Warum ist das nicht erlaubt?
Mal angenommen, in einem Land wird die Tochter eines Bekannten Politikers mit Alkohol am Steuer ertappt und festgenommen. Ihr Vater setzt mit seiner Partei im Parlament ein Gesetz durch, das die Promillegrenzen rückwirkend erheblich senkt, sodass das Verhalten seiner Tochter zum Zeitpunkt der Tat nicht mehr strafbar ist.
Warum ist ein solches Vorgehen in einem Rechtsstaat nicht erlaubt?
Danke für hilfreiche Antworten.
4 Antworten
Das Gesetz muss - auch in Deutschland - die Promillegrenze, und damit die Strafbarkeit gar nicht rückwirkend (also zum Tatzeitpunkt) absenken bzw. aufheben. Es reicht vollkommen, wenn die Strafbarkeit vor dem Urteil aufgehoben wird - das würde, auch in Deutschland, zur Anwendung des mildesten Gesetzes führen.
Grund: schon § 2 Abs. 3 StGB ordnet das an. Bei mehrfachen Gesetzesänderungen ist das für den Angeklagten günstigste Recht anzuwenden (so auch: Sturm, NStZ 2017, 553.). Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) leitet dieses sog. Meistbegünstigungsprinzip aus Art. 7 Abs. 1 MRK ab (s. Urteil EGMR 17.9.2009 Scoppola/Italien 10249/03 Nr. 108 f.)
Ein Zustand der Straflosigkeit ist das mildeste Recht. Erfasst ist auch ein Versehen des Gesetzgebers (s. z.B. Urt. v. 23.07.1992, Az.: 4 StR 194/92).
Verboten ist es natürlich nicht, Strafnormen anzupassen oder aufzuheben, soweit das formal und inhaltlich korrekt erfolgt.
Du erinnerst dich vielleicht an den Fall Böhmermann und den Fall Edathy. Beide Fälle waren vermutlich Anlass für Gesetzesänderungen. Im einen Fall wurde eine Strafnorm aufgehoben, im anderen Fall wurde bisher strafloses Verhalten unter Strafe gestellt.
Warum sollte das nicht erlaubt sein?
Dieses Gesetz hätte nur dann ein Geschmäckle, wenn als Grund für die Verabschiedung des Gesetzes die angestrebte Straffreiheit der Tochter angegeben worden wäre.
Doch solange dies nicht geschieht und die Gesetzesänderung mit anderen plausiblen Begründungen gerechtfertigt wird, entspricht dieses Vorgehen durchaus dem üblichen demokratischen Vorgehen.
Es gibt kein Gesetz, welches dieses Vorgehen verbietet.
Gesetzesänderungen sind nur zufolge Mehrheitsbeschlüssen in den Parlamenten möglich, womit diesbezüglich eine Einzelperson wenig auszurichten vermag.
Wegen der Rechtssicherheit.