhinein sehr bedauert und entschuldigt sich glaubhaft bei Mathias S.. Dieser nimmt die Entschuldigung an. Als finanzielle Wiedergutmachung wird vereinbart, dass Peter M. an Mathias S. eine Summe in Höhe von 250 EUR in fünf Raten über das Konto der Waage bezahlt. Diese Vereinbarung wird schriftlich festgehalten und von beiden Seiten unterzeichnet. Anschließend verabschieden sich Peter M. und Mathias S. freundlich voneinander. Peter M. hält die Vereinbarung ein und die Raten werden von der Waage an den Geschädigten weitergeleitet. Nach Abwicklung der Wiedergutmachung wird ein abschließender Bericht an die Staatsanwaltschaft geschickt. Kurz darauf erfolgt von der Staatsanwaltschaft die Mitteilung, dass das Strafverfahren gem. § 45 II JGG eingestellt worden ist.


marck479  20.04.2017, 15:37

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