Das Nichts instabil?

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Der Urknall — da sind sich die Physiker heute ziemlich sicher — war lediglich ein Ereignis, in dem eine ganz unglaublich große Menge von Energie sich in ganz unglaublich kurzer Zeit völlig neue Form gab.

Die Naturgesetze aber, die solche Neuverteilung von Energie steuern — auf jeden Fall die Gesamtheit aller mathematischen Gesetze als der wahrscheinlich einzige Teil allen Naturgesetzes, der unabhängig von Zeit und Raum stets derselbe ist — haben schon immer existiert.

Die Energie des gesamten Universums ist nicht erhalten und es ist auch knifflig, sie überhaupt zu definieren. Das Problem bei der Entstehung aus dem Nichts ist nicht die Energie, sondern die Information. Die Information scheint erhalten zu bleiben. Viele Physiker meinen, wenn die Information nicht erhalten wäre, wäre dies ein grober Verstoss gegen die Quantentheorie.

Andererseits ist durchaus möglich, dass das Universum als Ganzes überhaupt keine Information enthält. Wenn man das Nichts Quantenmechanisch beschreibt, kommt man in sehr engem Rahmen auf die Naturgesetze und das Universum, das wir beobachten. Unser Universum könnte also eine spezielle Perspektive auf das Nichts sein. Siehe dazu Philipp Wehrli, 'Das Universum, das Ich und der liebe Gott'.

Mit der Beschreibung 'Das Nichts ist instabil' bin ich in diesem Zusammenhang nicht einverstanden, weil es ja gar keine Zeit gab. Da kann das Nichts auch nicht instabil sein.

grtgrt  27.06.2020, 17:27

In welchem Sinne genau verstehst du hier das Wort "Information"?

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diderot2019  27.06.2020, 18:13
@grtgrt

Ich denke, es gibt eine Unzahl verschiedener Möglichkeiten, wie die Welt sein kann. Um festzulegen, welche dieser unzähligen Möglichkeiten in unserer Welt verwirklicht ist, braucht es Information. Ich denke dazu braucht es ziemlich viel Information. Nach C. F. von Weizsäckers Urtheorie braucht es etwa 10^120 Qubit, um unsere Welt fest zu legen. Hier ist eine Schätzung von Seth Lloyd, der aber nicht der einzige und auch nicht erste Physiker ist, der auf diese Zahl kommt.

Ich denke aber, das Universum ist eine Überlagerung aller möglichen Welten (Viele-Welten Interpretation). Bei so einer Überlagerung passiert etwas Seltsames: Es braucht immer mehr Information, um das Universum zu beschreiben, bis die Hälfte der Möglichkeiten beschrieben sind. Danach brauchst du aber wieder weniger Information. Denn dann reicht es, zu beschreiben, welche Welten nicht verwirklicht sind. Wenn alle Welten in der Überlagerung vorkommen, enthält das Universum null Information.

Die Frage ist natürlich, weshalb wir dennoch nur eine Welt sehen. Die Antwort darauf gab Dieter Zeh mit seiner Dekohärenz-Theorie. Wir sehen nur die Welt, die mit uns kompatibel ist. Dadurch, dass du nur einen Teil des Universums siehst, nämlich nur eine ausgewählte Welt, scheint es dir, als wäre da Information. Aber Tatsächlich liegt dies nur an deiner Perspektive.

Dies ist ein Effekt, der aus der Quantenphysik bekannt ist und der eng mit der Hawking-Strahlung verwandt ist. Die Hawking-Strahlung entsteht, weil wir den Teil der Welt hinter dem Horizont des schwarzen Lochs nicht sehen können. Wenn man ein System aus null Information in zwei Teilsysteme teilt, enthalten beide Teile Information, in dem Sinne, in dem Shannon 'Information' definierte.

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grtgrt  27.06.2020, 20:24
@diderot2019

Zwei Dinge darin verstehen wir beide wohl unterschiedlich:

Ich jedenfalls weiß:

  1. H.D. Zeh hat ganz klar erklärt, dass Everetts viele Welten nicht wirkliche Welten sind, sondern nur im Konfigurationsraum (als Möglichkeiten also) existieren. Konkretere Existenz hat stets nur eine von ihnen.
  2. Information im Sinne von Shannon informiert nicht (wie man denken könnte), sondern ist einfach nur Informations-Kapazität. Man kann es auch so sagen: Information im Sinne Shannons entspricht einer Folge von Variablen mit oder ohne Wert. Zu Information (im umgangssprachlichen Sinne, d.h. zu etwas, das informiert) wird die Folge der Werte dieser Variablen erst, wenn ihnen jemand Bedeutung zuordnet. Es kann durchaus sein, dass unterschiedliche Empfänger ihr unterschiedliche Bedeutung zuordnen. Görnitz spricht von abstrakter Information, soweit jene Variablen Werte haben, ihnen aber noch keine Bedeutung zugeordnet wurde.
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diderot2019  27.06.2020, 20:47
@grtgrt
H.D. Zeh hat ganz klar erklärt, dass Everetts viele Welten nicht wirkliche Welten sind, sondern nur im Konfigurationsraum (als Möglichkeiten also) existieren.

Wo hat Dieter Zeh dies erklärt? - Ich habe sein Buch 'Physik ohne Realität - Tiefsinn oder Wahnsinn?' gelesen und ihm eine Zusammenfassung geschrieben, wie ich dies verstehe. Davor habe ich in einem anderen Forum mit verschiedenen Physikern und Mathematikern länger über die Viele-Welten Interpretation gestritten. Auch da habe ich Dieter Zeh angeschrieben und gefragt, ob ich ihn richtig interpretiere. In beiden Malen hat er mir rasch zurückgeschrieben und ausdrücklich bestätigt, dass ich ihn richtig verstanden habe.

Man kann 'Wirklichkeit' sicher unterschiedlich definieren. Aber nach der Dekohärenz-Theorie ist es nicht sinnvoll, die nicht wahrgenommenen Welten als weniger real zu bezeichnen. Würde man dies tun, so verlöre die ganze Interpretation ihren Sinn.

Von Weizsäcker und wohl die meisten seiner Schüler, sicher auch Görnitz verstehen Information anders als ich. Von Weizsäcker z. B. setzt eine Zeit voraus, was meiner Ansicht nach nicht nötig ist. Weiter setzen Physiker dieser Denkrichtung voraus, dass Information eine Bedeutung haben muss, wie sie erst in komplizierteren Zusammenhängen entsteht. Ich würde aber sagen, die Bedeutung entsteht bereits auf sehr elementarem Niveau: Ein System, das null Information enthält, besteht aus einer Überlagerung von Paaren von Zuständen, die sich gegenseitig auslöschen. Wird das System in zwei Teilsysteme geteilt, so werden diese Paare getrennt. So bleibt in jedem Teil ein Zustand, der nicht ausgelöscht wird. Dieser Zustand trägt die Information über den Zustand im anderen Teilsystem, der nun auch nicht mehr ausgelöscht wird. Etwa so, wie du aus einem Stapel von Karten einige heraus nehmen kannst. Du kannst dann den einen Stapel anschauen und daran ablesen, welche Karten im anderen sind. Damit ist Information entstanden, dadurch, dass du den Stapel geteilt hast. Diese Information ist natürlich abhängig vom Beobachter. Denn nicht jeder Beobachter teilt den Stapel in gleicher Weise. Und wer ihn gar nicht teilt, hat sogar null Information.

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grtgrt  27.06.2020, 21:12
@diderot2019

Meine Notizen sagen:

Der langen Rede kurzer Sinn: Everetts viele Welten, die sich ausgehend von einem konkreten Zustand des Universums über die Zeit hinweg ergeben können (sozusagen aus ihm herauswachsen), sind lediglich Möglichkeiten, von denen sich aber zu jedem Zeitpunkt immer nur eine tatsächlich ergeben haben wird.

Richtig gesehen hat das Heinz-Dieter Zeh, welcher schrieb: “They do not exist somewhere in space and time, but somewhere else in what we classically call the configuration space.”

Leider habe ich mir nicht aufgeschrieben, in welchem seiner Papiere genau ich dieses wörtliche Zitat fand.

 

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diderot2019  27.06.2020, 21:32
@grtgrt

Natürlich sind die Welten nicht in Raum und Zeit, sondern im Konfigurationenraum. Das ist klar. Der Punkt ist aber, dass sie nicht weniger real sind als unsere Welt. Ausser du definierst Realität Beobachter abhängig, was man natürlich auch tun kann. Aber wenn du sagst, die Realität soll unabhängig vom Beobachter sein, dann sind die Vielen-Welten auch real.

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grtgrt  27.06.2020, 21:51
@diderot2019

Realität ist ein sehr schillernder Begriff, mit anderen Worten: Es gibt Realitäten unterschiedlicher Art. Von Everetts Welten sind alle — mit stets genau einer Ausnahme — nur als Möglichkeit (konkurrierend mit anderen Möglichkeiten) real.

Unter Realität versteht man, umgangssprachlich jedenfalls, etwas, das existiert (also existent ist). Man sollte aber nie vergessen, dass existent zu sein immer nur bedeuten kann, in bestimmer Rolle existent zu sein. Selbst Markus Gabriel (als derzeit angeblich "bester Philosoph Deutschlands" und als Inhaber eines Lehrstuhls für Erkenntnis-Philosophie hat das bisher nicht begriffen. Carlo Rovelli allerdings — ein italienischer Physiker, den man als Begründer der Schleifenquantengravitationstheorie kennt — weiß das sehr wohl. Ihm ist klar, dass Pinoccio als Märchengestalt existiert, aber nicht als ein Wesen, dessen Nase man beim Lügen tatsächlich wachsen sehen kann.

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diderot2019  28.06.2020, 00:27
@grtgrt

Rovelli interpretiert 'Realität' tatsächlich anders als Zeh. Ich will die Textstelle jetzt nicht heraussuchen, denn ich habe ziemlich viele Bücher von ihm und auch ziemlich viele seiner Online Vorträge gehört. Insbesondere in einer Stelle schreibt er länger über Everetts Viele Welten. Rovelli meint, man solle besser von 'relativen Beobachtern' sprechen. Dies würde begrifflich besser zur Relativitätstheorie passen. Ich bin nicht mehr sicher, ob Rovelli in diesem Zusammenhang auch über den Begriff 'Realität' spricht. Konkret bedeutet die Idee von 'relativen Beobachtern' aber nichts anderes, als dass die Realität vom Beobachter abhängt. Diese Beschreibung ist konsistent. Rovelli ist in philosophischen Interpretationen sowieso außerordentlich sattelfest.

Zeh dagegen will gerade vermeiden, dass der Begriff 'Realität' vom Beobachter abhängig ist. Er schliesst ebenso konsistent, dass dies nur möglich ist, wenn man Viele Welten annimmt und alle dieser Welten als real existierend ansieht. Was Everett dazu gesagt hat, weiss ich nicht.

Und natürlich gibt es noch die dritte konsistente Interpretation, dass nämlich nur gerade meine Welt real ist. Dann braucht man weder Viele Welten, noch relative Beobachter.

Was aber nicht konsistent ist, ist die Behauptung, die Vielen Welten existieren nur als Möglichkeiten und Realität sei unabhängig vom Beobachter.

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Vermutlich ja, vermutlich ist das Nichts instabil. Statistisch gesehen müssste das Universum im Vakuum-Zustand sein, ist es aber nicht, sondern besteht aus Relationen, also aus positiven und negativen Kräften und Energien. Da dieser Zustand schon seit vielen Milliarden Jahren anhält, kann man vermuten, dass der reine Vakuum-Zustand instabil ist.

Woher ich das weiß:Hobby

"Es heißt" (um diese Formulierung aufzugreifen, die ich eigentlich nicht mag, weil sie alles als Gerücht relativiert), dass mit dem Urknall Raum und Zeit entstanden sind. Das bedeutet nicht, dass auch die Naturgesetze mit entstanden sind. Da der Urknall ein natürliches Ereignis war, muss auch er bestehenden Naturgesetzen folgen. Wir kennen nur nicht alle.

Wieso "Nichts"? Mit dem Urknall kam die Energie. Danach kam der Energieerhaltungssatz.