Nehmen Deutsche die Uni ernst genug?
Gerade wenn ich Vergleiche zu Ländern ziehe, in denen Hochschulbildung entweder deutlich teurer oder schwerer zu bekommen (durch Aufnahmeprüfungen) sind, habe ich auch durch viele bekannte den Eindruck bekommen, dass das Studium oft entweder nicht mit so viel Elan verfolgt wird, oder viel gewechselt wird oder Fächer studiert werden nur aus reinem Interesse ohne konkrete berufliche Absichten.
In meiner Hochschulstadt etwa sind viele Expats u.a. aus China, die vor allem Studiengänge wählen, die für gut bezahlte Berufe qualifizieren (z.B. viele Ingenieursberufe, Informatik, Physik, Psychologie, etc.) und die wirken sehr viel fokussierter darauf als andere.
Mit Deutsche sind hier Bildungsinländer gemeint, die in Deutschland die meiste Zeit gelebt haben.
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5 Antworten
Es geht nicht darum, ob eine Person Berufschancen hat oder nicht. Ein Studium dient der Bildung des Individuums und muss nicht zwangsläufig einen utilitaristischen Zweck bedienen.
Auch unsere allgemeinbildenden Schulen haben primär keinen utilitaristischen Zweck.
Bedeutet: Die Bildung in Deutschland hat nicht zum Ziel, den best bezahltesten Job zu bekommen, sondern hat die Bildung des Individuums zum Zweck selbst.
Und die Ernsthaftigkeit ergibt sich auch teils daraus. Ein Studiengangwechsel dient der Bildung, nicht dem Job. Natürlich könnte theoretisch der Philosoph sich zwingen Raumfahrttechnik zu studieren, aber er würde keine Bildungsmotivation verfolgen und es bleibt fraglich, inwiefern dann noch von einem Bildungsprozess geredet werden kann.
In anderen Ländern durchlaufen Menschen andere Bildungseinrichtungen mit anderen Zielen, wodurch sich auch ein anderer Umgang zur Bildung zeigt.
Eine Bekannte verlagert ihre Prioritäten lieber auf GF und Partys. Heute musste sie bis 9 Uhr ihre Hausarbeit abgegeben und hat sicherlich hart verkackt.
Aber der Beruf hat in Deutschland einen anderen Stellenwert als in asiatischen Ländern.
Der Antrieb, auf gute Unis zu gehen, kommt in Asien nicht aus den Studenten selbst. Dort herrscht enormer sozialer Leistungsdruck, man MUSS quasi für seinen Ruf diesen Weg gehen. Das machen die Leute nicht wirklich freiwillig.
In Deutschland gilt mittlerweile der Lebensstil, dass man arbeitet, um zu leben, nicht andersherum. Das Leben außerhalb von Arbeit wird als das eigentlich Relevante betrachtet. Da suchen sich viele gerne einen Job, der sie zumindest ein bisschen erfüllen kann. Die wenigsten möchten sich noch aufopfern für eine Arbeit, die ihnen nichts zu geben hat. Die Menschen haben mehr Anspruch an Arbeit als Geld.
Deswegen studieren viele aus Interesse, und nicht aus dem Grund, viel Geld zu verdienen oder Ansehen zu erhalten. Am Ende ist man psychisch sehr viel glücklicher in einer Tätigkeit, die einen erfüllt, als nur mit mehr Geld. Denn Geld macht nicht glücklich. Deutschland ist eine individualistische Gesellschaft.
Deswegen nehmen die Studenten aber nicht das Studium nicht ernst. Es ist nur so, dass sie ihre Belastungsgrenzen kennengelernt haben und Wert darauf legen, psychisch gesund zu bleiben. In asiatischen Ländern würden die Leute das gerne, können sie aber nicht, weil es ihnen nicht erlaubt wird. Hier dürfen wir aber Wert auf unser Wohlergehen legen und somit versuchen Studenten, eine gute Work-Life-Balance zu haben.
Die meisten, die ich kenne, haben ihr Studium aber dennoch ernstgenommen und in einer angemessenen Länge studiert. Ich bin selbst Studentin und gehe aktiv zur Uni.
Willkommen im Kapitalismus, wo das Studieren eines Fachs aus reinem Interesse als negativ gewertet wird. 🤮
Das kommt ganz auf die Person an