Wie kommt es das in Japan die Arbeitswelt sehr streng ist?

4 Antworten

In Japan ist es unüblich dass ein Angestellter vor seinem Chef Feierabend macht. Auch wenn man um eine bestimmte Uhrzeit offiziell gehen darf, macht das niemand da man sozial im Beruf geächtet wird (was für Japaner schlimmer ist eigene Rechte zu verlieren) die Leute kommen daher später in den Feierabend.

dazu kommt noch dass die Japaner sich generell nicht durchsetzen wollen, da das Interesse des einzelnen hinter den Interessenten der Gruppe/der Autorität steht. Wenn man dann ne Menge Arbeit aufgebrummt kriegt dann muss man es schaffen, sonst macht man eben Überstunden anstatt sich zu beschweren und zu fragen ob man die Aufgaben besser auf die Gruppe aufteilen kann.

Es gibt viele dolus über Karoshi (übersetzt: Tod durch Arbeit), wird dann genauer erklärt wie dort die Arbeitswelt tickt

Kawaraban  24.04.2022, 04:53

Das ist alles andere als üblich. Es ist ganz normal, dass die Angestellten auch vorm Chef gehen. Die 80er sind nämlich schon seit einer Weile vorbei.

Diese Dokus erzählen dir nicht, wie die Arbeitswelt in Japan tickt. Sie erzählen dir, wie die spannenden Ausläufer ticken. Zwar gibt es Karoshi in Japan (so wie auch im gesamten Rest der Welt), aber das ist keine Norm, wie es einem alle immer weiß machen wollen.

Diese Ausläufer, auf die sich Dokus immer stürzen, zeigen nunmal nur diese Ausläufer und wirklich nie, wie es in Japan wirklich zugeht. Die Hälfte hier arbeitet zwischen 35 und 49 Stunden pro Woche. Überstunden sind in den letzten Jahren stark gesunken. Durchschnitt in Deutschland sind 43 Stunden pro Woche. "Japaner arbeiten nur ein bisschen mehr als Deutsche" klickt sich nur einfach nicht so gut.

Extreme Arbeitszeiten von bis zu 60 Stunden oder mehr pro Woche machen nur 30 Prozent.

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Woher es kommt, schlicht und ergreifend Arbeitstüchtigkeit. Und darauf hatte Japan nicht mal ein Monopol, u. a. auch den Deutschen war mal viel Disziplin nachgesagt worden. „Preußischer Drill“, „die fleißigen Schwaben“.... Die Schweiz kennt zum Beispiel heute 42-Stunden-Wochen....

Der Unterschied ist nun, dass sich das in Japan nicht in dem gleichen Ausmaß im Laufe der Zeit verändert wie woanders, wo man erkannt hat, dass eine Work-Life-Balance nicht nur glücklicher und resilienter macht, sondern auch den Konsum ankurbelt und die Produktivität vereinzelt sogar zu steigern vermag. All diese Argumente setzen sich leider nur sehr langsam im Denken der Japaner durch. Mein eigenes Fazit ist, dass die gesetzlichen Bestimmungen und die Unternehmensregeln meist eigentlich gar nicht so schlecht sind, aber paradoxerweise die Arbeitnehmer ihre Rechte nicht wahrnehmen. Wievielen Teamkollegen ich schon tief in die Augen geschaut und gesagt habe, dass es wirklich, wirklich, WIRKLICH kein Problem ist, wenn sie sich mal nicht einen freistehenden Werktag, sondern mal zwei, drei, vier Werktage um ein Wochenende herum freinehmen, weil ich a) ihre Vertretung genauso schaffe wie sie meine schaffen, wenn ich mir entsprechend freinehme, ich b) das auch schon zig mal gemacht habe (halt in Deutschland), und c) selbst wenn dann irgendwas schlimmes passiert, ich total überfordert bin oder was auch immer bin, ich niemals ihnen die Schuld daran geben würde, sondern immer dem Management, dass dafür zu sorgen hat, dass Arbeit gut verteilt wird. Aber die meisten lächeln und sagen „danke“ und nehmen dann doch wieder nur „Mittwoch Nachmittag frei, aber ab 18 Uhr kann ich dann nochmal kurz e-Mails prüfen“.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Lebe und arbeite seit 2017 in Japan

Im allgemeinen ist Japan durch starke hierarchische Strukturen geprägt und Gemeinschaft aber auch Konformität wird großgeschrieben. Während es in Deutschland mehr Einzelkämpfer gibt und vielleicht die Meinung der anderen nicht ganz so ernst und wichtig genommen wird.

Auch ist der Anteil weiblicher Mitarbeiterinnen in Japan deutlich geringer. Nur 24,7% waren 2018 in einem regulären Arbeitsverhältnis, andere sind in Niedriglohn Berufen oder in Teilzeit aber zum Glück zeichnet sich ein positiver Trend ab.

Als ich in Kyoto gearbeitet hatte, fand ich es gar nicht sooo streng, liegt also wohl auch an Tokyo. Außerdem sind Firmen mit internationaler Erfahrung etwas weltoffener. Aber die einzige Frau in meiner Abteilung hat bestimmt doppelt so hart gearbeitet und ich hatte nicht den Eindruck, dass sie glücklich ist.

Trotzdem fand ich die japanischen Firmen sehr weitblickend und zukunftsorientiert, was deren Entwicklungen angeht.

Aber manche Mitarbeiter fand ich nicht besonders effektiv. Manchmal hatte ich den Eindruck, die sitzen ihre Zeit ab. Andererseits wurden die Kunden viel mehr in die Planung eingebunden. Was vielleicht verhindert in die falsche Richtung zu arbeiten.

Einige Mitarbeiter sind trotzdem früh nach Hause gegangen, wenn sie Termine beim Sportclub oder Verein hatten oder wichtige private Termine.

Ich persönlich fand es eigentlich ganz unterhaltsam abends mit KollegInnen auszugehen. Für die Ehefrauen zuhause war es aber vermutlich eher langweilig.

Was ich aber krass finde, ist dass ich gelesen habe, dass in Japan auch 30 Tage Urlaub üblich sind, viele aber nur 10 in Anspruch nehmen. Da wundert mich ehrlich gesagt dann nicht, dass es zu Burnout kommt.

Tatsache ist jedoch, dass ich in Deutschland auch viele strenge Firmen erlebt habe und dass diese Suche nach Schuldigen, Fehlern und Verantwortlichen den Spaß an der Arbeit vermiest. Und damit auch die MitarbeiterInnen nicht mehr motiviert arbeiten. Hoffentlich bessert sich das in Zukunft und hoffentlich wird Arbeit bald wieder so entlohnt, wie man es durch seinen Einsatz verdient hätte.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Klischees tragen eine ganze Menge dazu bei. Weil deine Vermutung lässt sich eher auf Hörensagen zurückführen und veraltete Aussagen. Die die Leute jetzt leider auch in diesem Thread hier wiederholen. Die meisten sehen sich die aktuelle Situation gar nicht an, sondern gehen davon aus, dass sich in Japan seit über 50 Jahren nichts geändert hat.

Japan hat die letzten Jahre heftig in Sachen Überstunden abgebaut. In Kanada und den USA etwa arbeiten die Leute viel mehr.

https://data.oecd.org/emp/hours-worked.htm

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Japanologie studiert und nach Japan ausgewandert
tommy1T  24.04.2022, 02:46

du solltest ein video machen wo du japaner interviewst und fragst, ob sie denken, dass man in japan zu viel arbeitet

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Kawaraban  24.04.2022, 04:48
@tommy1T

Wäre in der Tat eine Idee. Ich glaub aber erstmal mach ich eins, wo ich das mal etwas genauer durchgehe. Wieso sind die Arbeitszahlen gesunken? Wie viele Japaner arbeiten wirklich noch so viel, wie man es hört?

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