Wieso sollte der Mensch überwunden werden? ( Bitte nur im Bezug auf Nietzsches Werk)

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Der Übermensch ist in Nietzsches Werk ein von Zarathustra verkündeter Entwurf eines zukünftigen Menschentypus.

Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra : ein Buch für Alle und Keinen II. Von den Priestern:
„Grössere gab es wahrlich und Höher-Geborene, als Die, welche das Volk Erlöser nennt, diese hinreissenden Brausewinde!
Und noch von Grösseren, als alle Erlöser waren, müsst ihr, meine Brüder, erlöst werden, wollt ihr zur Freiheit den Weg finden!
Niemals noch gab es einen Übermenschen. Nackt sah ich Beide, den grössten und den kleinsten Menschen: —
Allzuähnlich sind sie noch einander. Wahrlich, auch den Grössten fand ich — allzumenschlich!“

Der gewöhnliche Mensch soll nach Nietzsche überwunden werden, weil er Mängel aufweist, weit entfernt von echter Größe ist und es ein erstrebenswertes Ziel der persönlichen Entwicklung darstellt, immer wieder neu schöpferisch tätig zu sein und damit über sich hinauszugehen (werde, der du bist; bei Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra : ein Buch für Alle und Keinen I. Die Reden Zarathustra’s. Von den drei Verwandlungen, wird für die dritte und höchste Stufe der Verwandlungen des Geistes (nach Kamel und Löwe) die Metapher des Kindes verwendet, um Neuanfang, Unschuld des Werdens, Spiel des Schaffens und Ja-Sagens zum Leben auszudrücken), über sich hinaus schaffen zu wollen. Der Übermensch ist durch ein ständiges Überwinden im Sinne eines Schaffens ohne einen bestimmten, abschließenden Endzweck gekennzeichnet.

Der Übermensch liegt auf der Linie des Willens zur Macht. Er weist Kraft und Größe auf. Nicht die bloße Selbsterhaltung der eigenen Existenz ist nach Nietzsches Auffassung das, was angestrebt wird und den höchsten Sinn darstellt, sondern ein gesteigertes und intensiv erlebtes Leben, Mehrung der Macht, ihr Wachstum und ihre Ausbreitung. Ein Stehenbleiben wäre bildlich betrachtet ein Innehalten auf dem Seil über dem Abgrund auf halber Strecke, zwischen Affe und echten vollentwickelten Menschen, in einem beschämenden Zustand.

Nietzsche hat eine geistesaristokratische Einstellung. Verkündet wird, der Übermensch sei der Sinn der Erde (Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra : ein Buch für Alle und Keinen I. Zarathustra’s Vorrede. 3.: „Der Übermensch ist der Sinn der Erde. Euer Wille sage: der Übermensch sei der Sinn der Erde!“). Die Masse hält Nietzsche für unfähig zu eigener Produktivität/schöpferischer Tätigkeit, mittelmäßig, Fremdbestimmung unterliegend, manipulierbar, durch Anpassung und Konformismus mit einer Herdenmoral, durch Abflachung und Oberflächlichkeit gekennzeichnet. Das Ziel der Menschheit liegt nach Nietzsches Auffassung in ihren höchsten Exemplaren (großen Individuen, schöpferischen Genies).

Friedrich Nietzsche, Unzeitgemässe Betrachtungen. Zweites Stück: Vom Nutzen und Nachtheil der Historie für das Leben (1874). 9.
„Es wird die Zeit sein, in welcher man sich aller Constructionen des Weltprozesses oder auch der Menschheits-Geschichte weislich enthält, eine Zeit, in welcher man überhaupt nicht mehr die Massen betrachtet, sondern wieder die Einzelnen, die eine Art von Brücke über den wüsten Strom des Werdens bilden. Diese setzen nicht etwa einen Prozess fort, sondern leben zeitlos-gleichzeitig, Dank der Geschichte, die ein solches Zusammenwirken zulässt, sie leben als die Genialen-Republik, von der einmal Schopenhauer erzählt; ein Riese ruft dem anderen durch die öden Zwischenräume der Zeiten zu, und ungestört durch muthwilliges lärmendes Gezwerge, welches unter ihnen wegkriecht, setzt sich das hohe Geistergespräch fort. Die Aufgabe der Geschichte ist es, zwischen ihnen die Mittlerin zu sein und so immer wieder zur Erzeugung des Grossen Anlass zu geben und Kräfte zu verleihen. Nein, das Ziel der Menschheit kann nicht am Ende liegen, sondern nur in ihren höchsten Exemplaren.“

Einzelne Individuen sind nach Nietzsche fähig zum Schaffen und zum Setzen von Werten. Sie sind Schöpfer auf dem Gebiet der Kultur, Philosophen, Künstler, Genies. Der Übermensch ist eine Art Genie, ein schöpferischer Ausnahmemensch, das Werte setzende, Werte schaffende große Individuum. Für einen höchsten Typus der Wohlgeratenheit, ein erstrebenswertes Ziel der eigenen Entwicklung in Selbstüberwindung wird an einigen Stellen die Bezeichnung „Übermensch“ verwendet. Er ist das aus eigener Kraftvollkommenheit jasagende Wesen, mit dem eine Umwertung aller Werte einsetzen und der Nihilismus überwunden werden könnte. Der Übermensch hält den Nihilismus und den Sinnverlust aus, er kann den „Tod Gottes“ verkraften.

Dem Übermenschen gelingt nach Nietzsches Standpunkt anders als dem gewöhnlichem Menschen, „jenseits von gut und böse“ zu leben, das heißt sich von Vorschriften einer herrschenden Moral mit nicht objektiv gültigen Urteilen zu befreien und so selbstbestimmt zu sein.

Albrecht  13.10.2013, 23:47

Vgl. insgesamt Volker Gerhardt, Friedrich Nietzsche. Originalausgabe 4., aktualisierte Auflage. München : Beck, 2006 (Beck'sche Reihe : Denker ; 522), S. 168 – 182 (IV. Experimentalphilosophische Visionen 4. Immoralismus und Übermensch)

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Das kommt dabei heraus, wenn sich philosophierende (Professoren) zu Philosophieexperten ernennen.

Nicht "der Mensch" soll überwunden werden, nur ein bestimmter Menschentypus, und zwar der Intro oder Extrovertierte Egoistische Machtmensch, sollte in die (seine) Schranken verwiesen werden.

Und das ist der der Machtmenschen (Intro und/oder Extrovertierte Egoisten), die unfähig sind die Geschicke der Menschheit zu lenken.

Nietzsche versteht den perfekten Machtinhaber als jemanden der Macht nicht zum eigenen Vorteil ver/anwendet.

Der intelligente (nicht Machthungrige) Philosoph, führt die Regierungsgeschäfte bzw. bestimmt die Regeln und Gesetze

Der der führen kann, setzt sie um.

Die die es nicht können/wollen führen sie aus.

Das Dumme hierbei ist, es würde funktionieren, wenn letztere sich nicht immer von dem Geschwafel der Machtbesessenen Manipulieren lassen würden.

Der Extrovertierte wird von der Machtriege als scheinbar kompetenter Karrieremensch bevorzugt, während der Introvertierte Denker als zauderer zumeist verpönnt ist.

Nur übersieht man hier etwas sehr gravierendes, das Wohl aller wird (sollte) von der Politik geleitet werden und nicht von der Industriewirtschaft. Man hat aber seit den 60er die Vorausetzungen ins Gegenteil verkehrt.

Und es liegt ein Fehler in der Typenbestimmung vor der von einem Wissenschaftler namens Eysenck verursacht wurde, dieser stufte die Menschen in "nur zwei Gruppen" ein, den Extrovertierten "Macher" und den Introvertierten "Zauderer" dieses Typenbild hat sich in der Industrie fest verankehrt, und diese übersieht dabei bewusst und gewissenhaft, die Fehler in Eysenck Typendefinition, der Extrovertierte Machtmensch arbeitet "ausschließlich" für sein Wohlergehen, der Introvertierte Emphatist für das Wohl aller.

Nietzsches Einordnung des Übermenschen ist absolut richtig, wenn klar wird, das Eysenck Typenklassifiezierung falsch ist. Und erkannt/beachtet wird das es sowohl Introvertierte Macher wie Extrovertierte Zauderer gibt.

BluePapillion  14.10.2013, 15:51

Zusatz; Beispiele, Obama ist ein Introvertierter Macher, Merkel eine Extrovertierte Zauderin, Schröder ist genau wie Joschka Fischer ein Extrovertierter Egomane, die nur für sich gearbeitet haben. Das gleiche gilt für den CSU Vorsitzenden, macht die ganze Zeit auf Introvertierter (zurückhaltender) Emphatist und sobald die Wahlen durch sind, kommt der Egomane zum Vorschein, der seine Speichellecker zu neuen Superministern ernennt.

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"Wieso sollte der Mensch überwunden werden?" - Ich will mal etwas aufrütteln im Sinne von Nietzsche. Das Sachliche hat Albrecht ausführlich dargestellt. Deine Frage ist für heute typisch: Die Natur soll stillstehen, das Klima soll endlich stillstehen, soziale Konflikte sollen gleichgemacht werden und still stehen. Die zentrale Sehnsucht unserer Zeit ist STILLSTAND - nur keine Veränderung. Da passt die Frage: Wieso sollte der Mensch überwunden werden?

Nietzsches Antwort wäre: Was für eine blöde Frage. Schon Heraklit hat vor 2600 Jahren festgestellt: Panta rhei - alles ist im Fluss, alles ändert sich, ständig, auch der Mensch. DEN MENSCHEN gibt es nicht! Die Frage, die Nietzsche umtreibt ist nicht, dass sich der Mensch ändere, sondern in welche Richtung der ständige Prozess gehen soll. Selbst GOTT war nie der gleiche, oder besser, die gleiche Projektion des Menschen. Über die Götterwelten der Antike adaptierte das Christentum erst die Stoa, dann den Neoplatonismus, dann mit Thomas von Aquin den Aristoteles und weitere Veränderungen des Gottesbildes konnte selbst die Macht der Kirche nicht aufhalten bis Nietzsche endlich feststellen konnte: Gott ist tot - oder übersetzt - die sinngebende Kraft eines Gottesbildes ist ausgezehrt, es droht ein zerstörerischer Nihilismus und es braucht für die Menschengesellschaft eine neue Kraft, ein Kraft, die nach vorne in ein lebensbejahendes neues Selbstverständnis weist. Dazu wollte er mit seiner teils beißenden Gesellschafts- und Moralkritik neue Denkakzente setzen.

Dass der Mensch überwunden werden soll, hängt mit Nietzsches Gott-ist tot-Verdikt zusammen. Da Gott tot ist und es keine „Hinterwelten“ gibt, hat auch das pure Menschsein mit all seinen Unzulänglichkeiten keinen Sinn mehr. Das pure schwächliche Menschsein führt zum Leiden im Sinne Schopenhauers oder im Sinne des Christentums. Bei Schopenhauer hat der Mensch nur die Wahl, sich ganz seinem „Willen“ hinzugeben und dadurch das Leiden zu verstärken oder durch Dämpfung des Willens das Leiden zu verringern. Die Konsequenz ist in beiden Fällen die pessimistische Weltsicht (Schopenhauer: „Wir sollen elend sein und wir sind es!“). Das Christentum sieht ebenfalls die Welt als Ort des Leidens an, macht aber Hoffnung auf eine Belohnung im Jenseits. Nietzsche dagegen schließt diese Erlösungsmöglichkeit aus. Auch den von Schopenhauer nur negativ bewerteten Willen (zum Leben) lehnt er ab. Er deutet ihn ins Positive um und nennt ihn fortan „Wille zur Macht“. Der Mensch hat nur die Möglichkeit, sein schwächliches Menschsein zu überwinden und zur Größe des „Übermenschen“ emporzuwachsen. Er muss nach dem Tode Gottes die Stelle Gottes einnehmen und sich selbst zum Gott erklären. Das geht aus dem Aphorismus „Der tolle Mensch“ hervor (Um der Tat des Gottesmordes würdig zu werden, müsse der Mensch selbst zum Gott werden; s. Aph. 125 aus „Die fröhliche Wissenschaft“). Diesen „menschlichen“ Gott nannte Nietzsche Übermensch. („Tot sind alle Götter: nun wollen wir, dass der Übermensch lebe.“, sagt Zarathustra). Solche Übermenschen hat es nach Nietzsches Auffassung in der Geschichte schon oft gegeben. Napoleon und Caesar z.B. waren ihm solche Übermenschen. Auch der nicht so bedeutende Mensch soll sich auf den Weg zum Übermenschen begeben, da allein darin sein Heil liegt. Das Mittel dazu ist der „Wille zur Macht“. Ihn muss er rückhaltlos, d.h. ohne die den Willen hemmende christliche Moral, zur Entfaltung bringen („Die Welt ist Wille zur Macht und nichts außerdem, und ihr selbst seid Wille zur Macht und nichts außerdem!“). Erst wenn er diese „Energie der Größe“ in sich frei entfesselt, kann er zu einem glücklichen Menschen werden, glücklich allerdings nicht im Sinne des „Weideglücks der Lämmer“, sondern im Sinne eines großartigen, heroischen Lebens voll Genugtuung und Stolz. – Immer ist zu beachten, dass man Nietzsche nicht eigentlich nehmen darf (Thomas Mann: „Wer ihn eigentlich nimmt, wer ihm glaubt, ist verloren!“). Außerdem ist Nietzsches Gott-ist-tot“-Behauptung m.E. von ihm selbst relativiert worden („Wir haben ihn getötet!“, s.o Aph. 125). Das bedeutet, dass Gott in Wahrheit lebt, er ist nur „in den Menschen“ getötet worden.)

Ich kenne dieses Werk nicht, allerdings glaube ich das der Mensch überwunden werden sollte (also laut meiner Vermutung) weil der Mensch voller Fehler ist.