Ablaut und Umlaut?
Guten Abend,
es geht um folgende Aufgabe:
Welche Vokalalternanzen gehen auf den Ablaut zurück? Welche auf den Umlaut? Bitte geben Sie beim UL auch jeweils den Teilbereich an (wg. Hebung - wg. Senkung - Primär-UL - Sekundär-UL).
Bei welchen Beispielen wirken Ablaut und Umlaut zusammen?
- fahren - fuhr
- fuhr- führe
- fahren (< ahd. faran) - fährst
- werfen - wirfst
- werfen - geworfen
- Zorn - zürnen
mein Problem liegt darin, dass ich nicht verstehe, welche Merkmale auf einen Ablaut und welche auf einem Umlaut hindeuten. Umlaute entstehen ja durch Umlautauslöser wie z.B. das a,e,o bei der Wg. Senkung. In den Nhd.-Worten sehe ich das aber doch gar nicht mehr, oder?
Der Ablaut beschreibt den Wechsel des Stammbokals in etymologisch Verwandten Wörtern. Also z.B. bei fahren-fuhr-gefahren. Somit wäre 1) ein AL.
Führ und führe sind vermutlich ein Umlaut, allerdings sehe ich keinen Umlautauslöser. Beim dritten Beispiel habe ich auch einen Umlaut. Vier verstehe ich nicht, fünf musste (aufgrund selber Merkmale wie bei 1) ein AL sein. Bei sechs bin ich völlig verwirrt.
Ich habe mich wirklich intensiv mit dem Thema befasst, aber dieser kleine Themengebiet erschließt sich mir einfach nicht. Es wäre wundervoll, wenn wir das noch mal jemand erklären könnte.
Ganz liebe Grüße und vielen Dank im Voraus
1 Antwort
Um das zu entscheiden, darfst Du natürlich nicht die zeitgenössischen Formen ansehen, sondern mußt auf die gemeingermanischen oder zumindest althochdeutschen Formen zurückgreifen. Die findest Du hoffentlich in Deinem Lehrbuch, sonst eben auf Wiktionary.
Grundsätzlich ist fahren ein starkes Verb der Klasse VI (die oft etwas mit Laryngealen zu tun hat), und diese Verben und ihre Formen sind letztlich erst im Germanischen entstanden, aus Versatzstücken der indogermanischen Grammatik.
- fahren/fuhr ist ein Ablaut, und zwar einer von denen, die keinen direkten indogermanischen sondern erst im Germanischen aus Analogie nachgebaut wurden. Bei den starken Verben I–V ergab sich der germanische Ablaut ja größtenteils direkt aus den indogermanischen Vorläuferformen, und das haben die Germanen dann auf die neuen Verben mit a im Präsens und ō im Präteritum (Sg+Pl) übertragen und dabei neue Ablautmuster erfunden. Die westgermanischen Formen heißen faru/fōr, die althochdeutschen faru/fuor.
- fuhr/führe ist natürlich ein Umlaut, wie man auch noch an der heutigen Schreibweise sieht. Der Grund ist, daß der germanische Konjunktiv aus dem indogermanischen Optativ hervorgegangen ist, und der wurde ja durchgehend mit i gebildet (das sieht man an vereinzelten lateinischen Konjunktivformen, die eigentlich Optative sind, wie vellim, sim, duim, und im Griechischen ist der Optativ natürlich durchgehend erhalten, z.B. εἵη, δουλοῖ, δοίη). Die westegermanischen (fōr/fōri) oder althochdeutschen (fuor/fuori) haben also noch das alte Optativ-I, der den Vokal der vorangehenden Silbe anhebt, uo→üe. Der Umlaut wurde im Althochdeutschen vermutlich schon gesprochen, aber nicht geschrieben, weil er nicht phonemisch war.
- fahren/fährst ist auch ein Umlaut, ausgelöst durch ein I in der Folgesilbe (wgerm. fariʀi → ahd. feris). Dieser Umlaut ist aber im Althochdeutschen auch schriftlich meist notiert, also ist er älter als der unter (2) beschriebene („Primärumlaut“). Wiktionary schreibt komischerweise nicht umgelautete Formen an, aber ich halte das für Quatsch.
- werfen/wirfst ist letztlich derselbe Fall, weil ja die gleiche Flexionssilbe -iʀi mit ihrem I für die Hebung e→i verantwortlich ist. Allerdings ist dieser Umlaut viel älter und trat bereits vor althochdeutscher Zeit, vielleicht sogar in gemeingermanischer Zeit, auf.
Den Rest kriegst Du sicher alleine hin.
Vielen, vielen Dank für die sehr hilfreiche Antwort!