Ziele des Ruhrkampfes und deren erfüllung(1920-23)

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Der gemeinte Ruhrkampf ist anscheinend die Besetzung des Ruhrgebiets 1923 und die dadurch herbeigeführte Auseinandersetzung.

Anlass der Ruhrbesetzung 1923 waren deutsche Lieferrückstände. Die alliierte Reparationskommission stellte am 26. Dezember 1922 und am 9. Januar 1923 Rückstande bei den deutschen Lieferungen von Kohle und Holz für das Jahr 1922 fest. Aufgrund des Friedensvertrages von Versailles (am 28. Juni 1919 unterzeichnet, am 10. Januar 1920 in Kraft getreten) bestanden Bestimmungen über Besatzungen und Reparationen (die Einzelheiten wurden in Folgeabkommen geregelt).

In Deutschland gab es kriegsbedingt und aufgrund von Belastungen und unruhigen Verhältnissen Schwierigkeiten. Unmöglich war eine Erfüllung der Lieferverpflichtungen aber nicht. Die mangelnde Anstrengung war vor dem Hintergrund der Absichten der französischen Außenpolitik dieser Zeit eine Fahrlässigkeit.

Auf deutscher Seite gab es bei manchen eine Bestrebung, eine Überschreitung der Grenzen der deutschen Leistungskraft durch die Reparationsforderungen aufzuzeigen. Außerdem war die Parole „Erst Brot, dann Reparationen" populär, zuerst vom Reichskanzler Joseph Wirth in einer Rede vor dem Industrie- und Handelstag am 15. September 1922 geprägt, von seinem Nachfolger als Reichskanzler Wilhelm Cuno in seiner Regierungserklärung am 24. November 1922 bekräftigt.

Raymond Poincaré, französischer Ministerpräsident und Außenminister, verfolgte eine Politik der Sanktionen (Strafandrohungen, um ein bestimmtes Verhalten zu erzwingen, und Bestrafung bei Verstößen) und produktiven Pfänder (z. B. Kohlegruben als Garantien). Frankreichs Regierung wollte nicht nur Reparationen sicherstellen, sondern es gab weitergehende Absichten, Gebiete vom deutschen Staat zu lösen/abzutrennen. Poincaré nutzte die Lieferungsrückstände als Anlaß/Vorwand für eine Ruhrbesetzung. Franzosen und Deutschen sind genaugenommen nicht eine in den Zielen und Handlungsweisen völlig einheitliche Gruppe. Allgemein hatten die Regierungen und die sie unterstützende Leute Ziele, daneben hat es auch Absichten einzelner Partien, gesellschaftlicher und politisch-weltanschaulicher Gruppen gegeben, die Spannungen, Empörung und Not für eigene Interessen und Ziele zu nutzen.

1) Ziele

Frankreich

  • Erzwingung von Reparationsleistungen

  • Gewinnung produktiver Pfänder

  • Durchsetzung vollständiger Erfüllung der Reparationsleistungen, zu denen Deutschland vertraglich verpflichtet war, bedingungslose Kapitulation Deutschlands in dem Streit

  • Schaffung günstiger Bedingungen für eine Abtrennung von deutschen Gebieten von Deutschland (z. B. durch vollständige Ausdehnungen der Grenzen Frankreichs bis an den Rhein [Rheingrenze]) oder starke Lockerung der Bindung deutscher Gebiete (Rheinland, Ruhrgebiet) an Deutschland durch Autonomie

  • Sicherung Frankreichs durch Schwächung Deutschlands

Deutschland

  • Zeichen des Protests gegen die Ruhrbesetzung setzen

  • Erreichen möglich weitgehender Geschlossenheit in einiger deutscher Unterstützung der Regierung

  • Verhinderung einer Fortsetzung von Reparationsleistungen, solange das Ruhrgebiet besetzt war

  • Aufzeigen, dass sich die Politik der produktiven Pfänder für Frankreich und Belgien nicht lohnt/nicht auszahlt

  • Rückzug der französischen und belgischen Truppen, auch durch diplomatisches Eingreifen Großbritanniens und der USA

  • Verhandlungen über die Höhe der Reparationen und die Bedingungen der Reparationsleistungen, dabei Erreichen für Deutschland günstigerer Bestimmungen

2) Maßnahmen

Frankreich

  • Entsendung einer französisch-belgisch-italienische Ingenieurkommission mit dem Auftrag, die Produktion zu kontrollieren und eine strikte Erfüllung der festgelegten Lieferverpflichtungen sicherzustellen

  • Besetzung des Ruhrgebiets durch französische und belgische Truppen

  • Überwachung des Abtransports von Kohle und Holz durch französische und belgische Truppen

  • Schließung von Zechen und Fabriken wegen fehlender Mitarbeitsbereitschaft der Deutschen

  • Beschlagnahmung von Kassen

  • Strafmaßnahmen gegen Widerstand, darunter Ausweisung vieler Deutscher

  • Einsetzen nichtdeutsche Bergarbeiter und Eisenbahner für Produktion und Transport

  • Abtrennung des linksrheinischen Gebiet Deutschlands und des Ruhrgebiets durch Errichtung einer Zollgrenze zum übrigen Deutschland

  • wohlwollende Duldung oder Unterstützung von Aktionen separatistischer Gruppen im Rheinland und der Pfalz, die eine „autonome Republik“ ausriefen oder öffentliche Gebäude besetzten

Albrecht  30.11.2014, 23:05

Deutschland

  • passiver Widerstand: die Reichsregierung und die preußische Landesregierung riefen dazu auf, Befehle und Anordnungen der Besatzungsmacht nicht zu befolgen und dies wurde in großem Ausmaß praktiziert.

  • Generalstreik: SPD und Gewerkschaften unterstützten einen Aufruf zum Generalstreik. Unternehmer, Beamte, Angestellte und Arbeiter beteiligten sich. Sie verweigerten eine Mitarbeit bei der Produktion und dem Abtransport. Deutsche Betriebe und Behörden machten nicht mit.

  • Geld- und Sachleistungen für Streikende vom Staat, finanzielle Unterstützung des passiven Widerstandes durch Weiterzahlung von Löhnen und Gehältern über passiven Widerstand/Generalstreik hinausgehende aktive Widerstandsmaßnahmen, z. B. Sabotage und Anschläge.

  • außenpolitische Kontakte und Appelle an andere Staaten

Deutschland konnte die finanzielle Belastung nicht über längere Zeit durchhalten. Die schon bestehende Inflation nahm gewaltig zu. Die Mark wurde in einem schnellen Absturz immer wertloser, die Preise stiegen - an den Zahlen gemessen – ungeheuer. Die deutsche Reichsregierung zahlte zuletzt im September zur Finanzierung des Widerstandes 3500 Billionen Mark in einer Woche. Banknoten wurden in großer Zahl neu gedruckt, was die schon vorhandene beträchtliche Inflation in eine Hyperinflation trieb. Die Kaufkraft der deutschen Währung verfiel völlig. Statt Bargeld wurden weitgehend Naturalien verlangt.

Am 26. September 1923 verkündete Gustav Stresemann, der am 13. August 1923 Reichskanzler geworden war, notgedrungen den Abbruch des passiven Widerstandes. Er setzte darauf, nach Aufgabe einer völligen Verweigerung eine Verständigung mit Frankreich erreichen zu können, auch weil die USA und Großbritannien dann darauf hinwirken würden.

Bücher, in denen zusammenfassend etwas zum Thema steht, sind z. B.:

Eberhard Kolb/Dirk Schumann, Die Weimarer Republik. 8., überarbeitete und erweiterte Auflage. Oldenbourg : München, 2013 (Oldenbourg Grundriss der Geschichte ; Band 16), S. 51 – 56

S. 51: „Poincare verfolgte mit seinem Unternehmen zwar auch reparationspolitische Ziele, in erster Linie kam es ihm aber darauf an, die politischen Voraussetzungen für eine Zurückdrängung der deutsche Grenze an den Rhein zu schaffen und so die - nach seiner Auffassung 1919 versäumte – permanente Schwächung Deutschlands nachträglich doch noch durchzusetzen. Der Ruhrkampf war insofern ein Akt aktiver französischer Revisionspolitik.“

S. 52: „Das Ziel der deutschen Regierung war es, mit Hilfe des passiven Widerstandes den Franzosen und Belgier zu demonstrieren, daß sich die Pfandpolitik für sie nicht bezahlt war, daß die Pfänder gar nicht produktiv waren. Auf diese Weise, so hoffte man in Berlin, könnten die Regierungen Frankreichs und Belgiens zum Truppenrückzug aus dem Ruhrgebiet veranlaßt werden und danach würde dann über die Höhe der Revisionen und über die mögliche Heranziehung deutscher Sachwerte als Garantie für ihre Durchführung verhandelt.“

Gottfried Niedhart, Die Gottfried Niedhart, Die Außenpolitik der Weimarer Republik. 2., aktualisierte Auflage, München : Oldenbourg, 2006 (Enzyklopädie deutscher Geschichte ; Band 53), S. 16 – 17

Heinrich August Winkler, Weimar 1918 – 1933 : die Geschichte der ersten deutschen Demokratie. 3., durchgesehene Auflage. München : Beck, 1998, S. 186 – 202

Peter Krüger, Die Außenpolitik der Republik von Weimar. 2., unveränderte Auflage. Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1993, S. 183 - 205

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Hei Gibelli, die Deutschen waren durch den Versailler Vertrag verpflichtet, so und so viele Millionen Tonnen Kohle kostenlos nach Frankreich zu liefern. Das klappte aber nicht, so dass Frankreich seinen Anspruch dadurch durchsetzen wollte, dass es das Ruhrgebiet militärisch besetzte. Dagegen gab es den deutschen Widerstand mit Sabotageakten und dergl. der Zivilbevölkerung - das war der Ruhrkampf. Oder so. Grüße!

Gibelil 
Fragesteller
 30.11.2014, 18:26

danke

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