Wie kommt man heraus? Was ist dann?
Für mich ist weniger die spannende Frage, wie man hinein gerät. Sinnsuche und der Griff nach einem Strohhalm, das kann jedem denke ich passieren.
Das, was ich bislang über Scientology gehört habe ist, dass die sich sehr viel Mühe geben, ihre Mitglieder lange an sich zu binden. Gerüchten zufolge wird sogar mit Gehirnwäsche gearbeitet und Androhung von extrem negativen Konsequenzen, sollte man vorhaben, die Organisation zu verlassen.
Mit diesem Bild von der Sekte frage ich mich, wie es dir gelungen ist. Hattest du Helfer? Was wäre gewesen, hätten die nicht kooperiert? Warst du danach in ein Loch gefallen? Hattest du nach dem Ausstieg noch Kontakt zu jemanden? Wie hast du neue Kontakte gefunden? Oder hast du auf Kontakte vor der Scientologyzeit zurück gegriffen?
Klammerst du dich noch an manchen Gedanken der Organisation, weil du sie nicht abschütteln kannst oder hast du versucht, über Reflexion das Gute vom Schlechten zu trennen? Wie kann man sich sicher sein, dass man sich selbst dabei nichts vormacht? Oder checkst du das Denken der Organisation mit alten Freunden und Verwandten ab, ob sie diese als kritisch bewerten?
1 Antwort
Das normale zahlende Mitglied geht einfach nicht mehr hin. Es ist normal, dass sich Scientologen längerer Zeit nicht in einer Scientology-Organisation blicken lassen – normalerweise, weil sie erst einmal wieder Geld verdienen müssen, um sich die nächsten Services leisten zu können, in einigen Fällen aber auch, weil die Gewinne der letzten Services oder der letzten Aktion erst einmal „sacken“ müssen.
Wenn sie sich entschließen, überhaupt nicht mehr aufzutauchen, also der Scientology den Rücken zu kehren, zieht das keine negativen Konsequenzen nach sich; es fällt noch nicht einmal wirklich auf. Sie bekommen weiter Post und Anrufe von der Scientology-Kirche, aber die Telefonnummer kann man wechseln und Post lässt sich leicht entsorgen.
Erst, wenn ein Scientologe seinen Austritt öffentlich bekannt gibt, wird er zur „unterdrückerischen Person“ erklärt. Das heißt, dass Scientologen den Kontakt zum Aussteiger abbrechen müssen, auch wenn es sich um Familienmitglieder handelt. Je nachdem, welchen Wirbel man um seinen Ausstieg macht, könnte die Scientology-Kirche auch mit dem sogenannten Fairgame reagieren. Das heißt: Sie macht den Kritiker irgendwie das Leben zur Hölle.
Das, was ich bislang über Scientology gehört habe ist, dass die sich sehr viel Mühe geben, ihre Mitglieder lange an sich zu binden.
Das kann ich so nicht bestätigen. Natürlich versucht die Scientology-Kirche, ihre Kunden zu behalten. Insbesondere werden die Adressen der Kunden nur in Extremfällen, wenn die Kunden zur unterdrückerischen Person erklärt wurden, von der Versandliste entfernt. Sie hat aber auch kein Problem damit, loyale Scientologen regelrecht aus Scientology rauszuekeln, wenn diese der Scientology-Kirche zu unbequem werden. Prominentestes Beispiel wäre Leah Remini.
Zu meinem eigenen Ausstieg: Nach einer längst vergessen geglaubten zivilrechtlichen Auseinandersetzung musste ich die Sea Org kurzzeitig verlassen, um Geld zur Begleichung einer alten Schuld zu verdienen. Die Scientology-Kirche wusste davon, hatte jedoch keine Erlaubnis gegeben, dass ich den Sea-Org-Stützpunkt in Kopenhagen verlassen dürfe. Ich tat es ohne Erlaubnis, blieb aber mit einer Kontaktperson in Verbindung. Als wenig später alles in Butter war, konnte ich mich mit der Kontaktperson nicht um die Bedingungen meiner Rückkehr einigen. Sie wollte Scientology-interne Rechtsmaßnahmen gegen mich, ich wollte völlige „Straffreiheit“ innerhalb der Scientology-Kirche, auf der Basis, dass ich mich in jeder Beziehung strengstens an Scientology-Richtlinien gehalten hatte. Auch mein unerlaubtes Entfernen vom Sea-Org-Stützpunkt geschah gänzlich unter Beachtung der einschlägigen Scientology-Richtlinien. Die Schriften der Scientology sind für die verbleibenden Mitglieder jedoch über die Jahre nahezu bedeutungslos geworden, was mit jenem letzten Vorfall noch einmal unterstrichen wurde. Ich ging ins Internet, stieß auf Berichte anderer Aussteiger und erkannte, dass innerhalb der Scientology-Kirche nichts mehr zu retten war. Somit gab ich meinen Ausstieg bekannt.
Klammerst du dich noch an manchen Gedanken der Organisation ...
Ich glaube, ich konnte jederzeit gut und schlecht voneinander unterscheiden. Ich praktiziere weiterhin Scientology. Insbesondere auditiere ich mittlerweile solo auf den Fortgeschrittenen Stufen. Der wesentliche Grund für meinen Ausstieg war, dass die Scientology-Kirche nicht mehr Scientology praktiziert.
Ich hoffe du erkennst, dass sich der "Ex"-Scientologe hier oft gewaltig widerspricht - schön verpackt in vielen Worten und auf mehrere Antworten innerhalb mehrerer Fragen verteilt - was es dem Leser relativ schwer macht, einen Zusammenhang zu erkennen.
Er schreibt:
Das normale zahlende Mitglied geht einfach nicht mehr hin.
Wenn sie sich entschließen, überhaupt nicht mehr aufzutauchen, also der Scientology den Rücken zu kehren, zieht das keine negativen Konsequenzen nach sich; es fällt noch nicht einmal wirklich auf.
...und gleichzeitig schreibt er:
Sie bekommen weiter Post und Anrufe von der Scientology-Kirche, aber die Telefonnummer kann man wechseln und Post lässt sich leicht entsorgen.
...was folgendes impliziert: Selbst, wenn man sich NICHT öffentlich dazu äussert, dürften die Telefonanrufe derart penetrant sein, dass man besser die Nummer wechselt. Ganz nebenbei: Ohne Garant auf Erfolg, denn eine solche neue Nummer ist leicht raus zu kriegen.
Bei seinem eigenen Ausstieg resp. dem Weggang aus der SeaOrg schreibt er:
Ich tat es ohne Erlaubnis,...
...und weiter für eine geplante Rückkehr:
...Sie wollte Scientology-interne Rechtsmaßnahmen gegen mich, ich wollte völlige „Straffreiheit“ innerhalb der Scientology-Kirche,...
...und gibt damit bekannt, dass man innerhalb einer "Kirche" in Form von Bestrafungen durch Ethikoffiziere resp. Überprüfungen durch den eigenen Geheimdienst OSA bespitzelt und auseinander genommen wird.
Bezogen auf das "einfach nicht mehr hingehen" und "seinen Austritt öffentlich machen" weise ich auf ein witziges Detail hin: Wer es also öffentlich macht, dem macht man das Leben zur Hölle. Er HAT es öffentlich gemacht - und hat scheinbar keine Probleme damit. Ergo: Entweder ist das, was er schreibt, Mumpitz oder er hat sich nie anständig von der "Kirche" distanziert - was aufgrund seiner Antworten in anderen Fragen eher der Fall sein dürfte.
Zudem schreibt er folgendes:
Der wesentliche Grund für meinen Ausstieg war, dass die Scientology-Kirche nicht mehr Scientology praktiziert.
Was soll denn das bedeuten? Scientology pflegte bereits in den 70ger Jahren den Aufbau der OSA, damals noch unter anderem Namen, unterwanderte in den USA Regierungs- und Richterämter und sammelte massive Daten über die Mitglieder, um sie im Streitfall persönlich drangsalieren und nötigenfalls verklagen zu können. Das IST Scientology. Es ist Scientology, wie sie es schon immer war. Und sie ist es auch heute noch. Sie steht nach wie vor im Sinne ihres Gründers und wurde nie anders "gehandhabt", wie die Mitglieder das Erledigen von Dingen so schön nennen. Hier zu schreiben, Scientology würde nicht mehr Scientology praktizieren, ist einfach falsch. Sie tut heute noch genau das, was sie vor 50 Jahren schon tat. anderes zu behaupten ist Augenwischerei.
Auch spannend ist die Antwort auf eine Frage, bei welcher der User wissen wollte, was das schrägste war, dass der Antwortgeber jemals erlebt hätte. Er schilderte eine Situation, bei welcher es um Übersetzungen diverser Homepages mit Nebenprojekten der Sekte ging, wobei der grösste Teil dieser Homepages den Namen Scientology nicht auswiesen. Er vermerkt in seiner Antwort, er habe diese Sache weitergegeben, damit Scientology - seiner Ansicht nach - einen Nutzen aus der Sache ziehen könnte. Das führte für ihn zu erheblichen Problemen.
Nun: Scientology ZOG Nutzen aus den Seitenprojekten, ohne den eignen Namen zu erwähnen. Spannend wäre hier, wieso sich die Sekte weigerte, das Ganze unter Scientology laufen zu lassen. Und darüber wird sich dann wieder ausgeschwiegen. Der Grund ist einfach: Nachhilfe für Kinder, Hetze gegen die Psychiatrie, Anti-Drogen-Kampagnen - alles das hatte inhaltlich mit den Titeln nie etwas zu tun (und hat es bis heute nicht ganz nebenbei). Es hatte nur einen Zweck zu erfüllen: Die Interessenten direkt in die Auditings und in die Lehre von Scientology zu locken, ohne, dass man vorher wusste, mit wem man es zu tun hatte. Die Gründe DAFÜR liegen auf der Hand. Der Ruf dieser Gruppe hatte bereits derart gelitten, dass man eine Verbindung zu Scientology tunlichst verdecken wollte in der Hoffnung, dass danach noch ein paar anbeissen. DAS ist Scientology. Damals wie heute.
Ich sehe zwar nicht, wie der Vorschlag, Telefonanrufe mit dem Wechsel der Telefonnummer entgegnen zu können eine Penetranz impliziert. Es hätte auch sein können, dass er dazu Stellung nehmen will, wie man sich dem vollkommen entziehen kann.
Aber du scheinst da selbst einiges an Insiderwissen zu haben, welches du in den Kommentar eingebracht hast. Für dich erscheint es demnach logisch und eindeutig.
Hier zu schreiben, Scientology würde nicht mehr Scientology praktizieren, ist einfach falsch.
Das solltest du mit dem Kandidaten besprechen. Was soll ich schon dazu sagen können? Ich bin doch nur der, der die Frage gestellt hat.
Ich habe es so verstanden, dass es so etwas wie eine Urschrift gibt, aber diese stark interpretiert gelebt wird oder sich eben das heraus gepickt wird, nach dem man leben möchte. Das erinnerte mich an religiöse Diskussionen.
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Das Scientology viele subtile Wege einschlägt, wird der Experte sicherlich nicht leugnen.
Ich hoffe nicht, dass mein Kommentar als Angriff Dir gegenüber gewertet wurde. Falls doch: Sorry, das wäre in keinem Fall die Absicht gewesen.
Danke abermals für die ausführliche Antwort.
Ich hoffe dann für dich, dass du nicht zum Querulanten erklärt wirst, dem das Leben außerhalb von Scientology erschwert wird, immerhin hast du ja öffentlich den Austritt bekannt gegeben und dieser Blickwechsel verbreitet die Tatsache noch weiter.