Warum gibt es in der Jugend nicht mehr so Party wie damals?

Was meinst Du, was hat dazu beigetragen, dass es neuzeitlich so gekommen ist?

Die heutige Jugend ist irgendwie verklemmter, mainstreamiger, angepasster, irgendwie eingeschüchterter und konservativer als wir es waren. Ich meine das nicht negativ, bekam es aber u.a. an meinen zwei "kleinsten" Cousinen (Jahrgang 2001 und 2003) sowie Nachhilfeschülern mit, die ich bis ca. 2017 noch auf die Mittlere Reife vorbereitete - das waren die Kiddies von Bekannten, denen ich Unterricht erteilte. Die waren so nett und umgänglich, aber viel "konservativer", teils ängstlicher usw. als wir - ich denke auch, dass die Eltern nicht unschuldig sind und die Generation von Lehrern, die diese Kiddies haben, auch anders unterrichtet als unsere Lehrer es getan haben.

Die Erziehung ist eine andere, das Umfeld anders, die Verbote der Eltern (Übervorsicht; Helikopter-Eltern!!) sind viel restriktiver, man ist ein Stück weit auch arroganter und egozentrischer geworden.. ich meine das keinesfalls als Kritik, aber es kam mir oft doch schon so vor - auch bei Azubis, die ich bis 2018 betreut habe. Allein deren Auftritt war mitunter so konservativ bis weltfremd, dass wir diese Leute damals für komische Käuze und superarrogante Gelackte angesehen hätten ... nicht dass wir lottelig & ungepflegt gewesen wären oder so, aber wir waren "unkomplizierter" würde ich mal sagen und wuchsen nicht in dieser extremen Wohlstandsgesellschaft auf. Der inzwischen wohl auch höhere Anteil an eher verhätschelten Einzelkindern (?) dürfte dazu beitragen.

Ja, dankeschön für Deine Antwort. Ich schließe mich Dir an und kann das nachvollziehen. In meiner Erziehungszeit mit den Kindern wurden bereits die Rechtsanwälte mehr. Hiermit spreche ich Deine Schilderung mit Übervorsicht und Helikopter-Eltern an.

Als Kind habe ich die Erziehung damals anders erfahren. Ich war einfach freier. Meine Eltern haben mich nicht mit dem Auto in die Schule gefahren und mich auch nicht großartig irgendwo in einem Hobbykurs am Nachmittag organisiert. Bei Wind und Wetter war ich zu Fuß unterwegs.

Gleiches habe ich an unsere Kinder weiter gegeben.

Und was ist jetzt? Die Helis fliegen weiter und die Busse sind leer. Als ehemalige Schülerin empfand ich die öffentlichen Verkehrsmittel damals immer schon gefährlich. In meiner eigenen Kindheit war ich deshalb häufiger krank. Das gleiche erfuhr ich in der Erziehung unserer Kinder. Erst seit unsere Kinder aus dem Haus sind wurde es deutlich besser. Seither sind wir ganz einfach gesünder.

LG

Ich war auch zu Fuß unterwegs. Selbst als es im Sommer 1998 an der Schule einen Aufschrei gab, weil es hieß, mein Mitschüler Daniel sei entführt worden - in Wahrheit hatte er den Bus verpasst, wollte daraufhin nach Hause laufen und ist unterwegs von einem Lehrer aufgegabelt worden, der den Radweg abklapperte - mussten weiterhin die meisten zu Fuß laufen.

Öffentliche Verkehrsmittel hasste ich als Jugendlicher und war froh, als ich dann den Führerschein endlich hatte und mir ein Auto kaufte. War ein uralter beiger Audi 100 aus den 80ern, den ich einem Rentner für 500 Euro abkaufte ... aber ich war fortan selbst mobil und musste nicht mehr im Bus fahren ab schummrigen Haltestellen, wo Besoffene rumlungerten oder wo seit Jahren arbeitslose Hartzer Streit suchten und wo schon um 13 Uhr nach der Berufsschule die Polizei mit zwei weiß-grünen Opel Omegas Spalier stand, dass ja nix passiert, niemand am Omnibusbahnhof Drogen verkauft oder Alkohol in sich rein pumpt und damit stadtbekannte "Stressmacher" die Leute in Ruhe lassen. Mich ließen diese "Stadtstreicher" zwar in Ruhe, aber ich fühlte mich da immer enorm unsicher und der olle Audi gab mir ganz viel Sicherheit.

Ich hatte eine "richtige Kindheit", die sich zwischen Kinderzimmer, Kiga und Schule, Spielplatz und Familie/Freunde abspielte. Es lief nicht alles optimal, aber ich kann mich nicht beklagen. Meine jüngsten Cousinen hatten hingegen von klein auf schon mit PEKiP, Babyschwimmen, Ergotherapie, Musikalischer Früherziehung usw. und später Kinderturnen und Tennis sowie "English for Kids" [sic!] etc. ein dermaßen volles Programm, dass es sogar von einigen Verwandten kritisch gesehen wurde. Aus den Mädchen wurde zwar auch was, aber ob der Weg dorthin schöner war?!

Ich glaube, meine Kumpels und ich hatten den sorgloseren und schöneren Weg in die Erwachsenenwelt gehabt - und mein erstes Mal war trotz dickem Gipsfuß meiner damaligen Freundin (Caro) auch soooo schöööön ;-)

Du sprichst mir so aus den Augen! Ich habe ähnliche, familiäre Erziehungsjahre hinter mir. Ja, es lief nicht alles optimal und ich will mich auch nicht beklagen. Meine Eltern haben mich damals in die Sonntags Kirche geschickt und ich weiß noch, wie ich regelmäßig diese 1 Stunde um die Kirche herum spaziert bin. Mit Kumpels habe ich die Unterwelt - stillgelegte Wasserkanäle - mit Taschenlampe erkundet. Wir sind auch Ratten begegnet. Das war total spannend!

Meinen damaligen ersten Freund und danach einen zweiten Freund wollten meine Eltern nicht akzeptieren. Mein 18 Geburtstag wurde von meinem Vater organisiert. Meine Mutter fühlte sich damit überfordert und ist an diesem Abend von zu Hause ausgerissen.

Wenn eine Party angesagt war, zu der ich eingeladen wurde, musste ich um 20 Uhr wieder zu Hause sein. Mehr als einmal stand ich vor verschlossenen Türen und musste auf der Terrasse übernachten.

Mit 20 Jahren bin ich dann von zu Hause ausgezogen. Mein erstes Auto - einen gebrauchten VW Käfer (ehemaliges gelbes Postauto) und rot lackiert, leistete ich mir mit 24 Jahren für DM 500,00. Das war total klasse, weil ich dann nicht mehr mit dem öffentlichen Verkehrsmittel fahren musste. Überhaupt, wie ich fortan die Freiheit geniessen konnte.

Das war eine echt schöne Zeit.

Liebe Grüße