Wieso sind so viele Studierende arrogant und hochmütig?

12 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo Fragenderder,

ist eine echt gute Frage. Ich sehe sie zwar nicht als arrogant und hochmütig, ich sehe sie eher als recht unreflektiert und überraschend (jedoch unstabil) selbstsicher.

Gerade was die Selbstreflexion angeht, wird es zunehmend schwieriger. An der Hochschule, wo ich jetzt zu unterrichten anfange, haben wir in den letzten 1,5 Jahren angefangen, Kurspatenschaften einzuführen. Das heißt ein älterer Student begleitet einen Kurs ein Semester lang und beantwortet Fragen. Problematisch ist nämlich, dass die Studierenden jünger werden (man beginnt bereits mit 17) und in aller Regel nicht viel über das Studium und das Studieren wissen. Hinzu kommt, dass sie plötzlich einen Haushalt führen müssen... Dazu haben wir sogar ein Programm entwickelt, welches mit Selbstreflexion zu mehr Studienerfolg führen soll und damit den Preis von Future of Education gewonnen - die Kommission fand damals, dass dies wirklich ein Problem der Bildung ist, dass fehlende Reflexion nicht mehr nachgeholt werden kann, da der Input zu groß ist...

Was ich vor Allem noch Problematisch finde: Die Studiengänge sind heute Hochspezialisiert. Man wählt meist ein Fach, welches ein Stecknadelscharfes Gebiet abdeckt. Schnell fühlen sich die Studierenden als richtige Profis darin und wachsen über ihre Kompetenzen heraus. Sie reflektieren nicht, wie schmal und unzureichen die Qualifikation ist. Ich habe auch eine ganze Studie zu dem Thema GenY mitgemacht, die recht klar zeigt, dass über zukünftige Ziele und Pläne ganz große Unsicherheiten herrschen. Und wenn sie an den Punkt kommen, dass sie feststellen, dass ihre Hochspezialisierung nicht passt oder reicht, dann wechseln sie das Fach einfach... man wird heutzutage einfach zu schnell "profi"... und die Vielfalt der Angebote sorgt dafür, dass das so flüchtig bleibt.

Ich kann nur über meine persönlichen Erfahrungen im Erststudium berichten. Hier war es so, dass viele (nicht alle) Studenten, die vom Gymnasium kamen, auf uns Studenten des Zweiten Bildungswegs herabgesehen haben. Auffällig war das z.B. in Referaten, wo manche ehemaligen Gymnasiasten immer wieder auf Stoff des Gymnasiums als Referenz hinwiesen, so nach dem Motto: "Ihr wisst ja alle noch auf dem Gymnasium haben wir das so und so gelernt ....", obwohl sie ganz genau wussten, dass ca. 1/3 der Kommilitonen im Seminar eben nicht auf dem Gymnasium waren und es eigentlich vollkommen unnötig war zu erwähnen, dass man sein Wissen vom Gymnasium hatte.

Es wird so sein, wie überall, die einen, die glauben sie sind was Besseres, weil sie studieren und die anderen Studenten, die ganz normal sind und dir gar nicht wirklich auffallen.

Ich denke das ist 50% zu 50% auch nicht Studierende sind Arrogant, aber was bei Studierenden mehr der Fall ist, dass manche schon vom Elternhaus geprägt werden, nach dem Motto ohne ein Anspruchsvolles Studium bzw. Einem Master bist du nichts in der Gesellschaft, ich würde mir für viele Wünschen, dass Sie ihren eigenen Weg gehen, den auch eine mehrjährige Ausbildung kann zum Erfolg führen, aber das sehen die meisten von heute nicht mehr, da sie meinen müssen sich dem Trend der anderen anzupassen.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Vor 50 Jahren haben maximal 10 Prozent der Schüler eines Jahrgangs Abitur gemacht - jetzt sind es 50 Prozent oder mehr.

Gleichzeitig ist das Abitur immer mehr entwertet worden; die heutigen Abiturienten wissen ganz erheblich weniger als die von vor 50 Jahren. Sie können nicht mehr rechnen, sie kriegen keinen geraden Satz mehr hin, sie kennen sich nicht mehr in Geschichte und Politik aus. Gleichzeitig aber steigt der Notenschnitt immer mehr - eine "1" auch nur in einem Fach war früher eine absolute Seltenheit, heute kann man mit Einser-Abiturienten die Straße pflastern.

Meine Erfahrung ist: Je dümmer ein Student, desto dünkelhafter und arroganter ist er. Das betrifft besonders Massenfächer wie BWL und Jura.

JaniXfX  14.09.2015, 07:29

Oh Mann! Lieber Kanzelparagraph, das klingt aber sehr gekränkt! Und ich musste gerade herzlich lachen... Wie Du so sehr schimpfst! Woher kommt denn Dein Zorn?

Studien zeigen nämlich relativ deutlich, dass Rechenkompetenzen und Co eher zunehmen. Das, was sinkt, sind sozial- und Alltagskompetenzen. Übrigens werden in der Schule wesentlich mehr Inhalte behandelt. So müssen die Schüler bereits Gerinnungskaskaden lernen, die eigentlich erst im Physikum dran waren...

Wo machst Du denn so Erfahrungen mit BWL und Jura-Studenten?

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Kanzelparagraph  15.09.2015, 16:33
@JaniXfX

-- In zwei Teilen, da die zulässige Länge überschritten wird --

Oh Mann! Lieber Kanzelparagraph, das klingt aber sehr gekränkt! (...) Woher kommt denn Dein Zorn?

Du glaubst doch nicht im Ernst, dass mich irgendwelche Arroganzler kränken können, oder? Dummheit und Arroganz stören mich einfach. Wie sagt doch schon der Volksmund? "Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz."

Studien zeigen nämlich relativ deutlich, dass Rechenkompetenzen und Co eher zunehmen. Das, was sinkt, sind sozial- und Alltagskompetenzen. Übrigens werden in der Schule wesentlich mehr Inhalte behandelt. So müssen die Schüler bereits Gerinnungskaskaden lernen, die eigentlich erst im Physikum dran waren...

Da würden Dich aber mal Deine Quellen interessieren - meine besagen nämlich was anderes, meine persönlichen Erfahrungen ebenfalls.

Leider lässt gf nur einen Link pro Beitrag zu, aber Du kannst leicht ergooglen, ob meine Behauptungen stimmen. Zudem kann ich das Thema, schon aus Zeitgründen, nur anreißen.

a) Entwertung des Abiturs - Der Anteil der Abiturienten mit einem Notenschnitt von 1,0 ist in nur sechs Jahren (2006 bis 2012) um mehr als 40 Prozent gestiegen, teilweise sogar noch wesentlich stärker. Von 2002 über 2010 bis 2012 hat sich die Zahl der 1,0er in NRW von 421 über 763 auf fast 1200 erhöht.

Du wertest sowas wahrscheinlich als eine rasante Zunahme der Intelligenz, aber damit stehst Du allein.

b) Zunahme der Rechenkompetenzen - Die Stiftung Rechnen hat einen Test mit 30 Aufgaben durchgeführt. Die Aufgaben waren so angelegt, dass sie mit Mittlerer Reife hätten gelöst werden können. Die Hälfte der Getesteten konnte nicht ausrechnen, wie sich eine geänderte Geschwindigkeit auf die Ankunftszeit eines Autos oder eines Zuges auswirkt, ein Drittel hatte Probleme mit simpler Prozentrechnung. Hauptschüler konnten im Schnitt nur 18 Aufgaben richtig lösen, Mittelschüler 19 und Abiturienten magere 23.

Nach Untersuchungen des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung hat in Mathe lediglich ein Drittel der Oberstufenschüler das Niveau, das die Lehrpläne und die Prüfungsordnungen verlangen. Jeder zweite Realschüler und jeder zehnte Gymnasiast im Alter von 15 Jahren war nicht in der Lage, einen einfachen Text zu verstehen und ihn einigermaßen wiederzugeben. In Mathe und in den Naturwissenschaften haben viele Schüler mit Haupt- und Realschulabschluss(!) nicht einmal die Kenntnisse, die dem Ende der Grundschulzeit(!) entsprechen. Schon seit etlichen Jahren beklagen die Industrie- und Handelskammern, dass angehende Azubis weder lesen noch schreiben noch rechnen können.

Hier ein Artikel aus der "Zeit" über eine brandneue Studie, die zu den gleichen Ergebnissen kommt: http://www.zeit.de/karriere/2015-03/mathematik-abitur-studie-leibniz-institut. Zitat: "Demnach erreichen mehr als zwei Drittel der Hochschulberechtigten nicht das Matheniveau, das am Ende der Schulzeit von ihnen erwartet wird. (...) Nur 31 Prozent der Schüler erreichen die angestrebte "voruniversitäre mathematische Bildung". Die Mehrheit der Schüler schaffte das Matheniveau der Realschule, 28 Prozent der Abiturienten kamen gar über den Kenntnisstand von Klasse sieben oder acht [Anm. von mir: der Realschule!] nicht hinaus."

Jeder vierte Student bricht sein Studium ohne Abschluss ab, bei den Ingenieursstudenten jeder zweite.

Laut einer Studie von Thomas Petersen vom Allensbacher Institut für Demoskopie haben sich bei den Abiturienten die Kenntnisse seit den Siebzigerjahren "dramatisch verschlechtert".

Der Bildungshistoriker Rainer Bölling hat ein Buch mit dem Titel "Eine kleine Geschichte des Abiturs" verfasst. Dort stellt er unter anderem fest, dass heutige Abiturienten deutlich weniger wissen als früher und dass das Leistungsniveau ist in den letzten Jahren ständig gesunken ist. Noch vor wenigen Jahrzehnten hätten die Abiturienten in nur einer Woche sieben Abi-Klausuren schreiben müssen, der Schnitt sei selten besser als 3,0 gewesen.

Was die "Gerinnungskaskaden" angeht - ich bin selbst mal, als Hiwi, in der Ausbildung von Medizinern tätig gewesen. Wegen des hohen Numerus clausus hatte ich erwartet, ich hätte es mit der Elite der Nation zu tun. Tatsächlich traf ich auf unglaublich dumme und arrogante Typen, die alle für Medizin relevanten Fächer (also die Naturwissenschaften) zugunsten von Kunst, Sport, Deutsch und ähnlichen Nullfächern abgewählt hatten und die teilweise die einfachsten Fremdwörter nicht kannten. Ich werde nie den Tag vergessen, an dem mich der Prof - eine Kapazität seines Faches - beiseite nahm mit den Worten: "Wenn die mal fertig sind, dann kann man nur noch im Ausland zum Arzt gehen."

-- Teil zwei folgt --

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Kanzelparagraph  15.09.2015, 16:43
@Kanzelparagraph

-- Teil 2 --

Wo machst Du denn so Erfahrungen mit BWL und Jura-Studenten?

Auch dazu könnte ich Dir eine Menge sagen. Beruflich bedingt kenne ich mehrere hundert Uni-Profs aus allen Fachgebieten persönlich, auch aus BWL und Jura - mal mehr, mal weniger gut. Durch die Bank sagen mir alle, dass der größte Teil der Studenten heute nicht mehr studierfähig sei. Noch für die simpelsten Sachverhalte, deren Kenntnis früher selbstverständlich gewesen sei, müssten aufwändige Einführungskurse abgehalten werden, um die Studenten wenigstens einigermaßen auf ein Niveau zu bringen, mit dem sie dem Unterricht folgen könnten.

So, und jetzt bist Du dran mit Deinen Argumenten.

Besonders interessieren mich natürlich die Studien, von denen Du sprichst. Zitat: "Studien zeigen nämlich relativ deutlich, dass Rechenkompetenzen und Co eher zunehmen. (...) Übrigens werden in der Schule wesentlich mehr Inhalte behandelt."  Also - leg los. Ich bin gespannt.

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Kanzelparagraph  15.09.2015, 16:48
@Kanzelparagraph

Mist, Vertipper.

"Da würden Dich aber mal Deine Quellen interessieren."

Es muss natürlich heissen: "Da würden mich aber mal Deine Quellen interessieren."

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