Ablaut und Umlaut?

1 Antwort

Um das zu entscheiden, darfst Du natürlich nicht die zeitgenössischen Formen an­sehen, sondern mußt auf die gemeingermanischen oder zumindest althochdeut­schen Formen zurückgreifen. Die findest Du hoffentlich in Deinem Lehrbuch, sonst eben auf Wiktionary.

Grundsätzlich ist fahren ein starkes Verb der Klasse VI (die oft etwas mit Laryngealen zu tun hat), und diese Verben und ihre Formen sind letztlich erst im Germanischen entstanden, aus Versatzstücken der indogermanischen Grammatik.

  1. fahren/fuhr ist ein Ablaut, und zwar einer von denen, die keinen direkten indo­germanischen sondern erst im Germanischen aus Analogie nachgebaut wurden. Bei den starken Verben I–V ergab sich der germanische Ablaut ja größtenteils direkt aus den indogermanischen Vorläuferformen, und das haben die Germanen dann auf die neuen Verben mit a im Präsens und ō im Präteritum (Sg+Pl) über­tragen und dabei neue Ablautmuster erfunden. Die westgermanischen Formen heißen faru/fōr, die althochdeutschen faru/fuor.
  2. fuhr/führe ist natürlich ein Umlaut, wie man auch noch an der heutigen Schreib­weise sieht. Der Grund ist, daß der germanische Konjunktiv aus dem indogermani­schen Optativ hervorgegangen ist, und der wurde ja durchgehend mit i gebildet (das sieht man an vereinzelten lateinischen Konjunktivformen, die eigentlich Op­ta­tive sind, wie vellim, sim, duim, und im Griechischen ist der Optativ natürlich durch­gehend erhalten, z.B. εη, δουλο, δοίη). Die westegermanischen (fōr/fōri) oder alt­hochdeutschen (fuor/fuori) haben also noch das alte Optativ-I, der den Vokal der vorangehenden Silbe anhebt, uo→üe. Der Umlaut wurde im Althochdeutschen ver­mutlich schon gesprochen, aber nicht geschrieben, weil er nicht phonemisch war.
  3. fahren/fährst ist auch ein Umlaut, ausgelöst durch ein I in der Folgesilbe (wgerm. fariʀi → ahd. feris). Dieser Umlaut ist aber im Althochdeutschen auch schriftlich meist notiert, also ist er älter als der unter (2) beschriebene („Primärumlaut“). Wiktionary schreibt komischerwei­se nicht umgelautete Formen an, aber ich halte das für Quatsch.
  4. werfen/wirfst ist letztlich derselbe Fall, weil ja die gleiche Flexionssilbe -iʀi mit ihrem I für die Hebung e→i verantwortlich ist. Allerdings ist dieser Umlaut viel älter und trat bereits vor althochdeutscher Zeit, vielleicht sogar in gemeingermanischer Zeit, auf.

Den Rest kriegst Du sicher alleine hin.

Woher ich das weiß:Hobby – Angelesenes Wissen über Sprach­geschich­te und Grammatik

Stardust147 
Beitragsersteller
 28.01.2025, 14:45

Vielen, vielen Dank für die sehr hilfreiche Antwort!