Wozu brauche ich die h-Methode für Ableitungen?

6 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Die Mathematik funktioniert insgesamt nur deshalb so hervorragend, weil grundsätzlich nichts einfach nur behauptet werden darf, sondern für jede einzelne Rechenregel zunächst bewiesen werden muss, dass sie sich aus vorhergehenden Rechenregeln abgeleitet werden kann.

Damit basiert die gesamte Mathematik auf dem Abzählen der natürlichen Zahlen, also 1, 2 3 4 ...etc.

Die allererste Rechenregel, die aus dem Abzählen hergeleitet wird ist, dass Eins plus Eins zwei ergibt. Selbst diese Rechenregel lässt sich mit Hilfe der Mengenlehre "beweisen". Aus dieser Rechenregel wird die gesamte Addition hergeleitet und als Umkehrfunktion die Subtraktion. Aus Addition und Subtraktion wird die Multiplikation und die Division hergeleitet. So geht es immer weiter und im Moment seid ihr dabei angekommen, aus einem Differenzqoutienten den Differentialquotienten herzuleiten. Genau dazu benötigt man das h-Verfahren.

Lineare Funktionen, also Geraden hattet ihr schon. Dort konnte man die Steigung m einer Geraden durch den Differenzquotienten ermitteln:
m = ∆y/∆x

Bei gekrümmten Funktionen, also z.B. Parabeln, funktioniert das aber nicht mehr, weil sich die Steigung fort laufend ändert und je nachdem, wie groß man die jeweilige Differenz für x und y wählt, unterschiedliche Ergebnisse rauskommen würden. Um dieses Problem zu lösen, muss man die Differenz ∆ (großes griechisches Delta) so klein wie möglich werden lassen und so klein wie möglich wäre 0. In dem Moment, wo ∆ = 0 wird, hat man keine Differenz mehr, sondern ein Differential, das mit d (kleines D) bezeichnet wird:

∆y/∆x wird also zu dy/dx mit ∆=0

Mit dy/dx kann man dann die Steigung auch gekrümmter Kurven an jeder beliebigen Stelle exakt bestimmen.

Nun ist es auch bei diesem Übergang vom Differenzenquotienten zum Differentialqoutienten so, dass man die Zulässigkeit dieser Herleitung erstmal beweisen muss. Genau das macht man mit der h-Methode. h steht dabei im Prinzip für eine Differenz, die man dann immer kleiner werden lässt, bis sie zu 0 geworden ist. Dieses zu 0 werden lassen drückt man mit dem limes aus. Als Ergebnis erhält man dann dy/dx.

Diese h-Methode braucht man ausschließlich dazu. Wenn man dann die Bildung des Differentialquotienten begriffen und bewiesen hat, benötigt man diese h-Methode nie wieder. Du lernst sie also jetzt am Besten so, dass du in der Klausur gut abschneidest und danach kannst du sie auch schon wieder vergessen. Alle weitere Mathematik arbeitet dann nur noch mit den hergeleiteten Differentialen bzw. Ableitungen.

Von Experte DerRoll bestätigt

Hallo,

mit der h-Methode werden die Ableitungsregeln hergeleitet.

Wenn man die h-Methode verstanden hat und sie anwenden kann, hat man einen besseren Einblick in das Thema Ableitung von Funktionen.

Jetzt frage ich mich allerdings, wozu ich die können muss, weil ich doch eigentlich auf nahezu jede Funktion auch die Produkt-/Quotienten-/Summen-/ oder Faktorregel anwenden kann.

Die Ableitungsregeln zu kennen und anwenden zu können ist auch das Wichtigste bei Kurvendiskussionen .

Oder benutzt man die nur, wenn man einen Limes hat, z.B. beim berechnen der lokalen Änderungsrate?

Das hängt halt von der Aufgabenstellung ab. Wenn die h-Methode verlangt wird, dann gehört sie wohl mit zum Stoff, der durchgenommen wird.

Da ihr die h-Methode vor drei Wochen kennengelernt habt, kann es gut sein, dass eine Aufgabe dazu in der Klausur kommt. Ich würde zur Sicherheit ein paar Aufgaben dazu rechnen, damit du für die Klausur gut vorbereitet bist.

Gruß

Die h-Methode ist die Definition der Ableitung. Die von dir benannten Regeln werden mit Hilfe der h-Methode aufgestellt und bewiesen. Es ist in der Mathematik oft (aber nicht immer*) so dass man mit der grundlegenden Definition anfängt und darauf aufbaut. Weiter wird verlangt, dass man diese grundlegende Definitionen immer beherrscht, weiß was sie bedeuten und wie man sie anwendet. Insbesondere geht aus dem Differenzenquotienten die (in der Schulmathematik grundlegende!) Bedeutung der Ableitung als Tangente an den Funktionsgraphen hervor. Dies ist bei den davon abgeleiteten Regeln nicht der Fall.

*: In einem der wunderbaren Bücher der "Science of Discworld" Serie fand ich eine sehr gnadenlose Abrechnung mit der Idee aus den 70ern, die Mathematik in der Grundschule über die Mengenlehre einzuführen. Dort wurde darauf hingewiesen, dass Mathematiker ein Haus wie folgt bauen:

Zunächst wird der erste Stock gebaut. Man schaut sich darin um und prüft was es so zu entdecken gibt. Dann baut man das Dach um heraus zu bekommen was man alles auf den ersten Stock drauf laden kann. Und erst danach überlegt man sich wie die Grundlagen, also Erdgeschoß und Fundament, aussehen müssen damit das Haus überhaupt stehen bleibt.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Dipl.Math.
eddiefox  24.10.2020, 08:37
In einem der wunderbaren Bücher der "Science of Discworld" Serie fand ich eine sehr gnadenlose Abrechnung mit der Idee aus den 70ern, die Mathematik in der Grundschule über die Mengenlehre einzuführen.

In Deutschland hat es das auch gegeben? Das wusste ich nicht oder habe es vergessen. In Frankreich hat es das auch gegeben, was viele Eltern und Schüler in die Verzweifelung getrieben hat.

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eddiefox  24.10.2020, 09:02
@DerRoll

Das glaube ich dir sofort.

In Frankreich hatten in den 70er Jahren die Bourbakisten auf den Schulstoff Einfluss genommen. Ich habe noch ein altes Schulbuch für 13-14-jährige Schüler (Collège), in dem z.B. der Begriff der Gruppe eingeführt worden ist. Auch Aufgaben und Beispiele waren ziemlich abstrakt.

Von dem Bourbaki-Stil waren selbst viele Lehrer überfordert, und die Eltern waren Sturm gelaufen. Das hat sich nur wenige Jahre gehalten und viele Schüler traumatisiert.

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Das ist nur beim Limes so wie ich es verstanden habe. Also differenzenquotient oder differenzialquotient. Wir haben den nie bei Ableitungen besprochen. Es kann aber auch sein dass ich falsch liege.

LG;)

DerRoll  24.10.2020, 08:31

Ja, leider wird heutzutage die Ableitung zumindest bei ganzrationalen Funktionen nicht mehr über den Differenzenquotienten, sondern über die Potenz-, Faktor- und Summenregel eingeführt. DAs mußte ich bei meiner Tochter (FOS 12. Klasse) gerade schmerzlich erleben. Man versucht halt aus der knappen Zeit möglichst viel Stoff heraus zu pressen. Dazu kommen die "Anschauung, Anschauung, Anschauung" Rufer, die einfach mehr Zeit für Anwendungen fordern und die ganze "nutzlose" Theorie am liebsten verbannen würden.

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W00dp3ckr  24.10.2020, 08:33
@DerRoll

Ah, verstehe. Aber eigentlich ist ja gerade der Differentialquotient anschaulich :-D

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DerRoll  24.10.2020, 08:35
@W00dp3ckr

Ne, als anschaulich gelten solche Dinge wie z.B. Maximierungsprobleme. Limes ist ja nun für Schüler Theorie pur. Da bekommt man jahrelang eingehämmert das man nicht durch 0 teilen darf und auf einmal soll man es doch tun.

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W00dp3ckr  24.10.2020, 08:37
@DerRoll

Ja, und da verstehe ich nicht, weshalb sie nicht mal mit h=0.0000001 rechnen, dass h gar nicht 0 werden muss, damit man ziemlich nah an die echte Ableitung kommt. Also man kann das sehr wohl anschaulich machen.

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wie andere sagen, primär als herleitung der ableitungsregeln.
falls du irgendwann mal einem Ausdruck begegnen solltest, dessen Ableitung du noch nicht kennst, kannst du dir die mit der h-methode dann herleiten :-)