Friedrich Nietzsches Übermensch (Also sprach Zarathustra)?

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Nietzsche schreibt in dem Werk an vielen Stellen über den Übermenschen. An zahlreichen Stellen werden auch Gedanken geäußert, ohne das Wort zu verwenden, z. B. Teil 1. Die Reden Zarathustra's. Von den drei Verwandlungen (als Verwandlungen des Geistes werden Kamel, Löwe und Kind genannt, wobei das Kind wahrscheinlich dem Übermenschen zuzuordnen ist), Aussagen in metaphorischem Sinn zum Blitz und Aussagen zur Selbstüberwindung.

einige Literatur zum Thema:

Christian Niemeyer, Übermensch. In: Nietzsche-Lexikon. 2., durchgesehene und erweiterte Auflage. Herausgegeben von Christian Niemeyer. Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2011, S. S. 383-385

Enrico Müller, Nietzsche-Lexikon. Paderborn : Wilhelm Fink, 2020 (UTB ; UTB-Band-Nr. 5015); S. 235 - 239

Giorgio Penzo, Übermensch. In: Nietzsche-Handbuch : Leben - Werk - Wirkung. Herausgegeben von Henning Ottmann. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2000, S. 342 – 345

Volker Gerhardt, Übermensch. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 11: U – V. Basel : Schwabe, 2001, Spalte 46 – 55

Jutta Georg, Übermensch und ewige Wiederkehr : Nietzsches Chiffren der Transzendenz. Paderborn : Brill ; Wilhelm Fink, 2020. S. 81 – 114 (6 Der Übermensch)

Annemarie Pieper, Zarathustra als Verkünder des Übermenschen und als Fürsprecher des Kreises. In: Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra. Herausgegeben von Volker Gerhardt. Berlin : Akademie-Verlag, 2000 (Klassiker auslegen ; Band 14), S. 93 – 122

Annemarie Pieper, „Ein Seil geknüpft zwischen Tier und Übermensch": philosophische Erläuterungen zu Nietzsches erstem „Zarathustra". Nachdruck der Erstausgabe Stuttgart, 1990 mit Ergänzungen der Autorin. Basel : Schwabe, 2010 (Schwabe Reflexe; 7). ISBN 978-3-7965-2682-4

Volker Gerhardt, Friedrich Nietzsche. Originalausgabe 4., aktualisierte Auflage. München : Beck, 2006 (Beck'sche Reihe : Denker ; 522), S. 168 – 182 (IV. Experimentalphilosophische Visionen 4. Immoralismus und Übermensch)

Walter Kaufmann, Nietzsche : Philosoph, Psychologe, Antichrist. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Jörg Salaquarda. Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1982, S. 359 – 389 (11. Der Übermensch und die ewige Wiederkunft)

ausdrückliche Aussagen:

Friedrich Nietzsche, Also sprach Zarathustra. Ein Buch für Alle und Keinen. Die Reden Zarathustra's.

Teil 1 (1883)

Zarathustra's Vorrede. 3.

„Ich lehre euch den Übermenschen.Der Mensch ist Etwas, das überwunden werden soll. Was habt ihr gethan, ihn zu überwinden?“

„Seht, ich lehre euch den Übermenschen!

Der Übermensch ist der Sinn der Erde. Euer Wille sage: der Übermensch sei der Sinn der Erde!“

4.

„Der Mensch ist ein Seil, geknüpft zwischen Thier und Übermensch, — ein Seil über einem Abgrunde.“

„Ich liebe Die, welche nicht erst hinter den Sternen einen Grund suchen, unterzugehen und Opfer zu sein: sondern die sich der Erde opfern, dass die Erde einst des Übermenschen werde.

Ich liebe Den, welcher lebt, damit er erkenne, und welcher erkennen will, damit einst der Übermensch lebe. Und so will er seinen Untergang.

Ich liebe Den, welcher arbeitet und erfindet, dass er dem Übermenschen das Haus baue und zu ihm Erde, Thier und Pflanze vorbereite: denn so will er seinen Untergang.“

„Seht, ich bin ein Verkündiger des Blitzes und ein schwerer Tropfen aus der Wolke: dieser Blitz aber heisst Übermensch. —„

7.

„Ich will die Menschen den Sinn ihres Seins lehren: welcher ist der Übermensch, der Blitz aus der dunklen Wolke Mensch.“

9.

„Den Schaffenden, den Erntenden, den Feiernden will ich mich zugesellen: den Regenbogen will ich ihnen zeigen und alle die Treppen des Übermenschen.“

Die Reden Zarathustra's.

Von den Verächtern des Leibes.

„Ich gehe nicht euren Weg, ihr Verächter des Leibes! Ihr seid mir keine Brücken zum Übermenschen! —

Also sprach Zarathustra.“

Vom bleichen Verbrecher.

„Es ist nicht genug, dass ihr euch mit Dem versöhnt, den ihr tödtet. Eure Traurigkeit sei Liebe zum Übermenschen: so rechtfertigt ihr euer Noch-Leben!“

Vom neuen Götzen.

„Dort, wo der Staat aufhört, — so seht mir doch hin, meine Brüder! Seht ihr ihn nicht, den Regenbogen und die Brücken des Übermenschen? —

Also sprach Zarathustra.“

Vom Freunde.

„Du kannst dich für deinen Freund nicht schön genug putzen: denn du sollst ihm ein Pfeil und eine Sehnsucht nach dem Übermenschen sein.“

Von der Nächstenliebe.

„Nicht den Nächsten lehre ich euch, sondern den Freund. Der Freund sei euch das Fest der Erde und ein Vorgefühl des Übermenschen.“

„Die Zukunft und das Fernste sei dir die Ursache deines Heute: in deinem Freunde sollst du den Übermenschen als deine Ursache lieben.“

Von Kind und Ehe.

„Über euch hinaus sollt ihr einst lieben! So lernt erst lieben! Und darum musstet ihr den bittern Kelch eurer Liebe trinken.

Bitterniss ist im Kelch auch der besten Liebe: so macht sie Sehnsucht zum Übermenschen, so macht sie Durst dir, dem Schaffenden!

Durst dem Schaffenden, Pfeil und Sehnsucht zum Übermenschen: sprich, mein Bruder, ist diess dein Wille zur Ehe?

Heilig heisst mir solch ein Wille und solche Ehe. —

Also sprach Zarathustra.“

Von der schenkenden Tugend.

2.

„Ihr Einsamen von heute, ihr Ausscheidenden, ihr sollt einst ein Volk sein: aus euch, die ihr euch selber auswähltet, soll ein auserwähltes Volk erwachsen: — und aus ihm der Übermensch.“

3.

Und das ist der grosse Mittag, da der Mensch auf der Mitte seiner Bahn steht zwischen Thier und Übermensch und seinen Weg zum Abende als seine höchste Hoffnung feiert: denn es ist der Weg zu einem neuen Morgen.

Alsda wird sich der Untergehende selber segnen, dass er ein Hinübergehender sei; und die Sonne seiner Erkenntniss wird ihm im Mittage stehn.

„Todt sind alle Götter: nun wollen wir, dass der Übermensch lebe.“ — diess sei einst am grossen Mittage unser letzter Wille! —

Also sprach Zarathustra.“

Teil 2 (1883)

Auf den glückseligen Inseln.

„Einst sagte man Gott, wenn man auf ferne Meere blickte; nun aber lehrte ich euch sagen: Übermensch.

Gott ist eine Muthmaassung; aber ich will, dass euer Muthmaassen nicht weiter reiche, als euer schaffender Wille.

Könntet ihr einen Gott schaffen? — So schweigt mir doch von allen Göttern! Wohl aber könntet ihr den Übermenschen schaffen.

Nicht ihr vielleicht selber, meine Brüder! Aber zu Vätern und Vorfahren könntet ihr euch umschaffen des Übermenschen: und Diess sei euer bestes Schaffen! —“

Von den Priestern.

„Niemals noch gab es einen Übermenschen. Nackt sah ich Beide, den grössten und den kleinsten Menschen: —

Allzuähnlich sind sie noch einander. Wahrlich, auch den Grössten fand ich — allzumenschlich!“

Von den Taranteln.

„Mit diesen Predigern der Gleichheit will ich nicht vermischt und verwechselt sein. Denn so redet mir die Gerechtigkeit: „die Menschen sind nicht gleich.

Und sie sollen es auch nicht werden! Was wäre denn meine Liebe zum Übermenschen, wenn ich anders spräche?

Auf tausend Brücken und Stegen sollen sie sich drängen zur Zukunft, und immer mehr Krieg und Ungleichheit soll zwischen sie gesetzt sein: so lässt mich meine grosse Liebe reden!“

Von den Dichtern.

„Wahrlich, immer zieht es uns hinan — nämlich zum Reich der Wolken: auf diese setzen wir unsre bunten Bälge und heissen sie dann Götter und Übermenschen: —

Sind sie doch gerade leicht genug für diese Stühle! — alle diese Götter und Übermenschen.“

Von der Menschen-Klugheit.

„Wie Manches heisst jetzt schon ärgste Bosheit, was doch nur zwölf Schuhe breit und drei Monate lang ist! Einst aber werden grössere Drachen zur Welt kommen.

Denn dass dem Übermenschen sein Drache nicht fehle, der Über-Drache, der seiner würdig ist: dazu muss viel heisse Sonne noch auf feuchten Urwald glühen!“

„So fremd seid ihr dem Grossen mit eurer Seele, dass euch der Übermensch furchtbar sein würde in seiner Güte!

Und ihr Weisen und Wissenden, ihr würdet vor dem Sonnenbrande der Weisheit flüchten, in dem der Übermensch mit Lust seine Nacktheit badet!

Ihr höchsten Menschen, denen mein Auge begegnete! das ist mein Zweifel an euch und mein heimliches Lachen: ich rathe, ihr würdet meinen Übermenschen — Teufel heissen!

Ach, ich ward dieser Höchsten und Besten müde: aus ihrer „Höhe“ verlangte mich hinauf, hinaus, hinweg zu dem Übermenschen!

Ein Grausen überfiel mich, als ich diese Besten nackend sah: da wuchsen mir die Flügel, fortzuschweben in ferne Zukünfte.“

Teil 3 (1884)

Von alten und neuen Tafeln.

3.

„Dort war’s auch, wo ich das Wort „Übermensch“ vom Wege auflas, und dass der Mensch Etwas sei, das überwunden werden müsse,

— dass der Mensch eine Brücke sei und kein Zweck: sich selig preisend ob seines Mittags und Abends, als Weg zu neuen Morgenröthen:

— das Zarathustra-Wort vom grossen Mittage, und was sonst ich über den Menschen aufhängte, gleich purpurnen zweiten Abendröthen.“

Der Genesende.

2.

„Ich komme wieder, mit dieser Sonne, mit dieser Erde, mit diesem Adler, mit dieser Schlange — nicht zu einem neuen Leben oder besseren Leben oder ähnlichen Leben:

— ich komme ewig wieder zu diesem gleichen und selbigen Leben, im Grössten und auch im Kleinsten, dass ich wieder aller Dinge ewige Wiederkunft lehre, —

— dass ich wieder das Wort spreche vom grossen Erden- und Menschen-Mittage, dass ich wieder den Menschen den Übermenschen künde.“

Teil 4 (1885)

Vom höheren Menschen.

2.

„Wohlan! Wohlauf! Ihr höheren Menschen! Nun erst kreist der Berg der Menschen-Zukunft. Gott starb: nun wollen wir, — dass der Übermensch lebe.“

3.

„Der Übermensch liegt mir am Herzen, der ist mein Erstes und Einziges, — und nicht der Mensch: nicht der Nächste, nicht der Ärmste, nicht der Leidendste, nicht der Beste —“

„Diese Herrn von Heute überwindet mir, oh meine Brüder, — diese kleinen Leute: die sind des Übermenschen grösste Gefahr!“

5.

„„Der Mensch ist böse“ — so sprachen mir zum Troste alle Weisesten. Ach, wenn es heute nur noch wahr ist! Denn das Böse ist des Menschen beste Kraft.

„Der Mensch muss besser und böser werden“ — so lehre ich. Das Böseste ist nöthig zu des Übermenschen Bestem.

Das mochte gut sein für jenen Prediger der kleinen Leute, dass er litt und trug an des Menschen Sünde. Ich aber erfreue mich der grossen Sünde als meines grossen Trostes. —“

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Fragesteller
 18.07.2021, 17:07

Wow vielen Dank für die ausführliche Antwort.

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Ja, könnte, könnte, könnte. Aber am Wahrscheinlichsten ist das Wahrscheinliche.