Wieso in der Schule aufstehen? Lehrer und so.

12 Antworten

ich bin lehrerin und sag immer, wenn ihr es schafft, mich in den nächsten 30 sekunden nach meinem reinkommen in die klasse sitzend und in einiger ruhe und aufmerksamkeit zu willkommnen, ist mir das viel lieber als das etwas entwürdigende aufstehen und strammstehen. das aufstehen als respektsbezeugung bei vorgesetzten, höhergestellten Personen hat eine uralte tradition, die so alt ist, wie die menschheit selbst und hat sich im noch immer mit veralteten traditionen verhafteten schulsystem festgesetzt. aber ich mache oft in überfüllten, unruhigen klassen schon die erfahrung: das "stehen" schafft schneller ruhe als das "sitzen", ist mein letztes mittel, wenn's halt anders nicht geht. was ich gar nicht leiden kann, ist,, wenn lehrer bereits platz genommen haben und die schüler noch stehen lassen.

Dass "man" das müsse, ist eine seltsame Idee von Dir. Schon als ich vor knapp 20 Jahren zur Schule ging, galt das als altbacken und wurde nicht mehr praktiziert.

Das Aufstehen, was Du beschreibst, hat auch weniger mit Respekt zu tun als mit Unterwerfung.

Es ist ein Ritual aus Jahrtausende alter Tradition: wer die Macht hat, sitzt, wer der Macht unterworfen ist, muss stehen.

Wenn man einem Königshof ein Monarch den Saal betrat, dann hatte alles aufzustehen, was eventuell sass (und die Kopfbedeckung abzunehmen und sich zu verneigen, wenn der Monarch vorbei schritt).

Sitzen durfte dann nur der Monarch. Die Sitzgelegenheit in einem Raum, in dem alle anderen stehen müssen, ist der Thron.

Diese Situation hat sich bei uns heute in einigen Bereichen noch erhalten. Du findest das besonders typisch im Gerichtssaal. Da verkörpert der Richter die Macht (des Staates) und ergo haben alle zu einigen Zeitpunkten des Prozesses aufzustehen.

Wer in einer solchen Situation nicht aufsteht, fordert die Macht heraus, weil er verweigert, sich zu unterwerfen. Wer sich unterwirft, zeigt, dass er die Machtstrukturen und die Herrschaft des anderen über sich respektiert.

Wenn in Symbolhandlungen die Unterwerfung verweigert wird, dann müssen die Herrschenden fürchten, dass das weiter geht und sich nicht mehr nur auf Symbole beziehen wird. Es kann der Kern von Ungehorsam sein, dessen Ausmass man noch nicht abschätzen kann. Wenn es viele betrifft, kann Rebellion, Aufstand, daraus werden.

Derjenige, der von Dir das Unterwerfungsritual fordert, ist also überhaupt nicht daran interessiert, ob Du ihn respektierst, im Sinne von wertschätzst. Er will nur sehen, dass Du seine Herrschaft hinnimmst und von Dir kein Risiko des wachsenden Ungehorsams ausgeht.

Verweigerst Du die Unterwerfung, wird Strafe fällig. Im Gericht so z.B. Ordnungshaft oder Zwangsgeld, bei Euch der Eintrag ins Klassenbuch, der natürlich zum Schulverweis führen kann.

Du hast Recht, dass das erzwungen ist. Naja, na und? Herrschaft ist immer Zwang und dem Herrschenden ist es egal, ob er geliebt wird oder nicht, Hauptsache, die Herrschaft bleibt bestehen.

1968 stand in Berlin mal ein linker Demonstrant vor Gericht, der auf die Aufforderung des Richters, sich zu erheben, schelmisch witzelte: "Bitte, wenn es der Rechtsfindung dient...".

Lehrer stehen unter grosser Angst, dass unter den Schülern Unruhen ausbrechen und ihre Autorität heraus gefordert werden könnte.

Dennoch hat sich ab dem Jahre 1968 in Deutschland bei manchen Menschen, auch in höheren Positionen, ein Unbehagen mit solchen Ritualen durchgesetzt, weil sie es undemokratisch empfanden und nicht wie Herrscher vordemokratischer Systeme behandelt werden wollten. Darum haben die wirklich allermeisten Schulen schon vor Jahrzehnten diese Rituale abgeschafft. Wie auch manche demokratischer eingestellte Richter es nicht sehen (wollen) und ignorieren, wenn nicht aufgestanden wird.

Ich bin übrigens kein Lehrer, habe aber schon (ausserschulisch) unterrichtet und auf derlei natürlich verzichtet. Ebenso wie auf Aufzeigen, Aufrufen usw. etc. Und es geht.

DieChemikerin  17.12.2013, 07:25

Eine sehr sehr sehr sehr sehr....sehr gute Antwort! :)

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Eure Aufmerksamkeit soll in diesem Moment, wo der Lehrer den Raum betritt, komplett dem Lehrer gehören. So soll halt für mehr oder weniger für Ruhe gesorgt werden

Hallo Khatrin,

wir hatten mal einen Lehrer, der ist rein gekommen und alle schwiegen. Wir haben uns erhoben, er begrüßte uns, wir begrüßten ihn, setzten uns und schwiegen. Das ist Respekt. Irrationale Autorität ;-D

Der Lehrer möchte in diesem Moment für Ruhe sorgen. Er möchte, dass die Schüler wissen, dass nun der Unterricht beginnt. Würde der Lehrer das nicht tun, würden die Schüler weiter quatschen und der Lehrer müsste zu anderen Maßnehmen greifen (was gar nicht so selten der Fall ist). Wir haben auch Lehrer, bei denen noch einige weiter quatschen wenn wir stehen und der Lehrer erstmal fünf Minuten für Ruhe sorgen muss. Und das kann es ja nicht sein.

Ich hoffe ich konnte helfen.

lg ShD

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Angehende Lehrkraft mit abgeschlossenem Masterstudium

spätestens durch den lärm, der beim aufstehen entsteht, sollte auch der letzte verpennte schüler wach werden. insofern ist das eine ganz gute kontrolle, ob der unterricht beginnen kann. angesichts der vielen übergewichtigen jungen menschen, die mir täglich begegnen, kann ich nur noch darauf hinweisen, dass JEDE art von bewegung gesund ist!