Welche Strategien fallen euch auf Ebene des Unterrichts und auf Ebene der Schulstruktur ein, um der bestehenden Bildungsungleichheit zu begegnen?

2 Antworten

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Wenn man Bildung verschenkt, hat niemand eine Chance. Eine Niveau-Senkung ist also keine Option. Wenn man Bildung als Angebot formuliert, werden sich Bequeme naturgemäß darum drücken und so wenig Bildung erlangen. Bildung muss also eine Forderung sein, die man fördert. Je später man anfängt, desto schlechter wird das Ergebnis. Kleine Kinder möchten lernen, große möchten es lieber bequem. Es liegt auch nicht an den Methoden, weil dies nur Tricks sind, um über die Anstrengung des Lernens zu täuschen. Heute lernen Schulkinder weniger obwohl sie mehr Möglichkeiten hätten viel zu lernen. Die Lernzeit wird verspielt (im Sinne des Wortes und im übertragenen Sinn). Diese verlorene Lernzeit kann man nicht nachholen. Schule kann aber mit den medialen Angeboten und Ablenkungen der Freizeitgesellschaft nie mithalten und darf daher auch nicht mit ihr konkurrieren wollen. Kreativität wird auch nicht größer, wenn man alles "ausprobieren" lassen will. Dazu reicht die Zeit nicht. Im Gegenteil: Das kreative Potential wird größer, je mehr verschiedene Dinge man kann und weiß, also gelernt hat. Erst dann kann man kombinieren und neue Aspekte entdecken. Bildung ist auch kein Wunschpunsch einer Ideologie, welche im Abitur für alle eine Form der Gerechtigkeit sehen möchte. Gerechtigkeit ist nicht Gleichmacherei von Dummen, denn nicht jeder kann alles, schon deshalb, weil nicht alle das Gleiche wollen und dazu in der Lage sind, also können. Gerechtigkeit kann hier nur die Chancenoffenheit sein, die es tatsächlich vor etwa 50 Jahren gab, wo jeder der wollte und konnte die Chance hatte dies durch Anstrengung auch zu erreichen. Heute soll dies quasi von selbst gehen, was lernpsychologischer Nonsens ist.

Daraus ergeben sich diverse Forderungen...

Lerninhalte sind kein Angebot, sondern eine Notwendigkeit, die eingefordert wird.
Defizite müssen früh entdeckt werden. Dazu braucht man verpflichtendes Durchlaufen des Kindergartens mit Fördergruppen zur Beseitigung dieser Defizite.
In der Grundschule werden die Lerninhalte geübt und nicht erspielt und nochmal erspielt und nochmal erspielt. Es werden die Grundvoraussetzungen geschaffen (nicht angelegt) für richtiges Schreiben und Rechnen. Eine Fremdsprache an der Grundschule ist vertane Zeit, da in den weiterführenden Schulen die Mängel erst langwierig korrigiert werden müssen, so dass die Lernzeit doppelt fehlt.
Tests, Klassenarbeiten haben diagnostische Relevanz. Sie zeigen, wo die Lernenden stehen und sind Indikatoren für Fortschritt, Erfolg oder Probleme. Wenn sie jedoch nicht zu den Leistungsindikatoren im Schuljahr gewertet werden dürfen, sind sie als Instrument im Ansatz wertlos, da sie weder von den Unterrichtenden, noch von den Lernern ernst genommen werden und auch nicht als wertvoll erkennbar sind. Werden sie gar überregional ersonnen und ausgewertet, kommen die Ergebnisse nicht zeitnah, so dass ihr diagnostischer Wert völlig ins Leere läuft und alle "Mühe" umsonst war. Diese Kosten könnte man sinnvoller einsetzen.
Lernen ist wie der Spracherwerb mit den Eltern ein sozialer Akt zwischen Lerner und Unterrichtendem. Dies kann man nicht entpersonalisieren und durch Video, billiger Simulation per Tablet oder gar individuelle Recherche ersetzen. Natürlich können aktivierende Methoden den frontalen Unterricht bereichern und abwechslungsreicher machen. Die Kunst des Lehrens ist es aber nicht, wenn nur so agiert wird. Digitalisierung ist also nicht das Zauberwort, das Unterricht gelingen und Bildung vermitteln kann. Unterricht besteht in der Zugewandtheit durch den Lehrenden zum Lernenden. Letztere müssen sich verstanden, wertgeschätzt und angenommen fühlen können, damit der Lernakt gelingt. Der Unterrichtende muss also sein Fach perfekt beherrschen und davon fasziniert sein, seine Lerner mögen, Ablenkungen und Abschweifungen vermeiden, alle Lerner im Blick haben, auf Störungen schnell und angemessen reagieren, gerecht beurteilen, bei Fragen wirklich verstehen, wo das Problem liegt und bei all dem Stress freundlich und ausgeglichen bleiben. Das ist nicht einfach... Es gelingt um so besser, je homogener die Lerngruppe ist, wobei auch der Lernerfolg maximiert wird. Inhomogene Gruppen führen zu bleibenden Defiziten, entmotivierenden Diskriminierungen und schleppendem Fortschritt. Die Vereinzelung des Lernens zerstört zudem soziale Gruppendynamik und endlose Zettelausfüllerei führt zu Langeweile und Lernverweigerung. Die Bildung bleibt so auf der Strecke.

> um der bestehenden Bildungsungleichheit zu begegnen?

Vielleicht erstmal festlegen, welche Art der Ungleichheit bekämpft werden soll.

Unterschiedliche Begabung? Es ist nunmal nicht jeder zum Genie geboren, das kann man nicht bekämpfen. Man kann natürlich das Niveau so lange senken, bis jeder mitkommt und auch das Genie entnervt aufgibt. Sinnvoller wäre IMO, auch den geistig Schwachen einen passenden Beruf anzubieten.

Unterschiedliche Finanzkraft der Eltern? Das wollen die Wähler mehrheitlich (gemessen an der Höhe ihrer Parteispenden) nicht ausgleichen. Ein Laptop für jeden Schüler wäre ein guter Anfang. Aber dass die einen sich Nachhilfeunterricht leisten können und die anderen nicht ist im Kapitalismus nicht zu vermeiden.

Unterschiedliche Förderung im Elternhaus? Verpflichtender Kindergarten zwecks Spracherwerb wäre eine Möglichkeit. Aber Du kannst weder die Bildungsbürger daran hindern, ihre Kinder zu fördern, noch kannst Du die bildungsfernen Eltern dazu verpflichten.

Unterschiedlicher Lernwille der Kinder? Es gibt Schüler, die nehmen die Schule als Lernangebot wahr, und andere, die sitzen nur ihre Zeit ab. Da sehe ich höchstens die Möglichkeit, letztere daran zu hindern, den Unterricht zu stören. Vielleicht die Prügelstrafe wieder einführen?

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung