Das sibi und se in Verbindung mit einem AcI verwirrt mich noch immer bzw. schon wieder. Hab ich die Aufgabe wirklich richtig und wenn ja, warum?

2 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo,

gaudere heißt bereits ohne se sich freuen.

Das se gehört zu einem von gaudebat abhängigen AcI:

Er bereitete ihm kein Vergnügen, daß er zu Wasser und zu Lande umherirrte.

Se bedeutet, daß er selbst umherirrt, eum, daß es ein anderer ist, über dessen Umherirren er sich nicht freut.

Es ginge also beides.

Videbant ist Plural, daher kann dort kein rückbezügliches se (Singular) stehen.

Beim nächsten Satz geht wieder beides.

Entweder wußte Äneas sich selbst unter der Führung der Götter oder jemand anderen.

Bei dem Satz mit constat sollte ei stehen, denn nun wird von außen auf Äneas geblickt (oder auf eine andere Person): Man weiß, daß die Götter ihm immer zur Seite gestanden haben.

Auch im letzten Satz freut sich Äneas entweder über die Unterstützung seiner eigenen Person (sibi) oder eines anderen nicht näher bezeichneten Menschen.

Wahrscheinlicher ist hier aber sibi.

Herzliche Grüße,

Willy

Stoahauer  05.05.2019, 08:50

Bei dem Satz mit "videbant" geht aber meines Erachtens schon ein "se", denn es kann ja auch Akk. Pl. sein.

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Willy1729  05.05.2019, 09:38
@Stoahauer

Stimmt, se und sibi können auch Plural sein.

Theoretisch also auch rückbezüglich.

Sie bemerkten, daß sie sich nach der Heimat sehnten.

Ein überraschender Anfall von Heimweh?

Könnte man durchgehen lassen.

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lumbricussi 
Fragesteller
 05.05.2019, 23:07

Vielen Dank, Willy. Die Sätze waren aus dem Zusammenhang gerissen, weil ich nur die brachte, bei denen ich mir nicht so recht sicher war. Es ging nur um Äneas und die Götter. Und wichtig ist dann eigentlich nur der Standpunkt, von dem aus ich sehen kann, wer mit dem "er" oder "sie" gemeint ist.

Danke auch an Stoahauer.

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Du hast alles goldrichtig gemacht!

Das Reflexivpronomen im AcI bezieht sich entweder auf das übergeordnete (nominativische!) Subjekt des Satzes, in dem der AcI eingebettet ist (= indirekte Reflexivität), oder aber auf den Subjektsakkusativ des AcIs (= direkte Reflexivität). Im letzteren Fall ist die Übersetzung für "se/sibi" in allen Fällen "sich", bei indirekter Reflexivität geschieht die Übersetzung im Deutschen durch ein Personalpronomen der 3.Person - und zwar unabhängig vom Numerus (= Singular/Plural) des übergeordneten Subjekts.

Hängt ein AcI von einem unpersönlichen Verb wie "constat" (3.Sg., Subjekt "es") ab, ist er selbst Subjekt dieses Verbs und indirekte Reflexivität ist ausgeschlossen.

Um zu entscheiden, ob es sich um direkte oder indirekte Reflexivität handelt, ist tatsächlich an den Zusammenhang oder das Hintergrundwissen gebunden. Im Lateinunterricht, besonders aber bei Klausuren bzw. Arbeiten, ist der Kontext in der Regel eindeutig, sodass die Gefahr einer falschen Übersetzung (besser: eines falschen Bezugs) gering ist.

Aufpassen musst du dagegen bei den berühmt-berüchtigten Orakelsprüchen aus Delphi: Diese sind bewusst oft so doppeldeutig formuliert, dass das Orakel, egal was geschieht, Recht behält...

Beispiel: Rex putavit se Romanos vincere posse, nam Pythia dixit: "Constat te Romanos vincere posse."

Der König glaubte, er könne die Römer besiegen, denn die Pythia (Oraklepriesterin) sagte :"Es steht fest, dass du die Römer besiegen kannst."

Tatsächlich verlor der König die Schlacht, denn "Constat te Romanos vincere posse." ist doppeldeutig: Es kann auch bedeuten: Es steht fest, dass die Römer dich besiegen können.

Woher also das Missverständnis? In der Regel steht in einem AcI der Subjektsakkusativ vor dem Objektsakkusativ.

Was kannst du daraus lernen? Ist "se" das erste Wort des AcIs, handelt es sich in der Regel um einen Fall der indirekten Reflexivität.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Habe Latein und Französisch auf Lehramt studiert.
lumbricussi 
Fragesteller
 11.05.2019, 16:49

Ich bedanke mich erst heute für die Erklärung, weil ich erst jetzt den – hoffentlich – vollen Durchblick habe. Durch die Bezeichnungen „indirekte bzw. direkte Reflexivität“ und Subjekts/Objektsakkusativ kam ich schon wieder durcheinander. Aber ich hab ja um Erklärung gebeten. :-) Heute ist bei mir der Groschen gefallen. Manchmal steh ich schon unendlich lange auf der Leitung. Und jetzt kann ich gar nicht mehr verstehen, warum ich das nicht kapiert habe. Vielen vielen Dank. 

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