Eure Meinung zur "Sexualisierung" in der Welt?

9 Antworten

Ich glaube es sind zwei Dinge gleichzeitig. Auf der einen Seite ist Sex und alles was damit zu tun hat im Netz permanent für jeden zugänglich ist und man auch ständig damit konfrontiert wird.

Auf der anderen Seite haben Jugendliche aber selbst auch nicht mehr praktische Erfahrung als früher (obwohl viele das Gegenteil denken: Studien zeigen, dass Jugendliche ihren ersten Sex sogar im Durchschnitt später haben als vor 20 Jahren. Bei Mädchen liegt das Durchschnittsalter aktuell bei 17, bei Jungs sogar einige Monate darüber).

Und ich denke dieses Zusammenspiel ist ein Problem. Ihre Eltern waren auch schon in sexuell freien Zeiten jugendlich und selbst ihre Großeltern. Ich glaube vielen Jugendlichen würde die Kinnlade runterfallen, wenn sie wüssten, was damals alles lief. (Die Love-Parade und die legendären Techno-Orgien-Clubs stammen aus den 90ern und als ihre Großeltern jung waren war die Hippie-Zeit). Aber damals sammelte man eigene Erfahrungen. Und man hatte nicht diesen Druck der schönen Fassade und der Selbstoptimierung. Das kam erst mit den ganzen Social-Media-Plattformen, wo sich ja fast jeder eine zweite, eine Hochglanz-Identität zugelegt hat.

Und dass ist wirklich keine gute Kombination: die Porno-Vorbilder, mit denen man schon sehr jung konfrontiert wird und die man mangels eigener Erfahrung nicht einordnen kann, sondern für den Standard hält.

Und so ist eben Sex nicht mehr die schönste Sache die man zusammen erleben kann, sondern etwas womit man sich selbst unter Druck setzt und denkt, dass man perfekt sein muss. Und das ohne wirklich zu wissen, was den perfekt sein sollte.

Im Ergebnis halten Jugendliche einen Deepthroat für einen ganz normalen Blowjob, denken, dass man um interessant zu sein mindestens eine Fetisch braucht, dass man spießig ist, wenn man mit 15 noch keine bisexuellen Erfahrungen oder mindestens einen Dreier hatte, haben Angst, weil ihr Schamlippen nicht irgendwelchen angeblichen Idealen entsprechen, glauben sie machen was falsch weil sie nicht squirten oder geben mit irrwitzigen Penisgrößen an.

Und die, die selbst tatsächlich noch keinerlei Erfahrungen haben denken sich einfach irgend welche Fantasie-Geschichten aus um nicht dumm da zu stehen.

Also kurz: es ist garnicht so sehr eine Sexualisierung, sondern es ist die uneingeschränkte Verfügbarkeit dieser Inhalte, zusammen mit dem Druck durch das Netz selber perfekt zu sein.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Ich finde es positiv, dass man heutzutage offener mit der Sexualität umgeht als es noch unsere Großeltern kannten. Unsicherheiten werden durch Aufklärung abgebaut. Sex sollte kein Tabu-Thema sein, weil es - wie du selbst sagst - völlig normal ist.

Dabei gibt es natürlich auch immer Übertreibungen. Die Leute, denen Sex wichtiger ist als alles andere, sind sehr stark in der Unterzahl - aber auffallen tun immer die Extreme.

Was ich nicht gut finde ist die Tatsache, dass man ohne Altersbegrenzung Zugriff auf Pornos hat, die ein völlig falsches Bild von Partnerschaft und Sex vermitteln.

Ich denke da nicht viel drüber nach, weil ich das für sinnlos halte. Entweder man ist dem Druck gewachsen oder man ist es nicht. Es ist keiner zur Befruchtung gezwungen, jedenfalls hierzulande nicht, und wer sich davon irgendwie beeinflussen lässt, steckt wohl noch etwas im pubertären Gedankengut.

Also für die 0815 Menschen ist das natürlich extrem wichtig. Für sie hat eine Frau dünn zu sein, sie soll große Brüste besitzen und ein breiten Hintern haben. Der Mann soll Muskeln haben und trainiert sein.

Erinnert etwas an Neandertaler oder Tiere - die suchen sich ihren Partner auch so aus.

Graphik zur Symbolisierung:

Bild zum Beitrag

Quelle: http://m.quickmeme.com/meme/3qvj5a

 - (Frauen, Männer, Sexualität)

Vanessa63  12.03.2024, 20:27

Und du als Fackelträger unserer Evolution suchst dir deine Partner nach welchen Kriterien aus?

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Helmut3445  12.03.2024, 20:29
@Vanessa63

Ich gucke ihr direkt in die Hose, damit ich weiß was ich bekomme! Also natürlich nur wenn sie einverstanden ist.

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Natürlich ist Sex etwas Normales.

Damit ist die Frage dann auch schon beantwortet. Danke fürs Gespräch! ;)

Was sind eure Gedanken dazu, dass sich in der Gesellschaft so Vieles um (schnell zugänglichen oder extrem außergewöhnlichen) Sex dreht

Finde ich eine übertriebene Sichtweise. Und ansonsten war das eigentlich nie anders:

"'Warum musst du überall Sex mit ins Spiel bringen?' (...) Das ist die falsche Frage (...). Die richtige Frage lautet: 'Warum musst du überall Sex heraushalten?' Sex ist ein enormer Teil des menschlichen Lebens. Das ist der Grund warum, egal ob auf Höhlenwänden, Keramiken, Papyrus oder im Internet, er so ein zentrales Thema der Kunst ist seit dem Beginn der Geschichtsschreibung." (Dr. Marty Klein, Sexualtherapeut)

und dass das so normalisiert wird?

Gut und richtig!

Wir kommen halt aus einer EXTREM sexualfeindlichen Tradition:

"Das Schlimmste an der christlichen Religion ist ihre krankhafte und unnatürliche Einstellung zur Sexualität." (Prof. Bertrand Russell, Philosoph und Nobelpreisträger)

"Die bedeutendste negative Leistung des Christentums war die 'Problematisierung' der Sexualität (...) Wir brauchen eine Geisteshaltung, die in der Sexualität kein 'Problem', sondern ein 'Vergnügen' sieht. Den meisten Leuten fehlt dazu die Sicherheit - und oft auch die Liebe." (Dr. Alex Comfort, Arzt, Psychologe, Wissenschaftler und Schriftsteller)

Zum einen ist aber ein wesentlicher Kritikpunkt auch vieler gemäßigter Religiöser eben genau diese veraltete "Sexualmoral", zum anderen stirbt die Religion in unseren Breiten ohnehin gerade aus.

Was aber die Fundamentalisten angeht:

"Religiöse Menschen, die nichtehelichen oder nichtfortpflanzungsfähigen Sex verurteilen, begehen ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. (...) Während der praktische Missbrauch von Geistlichen durch Southern Baptists (und Mennoniten, Katholiken, orthodoxe Rabbiner usw.) immer so lange wie möglich geheim gehalten wird, geschieht dieser andere Missbrauch - der absichtlich die Sexualität von Kindern schädigt - Jahr für Jahr in aller Öffentlichkeit." (Dr. Marty Klein, Sexualtherapeut)

Dabei ändert sich an unserer Sexualität eigentlich gar nichts. Wir finden nur unsere Sprache wieder, darüber zu reden, unsere Sexualität in ihrer Vielfalt zu kommunizieren und sie zu leben. Das macht unsere Sexualität bewusster, offener lebbarer, aber nicht anders:

"Im Großen und Ganzen ist die Unterdrückung ja nie irgendwo gelungen! Gut, man kann ein künstliches Bild der Wirklichkeit propagieren und aufrecht erhalten, in dem viele Dinge tabuisiert sind, über die man nicht spricht, über die man nicht schreibt, über die man nicht berichtet, und, und, und, und. Aber das menschliche Sexualverhalten kann sich ja nicht so schnell ändern. Es ist ja das Ergebnis eines langen, evolutionären Prozesses von Millionen von Jahren. Das kann sich nicht in wenigen Hundert Jahren ändern. Auch nicht in wenigen Tausend Jahren. Das ist gar nicht möglich!" (Prof. Dr. Erwin J. Haeberle, Sexualwissenschaftler)

In Babylon, 4000 v.Chr., wird mit Sexualität offen umgegangen (s. Gilgamesch-Epos). Es gibt Tempelprostitution, und Kranke könne sich durch Besuche bei Hetären "heilen". 2600 v.Chr. entsteht in China das "Tao der Liebe" - Sexualität als eine "göttliche Erfahrung". Ebenso kannten die alten Griechen und Römer keine Verbote und Tabus, wie Menschen mit Sexualität und ihrer Darstellung umzugehen haben.

"Man hatte die Ehefrau zur Erzeugung der Kinder, die Hetäre zur Befriedigung der Lust, und für die Liebe einen Jüngling. (...) Der Liebesgott schoss wie er wollte, und brachte die Menschen dazu, sich von allen möglichen Liebesobjekten anziehen zu lassen - männlich, weiblich oder tierisch." (Prof. Dr. Erwin J. Haeberle, Sexualwissenschaftler)

Auch außerhalb des römischen Reiches galt sexuelle Freizügigkeit: Das Kamasutra aus dem 2. Jhdt. Ca. 1000 Jahre alt sind die Tempel von Khajuraho, geprägt von indischen Religionen, das Tantra, die Liebeskunst - auch hier der Akt als Ereignis, als etwas Göttliches.

Erst das frühe Christentum unterscheidet sich von anderen Religionen durch Askese und Enthaltsamkeit. Die Religion des Kreuzes sieht Sexualität als unnatürlich - feste Rituale stehen gegen die Lust, mit furchtbaren Folgen:

"Ab dem 4. Jhdt. dann, etwa glaube ich zur Zeit des heiligen Augustinus, hat sich die christliche Sexualmoral durchgesetzt, wurden Homosexuelle verbrannt, öffentlich hingerichtet. Also das war neu. Wie konnte das sein, wo doch vorher die Kultur so tolerant war?" (Dr. Gabriele Sorgo, Kulturhistorikerin)

Nur es dreht sich ja Vieles nur darum und einige Menschen haben Unsicherheiten, die dadurch hervorgerufen werden, weil es einen so hohen Stellenwert zu haben scheint usw.

Es HAT einen so hohen Stellenwert, aber wir haben verlernt, darüber zu reden! Bzw. man hat es uns über Jahrhunderte ausgetrieben, und selbst heute versuchen gewisse Menschen Angst und Panik zu verbreiten (Stichwort u.a.: "Frühsexualisierung" oder "Sex-/Pornosucht" - keine Lüge zu plump, keine Niedertracht zu groß).

"Das Seltsame an dieser Kirche ist: Sie ist von Sex besessen, absolut besessen!

Jetzt werden sie sagen: Wir mit unserer freizügigen Gesellschaft und unseren unanständigen Witzen sind besessen.

Nein, wir haben eine gesunde Einstellung. Wir mögen es, es macht Spaß, es ist fröhlich - weil es ein grundlegender Drang ist.

Es kann gefährlich, dunkel und schwierig sein. In dieser Hinsicht ist es ein bisschen wie Essen. Nur noch aufregender.

Die einzigen Menschen, die von Essen besessen sind, sind Magersüchtige und krankhaft Fettleibige; und das ist, im erotischen Sinne, die katholische Kirche auf den Punkt gebracht." (Stephen Fry, Schriftsteller, Drehbuchautor, Schauspieler, Regisseur, Journalist, Dichter, Komiker und Fernsehmoderator in seinem legendären Beitrag zur IQ²-Debatte "The Catholic Church is a Force for Good in the World" - Spoiler: War und ist sie nicht.)

Wir müssen nicht weniger, sondern mehr reden. Wir sind auf einem guten Weg - auch was unsere Kinder angeht. Aber wir sind noch lange nicht am Ziel.

Und mit dem Reden, dem Wissen, kommt auch die Sicherheit (zurück). Angst macht uns nur das Unbekannte, was wir nicht kennen und nicht verstehen.