Ist Selbstbetrug etwas schlechtes, oder bis zu welcher Grenze kann es gut sein?
Mir kam gerade die Frage auf, weil es in einer anderen Frage um den Tod eines geliebten Menschen ging - eine der Antworten war quasi "Dessen Seele lebt weiter, er ist nicht wirklich tot." und als ich das gelesen habe, wollte ich instinktiv widersprechen (Nein, habe ich nicht, nein, werde ich nicht, so unsensibel bin ich nicht).
Aber in Anbetracht dessen, dass "Seele" etwas ist, wofür es keinerlei stichhaltige Indizien oder Belege gibt - muss sowas als "Selbstbetrug" eingeordnet werden. Aber es geht ja vielen Menschen in Trauer besser bei dem Gedanken. Es hilft ihnen beim Trauerprozess. Ich denke auch nicht, dass der Glaube daran wirklich schadet, zumindest den meisten Menschen nicht...
Als ich die Titelfrage stellte, kam mir etwas in den Sinn, wo ich selbst sowas auch benutzt habe, quasi als Autosuggestion (nämlich, bei meiner Fahrschulprüfung, wo ich mir die Nervösität zum Teil damit weggeredet habe, dass ja nur jeder 2te durchfalle und der vor mir ja durchgefallen sei, ich also nur bestehen könnte...). Ich benutze diese Art Psychologie manchmal bei mir, weil ich weiß, dass es funktioniert.
Hrm, jetzt habe ich mich bei meiner Frage selber in der Frage verirrt. Daher: Was denkt ihr dazu?
Ist sich selbst betrügen/belügen schlecht, weil halt Lüge und in der Regel nur ein Symptom zur Verdeckung seines eigentlichen Problemes (zum Beispiel der Trauer) - oder kann es auch gut sein?
4 Antworten
Hallo guitschee!
Selbstbetrug ist die wissentliche oder unwissentliche Negierung von unerwünschten Wahrheiten, das bewusste oder unbewusste nicht Wahrhabenwollen von Belastendem, dem man sich nicht stellen will.
Werden die geleugneten Wahrheiten in einem weiteren Schritt durch Glaubensformeln wie: "Nur jede zweite, also nicht ich!", "Die Seele lebt weiter!", "Es gibt eine Leben nach dem Tod, in dem wir uns wiedersehen!", "Heute ist mein Glückstag!" etc. ersetzt, stellt das den Versuch dar, einen Weg aus der emotionalen Sackgasse oder aus einem Dilemma zu finden. Glaubensformeln gibt es auch in einem nicht-religiösen, nicht spirituellen Sinn. Glaubensformeln befähigen uns tatsächlich, neue Wege zu finden. "Nur jede zweite, also nicht ich!", und die Prüfung wird geschafft.
Während der Selbstbetrug ein Ausweichen ist, im besten Fall vielleicht auch dazu dient, um erstmal wieder zum Durchatmen zu kommen, ist der Einsatz von selbstbestärkenden Suggestionen oder religiösen Vorstellungen z.B. einer "zweiten Chance" eine taugliche Variante der Problemlösung, besser, als z.B. in Depressionen zu versinken.
Beides kann also nützlich sein.
Selbstbetrug in Form stetiger Negierung ist aus meiner Sicht allerdings keine Lösung, kann jedoch ein Überleben für eine bestimmte Zeit ermöglichen.
LG
gufrastella
Aber in Anbetracht dessen, dass "Seele" etwas ist, wofür es keinerlei stichhaltige Indizien oder Belege gibt - muss sowas als "Selbstbetrug" eingeordnet werden.
Nicht wenn man sich das selbst vorstellen und mit seinem eigenen Glauben vereinbaren kann.
Es ändert aber nichts daran,d ass die Person nicht mehr für einen erreichbar ist.
Und ja, sich slebst zu belügen ist schlecht. Wenn man sich der "Lüge" aber bewusst ist, dann ist es keine Lüge.
Schlußendlich läuft es auf ein Ignorieren hinaus. Das ist meistens schlecht, kann aber zweitweilig durchaus tolerable und eine praktikable Option sein.
Pauschal beantworten kann man das nicht denke ich.
Selbstbetrug halte ich für grundsätzlich nicht sinnvoll, mindestens zu sich selbst sollte man schon ehrlich sein.
Wobei es sicher Situationen gibt, wo einem der Selbstbetrug selber hilft, Körper oder Seele vor Schaden zu bewahren.
Bei deinem Bsp. der Trauer ist das so ein Grenzfall. Hier trifft ja Glaube ( ein Leben nach dem Tod ) auf die Wissenschaft, die das nicht belegen kann. Hier wäre es für mich, "vertretbarer" Selbstbetrug, basierend auf einem Glauben der vielleicht keine absolute Wahrheit ist.
Das nennt man einfach "Glauben"
Und das hat nichts mit Selbstbetrug zu tun sondern ist vollkommen in Ordnung.
Und ich sage dir, dass Glaube und Selbstbetrug zwei sehr sehr sehr unterschiedliche Dinge sind und nichts miteinander zu tun haben.
In dem Fall oben redet man sich ein, dass etwas nicht wahr wäre, weil die Wahrheit einem wehtut - natürlich ist das Selbstbetrug.
Nein.
Man glaubt. Und woran man glauben will bleibt einem selbst überlassen. Egal ob du das blöd findest oder nicht.
Glauben aus diesem Grund ist Selbstbetrug.
Aber wie gesagt: ich habe noch ein zweites Beispiel gebracht und du redest konsequent an der Frage bisher vorbei.
Nein.
Und über dein anderes Beispiel brauchen wir nicht reden wenn du die Tatsache nicht sehen willst, dass es bei Selbstbetrug und bei Glauben um vollkommen unterschiedliche Dinge geht.
Okay, Betrüge dich halt selber, in dem du dir einredest, es sei keine Form des Selbstbetruges, etwas völlig unlogisches und unbelegtes zu glauben, nur damit es einem besser geht...
Glaube muss nicht jedem gefallen. Er muss nicht nachvollziehbar und schon gar nicht logisch sein. Deshalb IST es ja Glaube.
Was wieder am Thema, selbst an dem zweiten, welches du aufgemacht hast, vorbeiredet.
Glauben ist für mich genau das, aber eben weil ich solche Einwände erwartete, brachte ich auch ein zweites Beispiel, wo es nichts mit Glauben zu tun hat.