Wieso haben die Menschen so einen enorm großen Hunger nach technischem Fortschitt und nach Veränderungen?

5 Antworten

Weil man ihnen das antrainiert hat. In den 1700er Jahren war es normal, dass vielleicht ein bis zwei große Veränderungen im Leben stattfanden (von denen man persönlich etwas mitbekommen hat), in den 1800er Jahren zog das schon stark an, aber viel im eigenen Leben bleib grundsätzlich gleich, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es einige große Veränderungen (Autos, Flugzeuge), von denen aber viele nicht direkt betroffen waren, in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es immer mehr Veränderungen (Telefone, Plattenspieler, Kassenspieler, CD-Spieler etc.), von denen immer mehr Menschen betroffen waren und ab 2000 wurde einem per Werbung anerzogen, dass man noch funktionierende Geräte immer schneller durch minimale Updates ersetzen sollte, weil das Design etc. uncool wurde und man sich damit jetzt nicht mehr sehen lassen konnte.

Das ist mMn eine größtenteils durch Werbung und dann auch gesellschaftliche Reaktionen anerzogene Haltung.

Der Hunger kommt also nicht unbedingt von alleine.

Frage mal deine Urgroßeltern, wie lange sie bspw. Kleidung verwendet haben und wie lange sie die geflickt haben. Und dann frage deine Großeltern, Eltern und dann deine Freunde. Deine Freunde wären wirklich entsetzt, wenn man ihnen sagen würde, dass sie bestimmte Kleidungsstücke wie deine Urgroßeltern ein Leben lang tragen sollten, solange sie passen. Nicht, weil die Kleidung dann verschlissen wäre, sondern weil schon in 2 Jahren viele nicht mehr modern wäre, ganz zu schweigen von 5, 10, 20, 40, 60 Jahren.

Es gibt Gegenströmungen, bspw. Minimalismus. Nichts Unnötiges kaufen. Damit muss man jedes Mal überlegen, ob man dieses Sache wirklich ERSETZEN muss und möchte, nicht, ob man jetzt etwas Neues möchte und schon gar nicht, was andere denken, wenn man immer noch das Alte nutzt.

Würden immer mehr Menschen einfach mal 5 Jahre eine Challenge leben, bei der nur ersetzt wird, was nicht mehr zu reparieren ist oder was man zwingend (Beruf etc.) neu braucht, ginge vermutlich auch der Technikhunger zurück. Gäbe es einen Trend, stolz zu sein, wenn man Geräte wie Smartphones oder Kameras möglichst lange nutzen würde, hätten viele nicht mehr dieses Gefühl, etwas ersetzen zu müssen, weil die Bezeichnung ihres Gerätes (iPhone 8 etc.) schon ein paar Gerätegenerationen alt ist.

Minimalisten sind stolz, wenn sie ein Jahr nichts Neues kaufen (außer dem Lebensnotwendigen), wenn sie nur 20 Kleidungsstücke im Kleiderschrank haben, wenn sie nur ein Gerät nutzen statt 5. Wäre das ein übergreifender Trend, würden die meisten Menschen nach einiger Zeit diesen Technik- und Modehunger gar nicht mehr verstehen.

Schon die Challenge, sich ein Jahr lang nichts Unnötiges zu kaufen, von einem Weihnachten zum nächsten z.B., könnte dazu führen, dass man merkt, wie vieles man nicht braucht oder wie vieles einen nur kurze Zeit glücklich macht. Nach einer langen Zeit des "Schmerzes" natürlich, in der man es kaum aushält, nicht wie gewohnt etwas Neues kaufen zu können.

Alternative Challenge: Bestandsaufnahme der Geräte und Festlegen für jedes Gerät, wann es frühestens ersetzt werden darf, falls es nicht vorher kaputt geht. Oder wirklich mal zu warten, wann es nicht mehr zu gebrauchen ist. Das ist bei den meisten Geräten deutlich später, als man sie ersetzen würde.

Es hilft eine Umgebung, die einem dafür kein schlechtes Gewissen einredet.

Aber man muss sich ja auch fragen: WARUM bin ich denn stolz, bspw. das neuste iPhone zu haben und nicht das Modell von vor 5 Jahren? Warum sage ich das anderen? Schaue ich das Phone oft an und freue mich oder ist es nur eine Art Überlegenheitsgefühl oder das Gefühl, mit bestimmten Menschen mithalten zu können?

Mir ist das damals im Kameraforum aufgefallen. Ich hatte eine gute Kamera, las dann aber ständig, das ein bestimmtes Modell so viel besser wäre, jeder, der es hatte, so begeistert war und kaufte das dann. Und nach einiger Zeit kaufte ich das direkte Nachfolgermodell dieser Kamera. Ich bin immer noch mit allen drei Kameras glücklich - eine ist inzwischen gut 10 Jahre alt! - aber gerade die beiden direkten Nachfolgermodelle unterscheiden sich kaum und ohne Forum hätte ich die zweite Kamera nicht gekauft. Mir wurde (nur durch die Diskussion anderer, ohne, dass ich direkt beteiligt war) eingeredet, dass dieses Nachfogermodell mir sooo viel bessere Möglichkeiten geben würde. Später kam dann die Diskussion auf, ob man jetzt auf Vorrat kaufen sollte, weil vielleicht diese Kameras in ein paar Jahren nicht mehr hergestellt würden. Also überlegte man ernsthaft, ob man Geld ausgeben sollte, für etwas, das man heute noch gar nicht braucht, falls es in 3 bis 5 Jahren nicht mehr zu kaufen wäre.

Dabei dürfte es doch eher so sein, dass es dann, wenn bspw. meine Kamereras unbrauchbar sind, neue Modelle gibt, die ich kaufen kann. Ja, es bleibt die leise Angst, dass dann all meine Objektive an diesen nicht mehr funktionieren, aber für diese Angst wäre es trotzdem unsinnig, sich jetzt schon unnötige neue Kameras zu kaufen!

"Die" Menschen eher nicht. Manche sträuben sich dagegen, manche akzeptieren sie, ohne besonders großen Hunger danach, einfach nur weil Veränderung als selbstverständlich hingenommen wird.

Die Gruppe, die du beschreibst, also auch viele der "early adopters", weil sie durch neue und dazugekommene Veränderungen fasziniert sind, oder nicht zufrieden mit dem, was ihnen bisher geboten wird, oder gelangweilt damit, oder weil ihr Interesse daran oder Hoffnung auf interessante neue Möglichkeiten durch Weiterentwicklung neu angefacht wird.

Haben sie das?

In Deutschland haben die Leute das definitiv nicht. Sie scheuen jegliche neue Technologie, hetzen und ätzen dagegen, nutzen noch lange die alte weiter.


SoGesehenGut 
Fragesteller
 23.04.2023, 13:30

Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit

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NAFOfella  23.04.2023, 13:33
@SoGesehenGut

Gilt in Deutschland leider nicht. Allein die Anzahl der Geschäfte, welche nur Bargeld akzeptieren, ist erschreckend hoch. Dinge werden per Post und Fax(!) gemacht usw.

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Bei mir ist es die pure neugier, was noch alles möglich ist und welche großen Fragen hoffentlich alles beantwortet werden können.

Weil die menschliche Spezies Entdecker sind. Eines Tages haben wir auch fremde Planeten besiedelt.