Woher "weiß" Licht was Stillstand ist?
Hallo
Ich zerbreche mir gerade mit 39 Jahren und Restwissen aus der Physik bis Klasse 13 den Kopf über folgenden Frage:
Die Lichtgeschwindigkeit ist immer konstant und Licht darf nicht schneller als ca. 1 Milliarde km/h werden. Und Objekte schon gar nicht, da sonst die Masse unendlich würde.
Hat nun aber leerer Raum im All eine Art Koordinationsystem? Also "eingebauten Stillstand"? Um dies zu erklären:
Man angenommen ich beschleunige eine Taschenlampe in Relation zu unserer Sonne auf 1/2 Lichtgeschwindigkeit (was natürlich Stand heute praktisch unmöglich ist) woher "wissen" nun die Lichtstrahlen im leeren Raum, dass sie "nur" mit zusätzlich 1/2 Lichtgeschwindigkeit die Taschenlampe verlassen dürfen?
Sonst würde sich ja Taschenlampengeschwindigkeit und Lichtgeschwindigkeit aufaddieren und man käme auf 1 1/2fache Lichtgeschwindigkeit.
Würden sich etwa alle Körper im All in die gleiche Richtung bewegen (vgl. sind im "Zug"), bekämen wir davon ja an sich nichts mit. Selbst die Sonne steht ja nicht still, sondern bewegt sich auch wieder um etwas herum denke ich, bzw. dreht sich mit der Milchstraße mit etc.
Mein Gedanke wäre jetzt: Rechne ich von der "Lichtspitze" mit Lichtgeschwindigkeit in die Gegenrichtung zurück, könnte ich auch im absolut luftleeren Raum ohne jedes Objekt (also mal angenommen das All wäre leer) quasi "Stillstand" bestimmen. Somit müsste ja leerer Raum über eine Art "Geschwindigkeitskontrolle" bzw. "Grundkoordinationsystem" verfügen.
Also vielleicht ähnlich wie bei einem Computerspiel, wo es eine hintergründige Berechnung, also Gameengine von allem gibt. So eine Gameengine käme natürlich in die Richtung des Konzepts von Brahman aus dem Veden z.B., wie etwa im Hinduismus, wo man die Welt als Simulation/Maya/Traum sieht.
Wie wird also heutzutage "Stillstand" im luftleeren All bestimmt? Woher "weiß" das Licht im luftleeren Raum wie schnell es zu sein hat? Bzw. was bewirkt dies? Natürlich mache ich hier den Denkfehler Licht als bewusst zu beschreiben. Es denkt ja nicht, es ist ja einfach. Was führt also dazu, dass das Naturgesetz, dass nichts schneller als Licht sein kann, wirkt? Da man ja im leeren Raum gar nicht sagen kann, ob sich was bewegt oder nicht, ohne Bezugpunkt...
Oder ist immer irgendeine Gravitationsquelle (Planet etc.) so nahe am Licht, dass dies irgendwie als Bezugspunkt aufs Licht einwirkt?
Es gibt ja aber bestimmt Regionen im All die unglaublich leer sind.
Ich schlussfolgere gerade: Im absolut leeren All, könnte man noch nicht einmal sagen, in welche Richtung sich ein Lichtstrahl bewegt. Je nachdem ob man das eine oder andere Ende des Lichtstrahls als Stillstand annimmt.
Es braucht also mindestens 2 Lichtstrahlen, die sich in unterschiedliche Richtungen bewegen und einen Beobachter, dann könnte man erst sagen was sich bewegt und was nicht. Hätte also 5 Punkte sozusagen.2 unbewegte Lichtemissionspunkte, 2 bewegte Lichtspitzen und den Beobachter der Stillstand bestimmt.Halt alles relativ ...
4 Antworten
Hallo Stefannnnnnn,
Licht beaucht nicht zu "wissen", was Stillstand ist.
Sein Ausbreitungstempo c ergibt sich automatisch aus den Naturkonstanten der Elektrodynamik, ähnlich wie sich das Ausbreitungstempo von Schallwellen in einem Medium, automatisch aus der Steifigkeit dieses Mediums und, natürlich, aus dem Bewegungszustand dieses Mediums ergibt.
Man kann aber auch umgekehrt sagen, dass sich die Konstanten aus c ergeben und sich c selbst aus der Geometrie der Raumzeit ergibt. Was auch immer keine Masse bzw. Ruheenergie (im Grunde dasselbe, nur ggf. in anderen Maßeinheiten) besitzt, bewegt sich durch die Raumzeit auf sogenannten Nullgeodäten, d.h. entlang von Geodätischen Linien¹), entlang derer der raumzeitliche Abstand zwischen zwei Punkten gleich 0 ist.
Etwas PhysikgeschichteFür die Ausbreitung des Lichts gab es seit dem 17. Jahrhundert zwei konkurrierende Hypothesen:
- Licht besteht aus Korpuskeln, die sich mit c relativ zur Lichtquelle bewegen.
- Licht besteht aus Wellen, die sich in einer Supersubstanz namens Äther ausbreiten und sich relativ zu diesem mit c ausbreiten.
Im 19. Jahrhundert schien diese Debatte endgültig zugunsten der Ätherhypothese entschieden zu sein.
Etwa Mitte des Jahrhundert identifizierte MAXWELL Licht als elektromagnetische Wellen.
Allerdings schien sich dies nicht zu vertragen mit einem alten Prinzip der Klassischen Mechanik, nämlich GALILEIs Relativitätsprinzip (RP):
Wenn wir einen Körper B als ruhend betrachten und sich ein zweiter, B', mit konstanter 1D-Geschwindigkeit (in x-Richtung eines von B aus definierten raumzeitlichen Koordinatensystems Σ) v = βc bewegt, kann man ebensogut sagen, dass B' ruhe und sich B mit −v (gleiches Tempo, entgegengesetzte Richtung) bewegt, da die grundlegenden Beziehungen zwischen physikalischen Größen (nichts anderes sind Naturgesetze) in einem von B' aus definierten Koordinatensystem Σ' dieselbe Form haben wie in Σ.
In der NEWTONschen Mechanik (NM) wird zwischen Σ und Σ' mit der GALILEI- Transformation umgerechnet, die man als raumzeitliche Scherung bezeichnen kann. Sie lässt aber die elektromagnetische Wellengleichung und damit insgesamt die MAXWELLsche Elektrodynamik nicht invariant (unverändert). Dies könnte bedeuten, dass
- das RP nur näherungsweise im Grenzfall v<<c gilt und man, wenn man nur schnell genug ist, seine eigene Bewegung relativ zum Äther nachweisen könnte, indem man die Lichtgeschwindigkeit in verschiedene Richtungen miteinander vergleicht, oder
- die GALILEI- Transformationen stimmen nur näherungsweise für den Grenzfall v<<c und muss im Allgemeinen modifiziert werden.
In den 1880er Jahren haben MICHELSON und MORLEY versucht, die Bewegung der Erde interferometrisch nachzuweisen; immerhin wusste man schon, dass sich die Erde mit immerhin 10⁻⁴c relativ zum Sonnensystem bewegt. Allerdings konnten sie nicht die erwartete Abweichung vom RP feststellen.
Daraufhin entwickelten in den folgenden Jahrzehnten LORENTZ und Andere neue Transformationen, die tatsächlich die Lichtgeschwindigkeit invariant lassen. An der Ätherhypothese hielten sie dennoch fest, nur dass der Äther Uhren derart verlangsame (Zeitdilatation) und Maßstäbe in Bewegungsrichtung derart stauche (Längenkontraktion), dass auch ein relativ zum Äther bewegter Beobachter bei der Messung der Lichtgeschwindigkeit in jede Richtung auf c kommt.
Die LORENTZ- Transformation ist eine Art Drehung in der Raumzeit. Eine räumliche Drehung lässt das räumliche Abstandsquadrat
(1) Δs² := Δx² + Δy² + Δz² ≡ Δx°² + Δy°² + Δz°²
zwischen zwei Punkten im Raum mit den Koordinatendifferenzen Δx, Δy und Δz in Σ und den Koordinatendifferenzen Δx°, Δy° und Δz° in einem räumliche gegenüber Σ gedrehten Koordinatensystem Σ° invariant.
Eine LORENTZ- Transformation lässt das raumzeitliche Abstandsquadrat
(2.1) Δτ² = Δt² − Δs²⁄c² ≡ Δt'² − Δs²⁄c²
bzw.
(2.2) Δς² = Δs² − c²Δt² ≡ Δs'² − c²Δt'²
invariant. Dabei ist Δs wie in (1) und Δs' entsprechend definiert.
Abb. 1: Ein Vergleich zwischen räumlicher Drehung und LORENTZ- Transformation bzw einer räumlichen Ebene und einer raumzeitlichen Ebene.
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¹) Geodätische Linien sind die geradesten möglichen Linien innerhalb einer Fläche oder einer Verallgemeinerung davon, einer Mannigfaltigkeit. Geodätische in einer Kugelfläche sind Großkreise wie z.B. der Äquator oder die Längenkreise.

Kurze Randbemerkung:
wie schon geschrieben, addieren sich die Geschwindigkeiten in der Speziellen Relativitätstheorie nicht (wie bei Newton) nach vg = v1 plus v2.
vg = Gesamtgeschwindigkeit, v1 und v2 die Einzel-Geschwindigkeiten.
Sondern (nach Einstein) ist vg = v1 plus v2 geteilt durch (!!!) 1 plus v1 mal v2 geteilt durch c im Quadrat.
Wenn jetzt v1 ud v2 beide gleich c sind (also Lichtgeschwindigkeit, erhält man/frau im Zähler des Bruches v1 + v2 = c + c = 2c.
Das muss dann geteilt werden durch 1 + (v1 mal v2/c Quadrat), also 1 + c Quadrat durch c Quadrat. c Quadrat durch c Quadrat ist 1. Im Nenner steht dann also insgesamt 2. Und 2c geteilt durch 2 ist c.
die Suche nach dem Bezugspunkt wäre Galileische Geschwindigkeitssuperposition, die nur in Näherung für geringe Geschwindigkeiten v << c gilt.
Die sogenannte Lichtgeschwindigkeit ist die Geschwindigkeit, mit der Realität sich ausbreitet. Nichts was Ruhemasse* hat kann diese Geschwindigkeit erreichen, und nur weil Photonen keine Ruhemasse haben, haben sie diese Geschwindigkeit, daher der Name.
Der Name kommt auch daher, dass man früher glaubte, das Licht brauche ein absolut stationäres Medium, in dem sich elektromagnetische Wellen ausbreiten (so wie Schallwellen in Luft), den sog. Äther. Die Frage, woran so ein stationärer Äther räumlich festgemacht sei, führte zum Michelson-Morley Experiment, bei dem eigentlich erwartet wurde, dass mit der Geschwindigkeit der Erde durch den Äther unterschiedliche Geschwindigkeiten des Lichts in unterschiedliche Richtungen gemessen würden. Überraschung: kein Unterschied, also kein Äther (es sei denn er würde zufällig ausgerechnet an der Erde festgemacht sein). Daraus geht nicht nur hervor, dass es keinen Äther gibt, sondern dass diese Geschwindigkeit eine in allen Inertialsystemen gleiche Naturkonstante und damit nicht überholbar ist, denn wenn man versucht den Strahl einer Taschenlampe mit dem Auto zu überholen, ist er relativ zum Auto genauso schnell wie relativ zur Taschenlampe.
Erst hier setzt die spezielle Relativitätstheorie an, die mit recht einfacher Mathematik (Lorentz-Transformationen) darlegt, was das für Auswirkungen auf Zeiten und Längen (und auch die kinetische Energie*) in bewegten Systemen hat.
*) Kinetische Energie von Objekten mit Ruhemasse enthält einen Term der Lorentz-Transformation wie Zeiten und Längen. Wenn man ein Fahrzeug in die Nähe der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, geht mit wachsender Geschwindigkeit ein immer größerer Anteil der zugeführten Energie in immer weniger Geschwindigkeitszuwachs und lässt für den äußeren Beobachter das Fahrzeug immer träger erscheinen - die Lichtgeschwindigkeit wird nie erreicht.
woher "wissen" nun die Lichtstrahlen im leeren Raum, dass sie "nur" mit zusätzlich 1/2 Lichtgeschwindigkeit die Taschenlampe verlassen dürfen?
Die wissen gar nichts und verlassen die Taschenlampe mit der Lichtgeschwindigkeit
Sonst würde sich ja Taschenlampengeschwindigkeit und Lichtgeschwindigkeit aufaddieren und man käme auf 1 1/2fache Lichtgeschwindigkeit.
Die klassische Addition von Geschwindigkeiten mit v2 = v0 + v1 gilt eben nicht mehr in der Relativitätstheorie. Nur der menschliche Geist kann das oft nicht anders denken
In der Mathematik der Relativitätstheorie addieren sich Geschwindigkeiten so, dass am Ende wieder eine Geschwindigkeit herauskommt, die kleiner als die Lichtgeschwindigkeit ist.
Aber was ist der Bezugspunkt für diese Lichtgeschwindigkeit
Völlig egal. Jeder Beobachter misst diese Geschwindigkeit. Ob einer sein Labor auf einem Sattel auf der Taschenlampe hat, auf der Erde oder sonst wo im Universum - Licht bewegt sich mit der Lichtgeschwindigkeit (im Vakuum sage ich vorsichtshalber dazu). Es kann gar nicht anders.
Okay das ist so ähnlich wie ein Ferrari hat die Höchstgeschwindigkeit 350 km/h, egal ob er mit oder gegen die Erdrotation fährt. Oder ob er auf einer Fähre fährt, die wiederum mit 50km vorwärts fährt.
Okay macht mich fertig, das heißt mein mechanistisches Denken über das All stimmt an sich gar nicht. Das ist ein völlig bizarres Konstrukt von Relativitäten und Bezugspunkten.
So eine klar geordnete, objektive Wirklichkeit gibts dann gar nicht unbedingt. Alles relativ. Der Beobachter ist Teil vom All und nie getrennt betrachtbar. Verschiedene Bezugspunkte werden für mich paradox miteinander so verrechnet, dass es halt immer eine Harmonie gibt, in der die Lichtgeschwindigkeit nie überschritten wird.
Klingt etwas wie im Vedanta, wo der Beobachter die Welt nur träumt.
Müsste man vermutlich Physik studieren, um das wirklich zu verstehen.
Okay macht mich fertig, das heißt mein mechanistisches Denken über das All stimmt an sich gar nicht
Genau das ist das Problem. Die Relativitätstheorie ist deshalb so einschneidend
- für die Physik, weil sie das gesamte mechanistische Weltbild komplett über den Haufen geworfen hat (sobald man sich mit sehr hohen Geschwindigkeiten und/oder der Gravitation und dem Raum befasst)
- für das Individuum, weil alles der eigenen Erfahrungswelt zuwiderläuft und man letztlich gezwungen ist, einige Fakten als solche zu akzeptieren. "Verstehen" kann man diese fundamentalen Fakten meiner Meinung nach auch mit einem Physikstudium nicht. Man muss/kann sie lediglich zur Kenntnis nehmen und dann damit arbeiten und schlussendlich die Resultate einer experimentellen Überprüfung unterziehen. Und bis heute gilt: Beide Theorien Einsteins zur Relativität haben zu unglaublichen und präzisen Ergebnissen geführt.
"Die wissen gar nichts und verlassen die Taschenlampe mit der Lichtgeschwindigkeit"
Ja das ist mir auch klar. Aber was ist der Bezugspunkt für diese Lichtgeschwindigkeit im leeren Raum? Eine Geschwindigkeit ohne Bezugspunkt gibt es ja an sich nicht.
Danke für den Link, das klingt nach meiner Fragestellung lese ich gerade sehr interessiert duch.