Zur Begründung der Lust als höchstes Gut im Hedonismus nach Aristippos von Kyrene und Epikureismus

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Wir wissen von Aristipp leider noch weniger als von Epikur. Allerdings scheint die Annahme berechtigt, dass er die sinnliche Lust sehr hoch geschätzt hat. Er war so etwas, was man heute evtl. als 'Partylöwen' bezeichnen würde und er wurde - es gab damals ja weder Fernsehen noch Kino noch Konzertsäle - für seine geistreichen und witzigen Beiträge geschätzt. Dennoch scheint es ihm gelungen zu sein, eine gewisse Eigenständigkeit zu bewahren und er hat seine Tochter zur Philosophin ausgebildet - die erste Philosophin, die uns in der Geschichte bekannt ist. Er war also ein schlagfertiger Freigeist, der keine Scheu vor 'gutem Leben' hatte.

Epikur kommt einem dagegen fast wie ein Asket vor mit seinem Wasser, Brot und Stück Käse. Epikur ist Empiriker, d.h. Basis unserer Erfahrung sind die Sinne, die äußeren und die Inneren, und vor allem der innere Sinn mit der Empfindung, ob etwas gut ist oder schlecht, leitet uns als Orientierung durch das Leben. Diese Grundempfindung, ob etwas gut (Glück) ist oder schlecht (Unglück) ist allem Leben eingepflanzt, kleinen Kindern wie Tieren und Pflanzen. Der Mensch jedoch hat auch einen Verstand, die Empfindungen zu werten und zu messen an seinen Lebenszielen. Letztlich will jeder glücklich werden, doch bedeutet das für jeden etwas anderes. So kann es sein, dass wir, um ein wichtiges Ziel zu erreichen (Sportler), auch eine zeitlang Schmerzen aushalten. Eine wichtige Frage für Epikur ist, wie können Menschen selbstbestimmt und frei ihr eigenes Lebensglück bestimmen und erreichen. Da sieht er zwei wichtige Gefahrenquellen, durch die menschiche Selbstentscheidung Gefahr läuft, fremdbestimmt zu werden: Übermäßige Angst und übermäßige Wünsche. Er hat z.B. prinzipiell nichts gegen Götter. Er hat aber etwas dagegen, dass Menschen damit Angst eingeflößt wird und dass Religionen die Angst missbrauchen um Menschen zu lenken. Er weiß, dass Demokratie und Mitwirkung darin sinnvoll sind. Er hat aber Sorge, dass zuviel Gier nach Macht verführt und verformt. Epikur ist also gegen alles unnatürliche, womit Menschen abhängig gemacht werden oder sich 'freiwillig' in Abhängigkeit begeben. Nur der 'Zwang' zu überleben, Hunger und Durst stillen, wärmende Kleidung haben und ein Dach über dem Kopf, wird von Epikur als naturgegeben akzeptiert.

Die Annahme ist richtig. Warum Lust das höchste Gut sei, begründen Aristippos von Kyrene und Epikur gleich. Empfindungen sind maßgebend (Empirismus [Erfahrung ist Grundlage] und zwar Sensualismus [Sinneseindrücke maßgebend]).Lust als höchstes Gut halten sie für offensichtlich (Evidenz), als eine keiner weiteren rationalen Begründung bedürfende Gegebenheit der Sinnlichkeit. Als Bestätigung gilt die Beobachtung, wie Lebewesen Lust suchen, darunter Tiere und Kinder, bei denen am ehesten nicht von etwas anderem überlagerte Natur anzunehmen ist.

Zusätzlich zu den 3 richtig genannten Unterschieden zwischen Kyrenaïkern (Aristippos) und Epikureern (Epikur) gibt es weitere:

  • Einteilung der möglichen Empfindungszustände: Bei Aristippos und den Kyrenaïken gibt es außer Lust und Unlust als dritten, neutralen Zustand Ruhe. Bei Epikur sind Lust und Unlust einander ausschließende Gegensätze und Ruhe ist bei dieser Zweiteilung etwas Angenehmes.

  • Unterscheidung zwischen verschiedene Arten bzw. Phasen der Lust: Epikur hat eine Unterscheidung zwischen kinetischer und katastematischer Lust neu eingeführt.

Jürgen Ruhnau, Hedonismus. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 3: G – H. Basel ; Stuttgart : Schwabe, 1974, Spalte 1024:
„‹H.›[edonimus] scheint zuerst die Lehre der Kyrenaiker bezeichnet zu haben, für die die Lust (ἡδονή) das höchste Gut (τέλος) war, während Glück (εὐδαιμονία) nur als Summe der einzelnen Lustempfindungen verstanden wurde. Der H.[edonimus] der Kyrenaiker umfaßte so verschiedene Typen wie den H.[edonimus] des ARISTIPP, der keinen qualitativen Unterschied zwischen den Arten der Lust machte, jedoch die körperliche der seelischen vorzog, den H.[edonimus] des THEODOROS, dessen Ideal die heitere Gemütsverfassung war, bis zu dem des HEGESIAS, der feststellte, daß das Leben unter der hedonistischen Perspektive wertlos sei, weil das Leid die Lust überwiege (hedonistischer Pessimismus). – EPIKUR sah den selbigen Zustand in Schmerzlosigkeit und Freiheit von Leidenschaften, nicht in positiver Lust. (negativer Hedonismus nach H.[erbert] Marcuse). Er unterschied höhere Freuden, die ihrem Wesen nach jenen Zustand sicherer herstellten, von niedrigen, und verlangte einen kluge Auswahl unter diesem Aspekt.“

Kyrenaïker

Klaus Döring, Sokrates, die Sokratiker und die von ihnen begründete Tradition. In: Sophistik, Sokrates, Sokratik, Mathematik, Medizin (Grundriss der Geschichte der Philosophie. Begründet von Friedrich Ueberweg. Völlig neu bearbeitete Ausgabe. Herausgegeben von Helmut Holzhey. Die Philosophie der Antike - Band 2/1). Herausgegeben von Hellmut Flashar. Basel ; Stuttgart : Schwabe, 1998, S. 246 – 266 (Aristippos von Kyrene und die Kyrenaïker) enthält:

Maßgebliches Kriterium in der Erkenntnistheorie und der Ethik sind die Empfindungen. Da gut hinsichtlich der Empfindungen gleichbedeutend mit angenehm bzw. lustvoll (ἡδύ) und schlecht gleichbedeutend mit unangenehm bzw. schmerzlich (λυπηρόν) ist, besagt dies, daß das Gute in den lustvollen und das Schlechte in den schmerzlichen Empfindungen besteht.

Eine empirische Bestätigung sahen die Kyrenaïker darin, daß Lust allen Lebewesen erwünscht ist, Schmerz dagegen zurückgewiesen wird und wir uns ohne jede vorausgegangene Überlegung von Kindheit an zur Lust hingezogen fühlen und, wenn wir sie erlangt haben, nichts weiteres mehr begehren und nichts so meiden wie den ihr entgegengesetzten Schmerz (Diogenes Laertios 2, 87 - 88).

Die Kyrenaïker betrachteten (Diogenes Laertios 2, 85. 86; Sextus Empiricus, Pyrrhoneiai hypotyposeis 1, 215) Lust als sanfte Bewegung (λεῖα κίνησις), Schmerz als rauhe Bewegung (τραχεία κίνησις). Daneben erkannten sie einen dritten mittleren Zustand an, bei dem keine der beiden Bewegungen, also weder Lust noch Schmerz verspürt wird (Sextus Empiricus, Pros mathematikous 7, 199).

Da jede Bewegung früher oder später zum Stillstand kommen muß, können Lustempfindungen zwar unterschiedlich intensiv und ausgedehnt sein, sind jedoch mit Notwendigkeit immer zeitlich begrenzt bzw. einen auf Dauer angelegten lustvollen Zustand kann es nicht geben. Das Bestreben der Kyrenaïker richtet sich daher auf die jeweils gegenwärtige, momentane Lust; sie ist Ziel allen Tuns (τέλος).

Wenn das Ziel in dieser Weise bestimmt wird, ergibt sich als notwendige Konsequenz, das Erreichen des Ziels nicht mit dem Zustand der Glückseligkeit (εὐδαιμονία) gleichsetzen zu können, da diese zumindest potentiell die Eigenschaft haben muß, von Dauer zu sein. Im Unterschied zu allen anderen philosophischen Richtungen ihrer Zeit schieden die Kyrenaïker daher Ziel und Glückseligkeit voneinander, wobei sie unter Glückseligkeit einen Zustand kontinuierlich sich aneinanderreihender Lustempfindungen verstanden (Diogenes Laertios 2, 87 – 88).

Albrecht  12.07.2011, 06:41

Die Chance des Gelingens, einen solchen Zustand zu erreichen, schätzen sie freilich aus gutem Grund als sehr gering ein. Die Anhäufung der Lustempfindungen, die Glückseligkeit bewirkt, schien ihnen äußerst schwierig (Diogenes Laertios 2, 90).

In den erhaltenen Quellen wird betont, daß die Kyrenaïker, wenn sie die Lust als höchstes Gut und Ziel bezeichneten, die körperliche bzw. sinnliche Lust meinten, die sie in Übereinstimmung mit der gängigen Auffassung der damaligen Zeit als einen leiblich-seelischen Prozeß von der Art verstanden, daß durch einen von außen kommenden Impuls hervorgerufene und an die Selle weitergeleitete Bewegung von dieser als lustvoll empfunden wird (Diogenes Laertios 2, 87; Quintilian, Institutio oratoria 12, 2, 24; Lactanz, Divinae institutiones 3, 7, 7; Sextus Empirucus, Pyrrhoneiai hypotyposeis 1, 215). Umstritten ist, ob sie daneben auch eine rein seelische Form, der Lust anerkannten. Diogenes Laertios 2, 89 – 90 behauptet dies und nennt als Beispiel derartiger Lust das Vergnügen am bloßen Wohlergehen des Vaterlandes und Kunstgenüsse. Manches spricht jedoch dafür, daß er dabei Ansichten, die erst Annikeris vertrat, fälschlicherweise schon den eigentlichen Kyrenaïkern zuschrieb.

Kyrenaïker, die sowohl durch den Körper vermittelte auch rein seelische Lustempfindungen anerkannten, hielten die körperlichen für „besser“, d. h. intensiver und deshalb erstrebenswerter und nahmen allein diese als Ziel an (Diogenes Laertios 2, 90). Die rein seelischen Lustempfindungen bezeichnen die Kyrenaïker, um sie von den körperlichen zu unterscheiden, mit dem Begriff χαρά (Freude).

Wenn für den Wert der Lustempfindung allein die Intensität maßgebend ist, bleibt es gleichgültig, wodurch sie hervorgerufen wird, ob durch eine gesellschaftlich akzeptierte oder nicht akzeptierte Handlung. Eine üblicherweise getroffene Unterscheidung zwischen „anständigen“ und „unanständigen“ Lustempfindungen kann es für den Kyrenaïker nicht geben (Diogenes Laertios 2, 88). Wenn die einzelne Lust das höchste Gut und das Ziel ist, können alle anderen Dinge, wenn überhaupt, immer nur einen relativen Wert haben, der sich dadurch bestimmt, wieviel sie zur Erlangung von Lustempfindungen beitragen.

Tugend und Freunde sind allein insofern von Wert, als beide die Gewinnung von Lust erleichtern (Diogenes Laertios 2, 91 – 92). Die Einsicht/Klugheit (φρόνησις) bezieht ihren Wert daraus, zu einer zutreffenden Einschätzung der Situation in Hinsicht darauf zu verhelfen, wie sie am lustvollsten zu gestalten ist. Dabei bedarf es eines ständigen Kalkulierens und Berechnens. Gegen Normen und Gesetze zu verstoßen, ist nicht ratsam, weil andernfalls Bestrafung übler Art zu befürchten ist (Diogenes Laertios 2, 93). Affekte, die mit Schmerzempfindung verbunden sind und der Erlangung von Lustempfindungen im Wege stehen, sind, soweit es geht, zu vermeiden.

Malte Hossenfelder, Epikur. Originalausgabe, 3., aktualisierte Auflage. München : Beck, 2006 (Beck'sche Reihe : Denker ; 520), S. 36 – 42 enthält:

Aristippos hielt allein die eigenen, persönlichen Empfindungen (πάθη ) für ursprünglich gegeben. Nur sie seien wirklich faßbar. Der Mensch sei im Bereich der Empfindungen eingeschlossen und könne nicht darüber hinausgelangen. Lust ist nach der von Aristippos vertretene Lehre immer die gleiche, nämlich wahrgenommene glatte Bewegung. Lust unterscheide sich nicht von Lust. Die Lüste lassen sich nur nach dem Medium unterscheiden, im dem sie auftreten (die im Körper stattfindenden seien regelmäßig stärker als die in der Seele stattfindenden), aber ihr Wertunterscgied sei rein quantitativ.

Lust ist als subjektive Empfindung immer eine des gegenwärtigen Augenblicks. Glück versteht Aristippos als Zusammenstellung der einzelnen Lustempfindungen, Es werde nicht um seiner selbst willen, sondern um der einzelnen Lustempfindungen willen angestrebt. Zukunft und Vergangenheit fügen nichts hinzu, als Vermehrung der gegenwärtigen Lust, das das eine nicht mehr, das andere noch nicht ist. In jedem Augenblick des Lebens das Lustvollste zu suchen, bewirkt, wenn dies von Erfolg begleitet ist, zugleich Glück.

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Albrecht  12.07.2011, 06:43

Epikur

Malte Hossenfelder, Epikur. Originalausgabe, 3., aktualisierte Auflage. München : Beck, 2006 (Beck'sche Reihe : Denker ; 520), S. 57 – 100 enthält:

Nach Epikurs Meinung besteht Glück in der Empfindung von Lust. Lebewesen streben von Natur aus nach Lust. Lust ist ein angenehmer Zustand des Wohlbefindens.

Angestrebt wird aufgrund mit Einsicht getroffener Entscheidungen ein Zustand der Seelenruhe, die Ataraxie („Unerschütterlichkeit“, griechisch ἀταραξία). Glückseligkeit enthält eine Zufriedenheit, einen friedvoller Zustand der Sicherheit über eine Erfüllung von Wünschen. Die Bewertung dieses Zustandes als höchster Wert ist keine Sache weiterer rationaler Begründung, sondern eine Gegebenheit der Sinnlichkeit (der Zustand wird so empfunden).

Epikurs Glücksrezept erklärt das Wertvolle zum Verfügbaren. Er versucht Lust als ein Gut zu erweisen, das Menschen stets zur Verfügung steht. Dazu versteht er Lust als Freiheit von Unlust/Schmerz/Leid. Epikur ist wohl von der Ataraxie als Grundwert ausgegangen und hat den üblichen Lustbegriff umgedeutet. Lust in dieser Auslegung hat bei ihm die Stellung eines höchsten Gutes. Damit hat er eigentlich zwei Endzwecke/höchste Güter, aber Lust und Ataraxie werden von ihm in eins gesetzt. Ataraxie gleich Lust ist der höchste Wert, aus dem sich alle übrigen Werte herleiten.

Gerade darum möchte er zur Abgrenzung seinen Standpunkt klarstellen, das sittlich Schöne/Tugend sei nicht das grundlegende Ziel und Selbstzweck, sondern nur insofern (unter der Bedingung) wertzuschätzen, als es Mittel zu einem lustvollen Leben ist (und damit zum Glück beiträgt).

Michael Erler, Epikur. In: Die hellenistische Philosophie. Erster Halbband (Grundriss der Geschichte der Philosophie. Begründet von Friedrich Ueberweg. Völlig neu bearbeitete Ausgabe. Herausgegeben von Helmut Holzhey. Die Philosophie der Antike - Band 4/1). Herausgegeben von Hellmut Flashar. Basel ; Stuttgart : Schwabe, 1994, S. S. 153 – 170 (Ethik) enthält:

Ziel allen Handelns ist nach Epikur das gute Leben (εὐ ζῆν) oder anders gesagt das Glück (die Eudaimonie [εὐδαιμονία]).

Die konkrete Bestimmung dieses Zustandes ist für Epikur die Seelenruhe (ἀταραξία) und die körperliche Schmerzlosigkeit (ἀπονία).

Ziel (τέλος) der Ethik im prägnanten Sinn ist nach Epikur die Lust (ἡδονή). Sie ist der naturgegebene Ausgangspunkt und das Ziel alles Handelns (Brief an Menoikeus 128: καὶ διὰ τοῦτο τὴν ἡδονὴν ἀρχὴν καὶ τέλος λέγομεν εἶναι τοῦ μακαρίως ζῆν).

Dafür verweist Epikur auf die allgemeine Beobachtung (alle Leute streben von Natur aus nach Lust, weil sie ein Gut ist, meiden den Schmerz, weil er ein Übel ist), beruft sich auf Wahrnehmung (αἴσθησις).und Empfindung (πάθος). Erhält die Gleichsetzung von oberstem Gut und höchster Lust für evident (Cicero, De finibus bonorum et malorum 1, 9, 29ff.; 3, 1, 3).

Alles Gut und Übel liegt in der Empfindung (Brief an Menoikeus 124: ἐπεὶ πᾶν ἀγαθὸν καὶ κακὸν ἐν αἰσθήσει). Lust ist oberstes Prinzip des Handelns (seit dem 19. Jahrhundert als hedonistisch bezeichnete Auffassung).

Für Kyrenaïker besteht ein fester Zusammenhang zwischen Lust, Schmerz und Bewegung. Im momentanen körperlichen Lustempfinden sahen sie das höchste Gut, im Leid das größte Übel. Ruhe als neutraler Zustand hingegen tritt dann ein, wenn Schmerz abwesend ist.

Der wesentliche Unterschied zwischen den Kyrenaïkern und den Epikureern liegt in dieser Ruhe wie auch in Bezug auf körperliche Lüste. Denn Epikur sieht in der Abwesenheit aller Schmerzen gerade das höchste Gut.

Neu ist bei ihm eine Differenzierung zwischen zwei Arten der Lust (Diogenes Laertios 10, 136 – 137; vgl. Cicero, De finibus bonorum et malorum 2, 9 voluptas in motu bzw. stabilis voluptas).

a) kinetische Lust (ἡδονῆ ἐν κινήσει): Kinetische (bewegliche) Lust entsteht (Brief an Menoikeus 131 – 132; vgl. Kyriai doxai [Hauptlehrsätze] 3; Lukrez 2, 16 – 19) bei Beseitigung von Schmerz oder bei der Variation schon vorhandener Lust. Sie ist mit einer Fähigkeit verbunden.

b) stabile oder katastematische Lust (καταστηματικὴ ἡδονῆ): Katastematische Lust ist eine gleichförmig-ruhige Lust. Dieses Glücksgefühl kann sich über einen längeren Zeitraum einstellen.

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Albrecht  12.07.2011, 06:50

Die Suche nach Befriedigung von Bedürfnissen ist gemäß Epikur keineswegs übergeordnet wie z. B. bei den Kyrenaïkern und die Befriedigung ist auch nicht die einzige Lust. Mit der absoluten Freiheit von Unlust kann ein Endzustand erreicht werden (ἀπονία), der ebenfalls als Lust empfunden wird und der nicht mehr gesteigert werden kann. Er besteht in der Beseitigung aller Schmerzen.

Lust und Schmerz sind für Epiker einander ausschließende Gegensätze (anders als bei den Kyrenaïkern, nach deren Auffassung aus der Abwesenheit von Leid und Schmerz Ruhe resultiert), so daß es neben Lust und Schmerz Ruhe als ein Drittes nicht geben kann. Absolute Freiheit vom Schmerz wird noch nicht mit dem oberstem Gut gleichgesetzt. Mit Freiheit von Unlust ist nur ein Merkmal des obersten Gutes, nicht aber Identität geeint. Der Unterschied zwischen kinetischer und katastematischer Lust besteht allein hinsichtlich der Intensität (Kyriai doxai [Hauptlehrsätze] 18).

Die kinetische Lust im körperlichen wie im geistigen Bereich dem jeweiligen und katastematischen Zustand untergeordnet.

Epikur sieht als erste als oberstes Ziel eine auf Dauer angelegte Zufriedenheit und wird damit dem Begriff der Eudaimoie in besondere Weise gerecht.

Voraussetzung ist die Beseitigung der Ursachen der Unlust, d. h. Erfüllung der Begierden, Stillung der Schmerzen und Vertreibung der Furcht.

Wegweiserin zur Eudaimonie ist die Vernunft (Brief an Menoikeus 132: τὸ μέγιστον ἀγαθὸν φρόνησις). Jede Lust ist gut, nicht aber jede immer wählbar (129) Notwendig ist eine von nüchterner Überlegung (νήφων λογισμός) geleitete Abmessung (συμμέτρησις) odre ein Kalkül der Lust. Um körperlicher Gesundheit und Seelenruhe zu erreichen, müssen aus mehreren Klassen allein die notwendigen und natürlichen Begierden befriedigt werden, (Sententiae aus dem Gnomologium Vaticanum 21).

In manchen Fällen ergibt sich nachher größere Lust aus dem Meiden einer kleineren Lust oder gar dem von zeitweiliger Unlust.

Es ist keineswegs notwendig und möglich, alle Begierden zu erfüllen, um glücklich zu sein. Herauszufinden ist, welche Begierden unbedingt zu erfüllen und welche später zu erfüllen sind.

Unterscheidung der Begierden:

a) natürliche und notwendige Begierden

b) natürliche, aber nicht notwendige Begierden

c) weder natürliche noch notwendige Begierden (leere Begierden)

Natürlich und notwendig sind Begierden, aus deren Unterlassung Unlust folgt (z. B. Streben nach Nahrung). Nur natürlich sind Begierden, die sich schnell verflüchtigen, wenn sich ihrer Erfüllung Widerstand entgegenstellt (Kyriai doxai [Hauptlehrsätze] 30), z. B. sexuelles Verlangen. Leere Begierden als höchstes Ziel (z. B. Streben nach Ruhm, Luxus oder Macht) führen zu einer Vernachlässigung wichtiger Begierden. Epikur empfiehlt eine richtige Erfüllung der Begierden, d. h. Überflüssiges besser zu lassen und sich auf das Grundlegende zu beschränken.

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