Ist das Selbstbestimmungsgesetz für Intergeschlechtliche ein Rückschritt?

Das geplante Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) soll ja auch für Intergeschlechtliche gelten. Personen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung können doch aber schon jetzt nach § 45b PStG ihren Vornamen und ihren Geschlechtseintrag beim Standesamt ändern lassen. Dafür ist lediglich ein ärztliches Attest notwendig, welches Betroffene, bei denen eine Variante der Geschlechtsentwicklung nachgewiesen wurde, ohne Probleme erhalten.

§ 13 SBGG sieht in Zukunft eine Datenweitergabe an den gesamten Sicherheitsapparat vor:

Nach Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen informiert die zuständige Meldebehörde die folgenden Behörden zur Aktualisierung der in den von ihnen geführten Registern oder Informationssystemen gespeicherten Daten zu dieser Person:
1. Bundeskriminalamt,
2. Bundespolizei,
3. Bundesverwaltungsamt zum Nationalen Waffenregister und zum Ausländerzentralregister, soweit das Bundesverwaltungsamt Daten im Auftrag des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge verarbeitet (§ 1 Absatz 1 Satz 2 des AZR-Gesetzes),
4. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, es sei denn im Melderegister ist ausschließlich die deutsche Staatsangehörigkeit der betroffenen Person verzeichnet,
5. Bundesamt für Verfassungsschutz,
6. Bundesamt für den militärischen Abschirmdienst,
7. die jeweils zuständigen Landeskriminalämter,
8. Zollkriminalamt,
9. Hauptzollämter, Finanzkontrolle Schwarzarbeit sowie
10. Zentralstelle für Finanztransaktionsuntersuchungen.
Dabei sind folgende Daten automatisiert zu übermitteln:
1. Familienname,
2. bisherige und geänderte Vornamen
3. Geburtsdatum,
4. Geburtsort,
5. Staatsangehörigkeiten,
6. bisheriger und geänderter Geschlechtseintrag,
7. Anschrift sowie 8. Datum der Änderung.

Von einer Datenweitergabe in dieser Form sind Intergeschlechtliche aktuell nicht betroffen, sie wären es aber nach Beschluss des SBGG. Das empfinde ich als großen Rückschritt.

Die Bundesregierung bezeichnet die Notwendigkeit eines ärztlichen Attests im SBGG-Entwurf als "Pathologisierung". Das ist jedoch nicht der Fall, weil das Vorhandensein einer Variante der Geschlechtsentwicklung ohnehin erst mal diagnostiziert werden muss (entweder bei der Geburt oder im späteren Lebensverlauf), damit Betroffene überhaupt Kenntnis darüber erhalten. Es ist ja nicht so, dass eine Person einfach mal aus Lust und Laune eine Inter-Diagnose anstrebt, nur weil sie ihren Geschlechtseintrag ändern lassen will. Es ist vielmehr umgekehrt, dass Betroffene nach einer solchen Diagnose evtl. den Wunsch verspüren, ihren Geschlechtseintrag nachträglich ändern zu lassen. Und diese Möglichkeit haben sie bereits.

Meines Erachtens werden die Rechte von Intergeschlechtlichen durch das geplante SBGG aufgrund der damit verbundenen Datenweitergabe an die Sicherheitsbehörden unnötig beschnitten.

Wie seht ihr das?

Geschlecht, Intersexualität, intersex, intersexuell, LGBT+

Meistgelesene Fragen zum Thema Intersex