Es gibt keine einfache Ja/Nein-Antwort.
Der Beruf kann sehr anstrengend, stressig und fordernd sein, aber das können andere Berufe auch und es gibt auch Leute, die haben ein sehr entspanntes Arbeitsleben.
Einen Burnout bekommst Du aber nicht, weil Du viel arbeitest, sondern hängt auch davon ab, wie die Arbeit für dich ist. Für mich ist es ein Hobby, mir macht die Arbeit Spaß und wenn andere am verzweifeln sind, weil sie nach zig Stunden immer noch nicht voran kommt, fixt mich das erst richtig an und ich will es erst recht lösen.
Es gab letztes Jahr aber auch eine Phase, wo ich an meiner Belastungsgrenze war, einfach weil ich eine Deadline einhalten musste, die extrem knapp war, während ich ganz neu im Projekt war und noch nicht viel davon kannte. Bei einer guten Firma muss das aber kein Problem sein, Deadlines kann man meistens noch schieben. Das ging auch in meinem Fall und mein Chef hätte mich da auch unterstützt, den enormen Druck habe ich mir selber gemacht, weil es an meiner Ehre kratzt, es nicht rechtzeitig zu schaffen.
Ein ehemaliger Kollege, super netter lieber älterer Typ, er hat sein ganzes Leben nur dieses eine Projekt gepflegt, von nix hatte er Ahnung, von dem Projekt wusste er aber alles. Insofern wurde er von allen Seiten zu diesem Projekt belagert und durch seine Art hat er immer allen geholfen. Seine eigenen Aufgaben konnte er aber nicht liegen lassen, sodass es sich immer mehr angesammelt hat. Er war einmal wegen Burnout in Behandlung und war auch danach immer wieder ein Risiko-Fall.
Burnout ist ein sehr individuelles und persönliches Thema. Du bekommst einen Burnout nicht nur wegen Stress (es gibt auch "positiven" Stress), sondern wenn Du für eine zu lange zu stressige Zeit auch noch mit anderen negativen Faktoren (schlechte Arbeitsbedingungen, soziale Belastungen, mangelnde Wertschätzung, etc.) zu kämpfen hast und anfängst, deine Arbeit oder vielleicht sogar dich als Mensch in Frage zu stellen. Das kann sehr belastend sein und hinterlässt Spuren.
Es gibt in der Softwareentwicklung durchaus Aspekte, die einen Burnout begünstigen können. So kann der Beruf sehr fordernd sein, man muss ständig am Ball bleiben, muss sich über eine lange Zeit intensiv konzentrieren können und die Themen sind häufig sehr komplex. Es kommt sogar vor (wie bei mir), dass es so komplex wird, dass selbst die Fachleute beim Kunden (und ich halte meinen Ansprechpartner für sehr intelligent) nicht wirklich überblicken oder verstehen, wie die einzelnen Prozesse zusammenspielen. Diese Fachleute können situativ entscheiden, wie man mit einer Situation umgehen soll, aber im Programm geht das oft nicht, da müssen eben diese Situationen vorher bekannt und aufeinander abgestimmt sein. Das führt dann auch oft dazu, dass die Anforderungen nicht wirklich klar sind, sodass man eigentlich Rücksprache halten müsste, dafür fehlt aber die Zeit und dann stellst Du auch kurz vor knapp fest, dass Du wo anders einen Verständnisfehler hattest, den Du auch noch korrigieren musstest und das alles, während Du gar nicht wirklich verstehst, was Du da tust, etc. Sowas erträgt niemand dauerhaft.
Auf der anderen Seite gibt es in der Softwareentwicklung aber auch Aspekte, die einen Burnout vorbeugen können. Es gibt zwar schwarze Schafe in der Branche, aber viele Firmen/Chefs wissen (begünstigt durch den jahrelangen Arbeitnehmermarkt) darum, wie wichtig das Wohlbefinden der Mitarbeiter ist und unterstützen sie, wo sie nur können. Das kann z.B. bedeuten, dass eine Deadline verschoben wird und der Chef die Konsequenzen auf seine Kappe nimmt. Ich finde das selbstverständlich, dafür ist er Chef, aber ich weiß auch, dass das in vielen anderen Branchen alles andere als normal ist. Mein Chef hat mir letztes Jahr in dieser schwierigen Zeit gesagt (nicht erlaubt, es war eine Anweisung), ich soll jetzt Feierabend machen und auf Kosten der Firma was essen gehen. Das hat das Zeitdruck-Problem nicht gelöst, war aber absolut notwendig, weil in dem Moment hab ich so oder so nichts mehr auf die Kette bekommen.
Ein positiver Aspekt ist aber auch die enorme Flexibilität. Ich hab mein Daily Meeting kurz vor Mittag, was ich bis dahin mache und wann ich mit der Arbeit anfange, ist herzlich egal, solange ich im groben Schnitt über mehre Tage die 8 Stunden einhalte und die Aufgaben gut erledige. Es stört auch niemanden, wenn ich Mal spontan eine zweite Pause einschiebe, um den Kopf frei zu bekommen, oder wenn ich früher Feierabend mache, oder sogar kurzfristig einen Tag Urlaub bekomme. Das ist natürlich stark von der Firma und den Kollegen, Meetings, etc. abhängig, aber die teils sehr langfristigen Planungen machen das überhaupt erst möglich.
Es gibt also keine einfache Ja/Nein-Antwort, es hängt viel mehr von der Firma, den Projekten, der aktuellen Situation, dem Arbeitsumfeld, den verwendeten Projekten, etc. ab. Ein sehr entscheidender Teil bist aber auch Du und wie Du mit der Belastung umgehst, plump gesagt: Dein Mindset.
Deshalb erzähle ich auch immer wieder jedem, der den Beruf nur ergreifen will, weil's viel Geld gibt: Lass es. Ja, die Gehälter sind hoch und es gibt viele weitere Vorteile, da hört die Geschichte aber nicht auf.
Hohe Gehälter gibt's nur, wenn man auch gut im Job ist, das kommt aber nicht von alleine und mit dem Studium oder der Ausbildung bist Du auch nicht fertig. Du hast VIELLEICHT gerade Mal einen Teil der Grundlagen, um dann mit der eigentlichen "Ausbildung" anzufangen - nur dass das den meisten Chefs gar nicht bewusst ist, die fragen sich dann, warum sie ein so hohes Gehalt zahlen sollen - oder sie zahlen es einfach nicht - oder nicht mehr.
Und die Belastung kann je Situation sehr nervenaufreibend sein, wer nicht von sich aus gerne am Ball bleibt und aus der Arbeit an sich eine Motivation ziehen kann, wird sehr viel mehr Probleme im Arbeitsalltag haben, die ggf. auch bis zu einem Burnout führen.
Außerdem macht die Arbeit keinen Spaß und ist dann nur noch anstrengend und frustrierend. Mir ist aber auch bewusst, dass das für viele Menschen in anderen Berufen leider die Normalität ist.
PS:
Ein Aspekt, der mir zum Schluss noch eingefallen ist und den ich auch wichtig finde:
Die Arbeit als Softwareentwickler trainiert sehr das individuelle Frustrationstoleranz.
Ein hohes Durchhaltevermögen kann deine Belastungsgrenze stark anheben, das kann sowohl im privaten Umfeld, als auch bei der Arbeit eine sehr wichtige Ressource sein.