was versteht man unter Geheimsprache in Arbeitszeugnissen?

3 Antworten

Na ja, eine Geheimsprache ist das eigentlich nicht. Jeder, der sich damit befasst, versteht sie.

Da Arbeitszeugnisse nicht nur wahr, sondern auch wohlwollend formuliert sein muessen, werden Negativmerkmale durch eine steigerungsfaehige Bescheinigung des gegenteiligen Positivmerkmals ausgedrueckt oder das betreffende Merkmal wird ueberhaupt nicht erwaehnt. So drueckt beispielsweise das Wort "Zufriedenheit" fuer sich allein eben nur Zufriedenheit aus und nicht mehr. War der Arbeitgeber mehr als nur gerade mal so zufrieden, wird er das durch eine entsprechende Steigerung ausdruecken. Beispielsweise eine "ausserordentliche" Zufriedenheit ist deutlich mehr als einfach nur eine "Zufriedenheit". Eine weitere Steigerung kann dann durch das Wort "stets" oder einer Entsprechung erfolgen. Eine "stets ausserordentliche Zufriedenheit" ist mehr als eine "ausserordentliche" und eine "ausserordentliche Zufriedenheit" ist mehr als einfach nur eine "Zufriedenheit" (die dann auch eine ziemlich schlechte Bewertung waere).

Weiterhin kann man durch eine besondere Betonung von Selbstverstaendlichkeiten (Ehrlichkeit, Puenktlichkeit u.s.w.) ausdruecken, dass sonst nicht viel mit dem Arbeitnehmer los war oder ist. Aber aufgepasst: Bei Taetigkeiten mit Kassenverantwortung muss die Ehrlichkeit unbedingt im Zeugnis bestaetigt werden. Wird sie das nicht, ist davon auszugehen, dass da was nicht gestimmt hat.

Im Grunde ist das, was nicht im Zeugnis steht, mindestens ebenso wichtig wie das, was drin steht. Wird dem Arbeitnehmer beispielsweise nicht fuer seine Leistungen gedankt, heisst das, dass es nichts gab, wofuer man sich bedanken koennte. Wird das Ausscheiden nicht bedauert, ist der Arbeitgeber froh, dass er den Arbeitnehmer los ist. Wird nur fuer die Zukunft viel Erfolg gewuenscht, also ohne das Wort "weiterhin" oder eine Entsprechung, bedeutet dies, dass im betreffenden Arbeitsverhaeltnis keine nennenswerten Erfolge erzielt wurden.

Dann gibt es manchmal auch noch das "Wegloben". Wenn ein Zeugnis ausschliesslich nicht mehr steigerungsfaehige Spitzenbewertungen enthaelt, kann das schnell bedeuten, dass da nichts von stimmt. Einen absolut perfekten Arbeitsnehmer ohne jeglichen Makel gibt es nicht. Fehlt in einem solchen Zeugnis dann auch noch die Dankes- oder/und die Bedauernsfloskel, ist die Sache endgueltig klar.

Allerdings muss man auch darauf achten, wer das Zeugnis geschrieben hat. Bei einem kleinen 3 Mann Betrieb wird man es anders lesen als bei einem grossen Konzern mit einer im Zeugnisschreiben geuebten Personalabteilung.

Er bemühte sich, den Anforderungen gerecht zu werden = Guter Wille war vorhanden, mehr aber nicht
Er erledigte alle Arbeiten mit großem Fleiß und Interesse = Er war eifrig, aber erfolglos
Er zeigte für seine Arbeit Verständnis = Er war faul und hat nichts geleistet
Er hat sich im Rahmen seiner Fähigkeiten eingesetzt = Er bot eine äußerst schwache Leistung
Er war tüchtig und in der Lage, seine Meinung zu vertreten = Er hat eine hohe Meinung von sich und kann Kritik nicht vertragen
Er kann Aufgaben erfolgreich delegieren = Er ist ein Drückeberger
Er arbeitete stets nach eigener Planung = Aber nicht nach der des Chefs
Er gab nie Anlass zu Klagen = Er bot aber auch kein Anlass für Lob
Er zeigte sich stets kompromissbereit = Er war immer nachgiebig
Er hatte Gelegenheit, sich das notwendige Wissen anzueignen = Es fehlt der Hinweis, dass die Gelegenheit genutzt wurde; beinhaltet eine negative Bewertung
Er verfügt über Fachwissen und gesundes Selbstvertrauen = Er hat geringes Fachwissen und eine große Klappe
Er hat sich mit großem Eifer an die Aufgaben herangemacht und war auch erfolgreich = Er war fleißig mit mangelhaften Leistungen
Wegen seiner Pünktlichkeit war er stets ein gutes Beispiel = Durch Herausstellen von Selbstverständlichkeiten gerät die übrige Leistung völlig in den Hintergrund, eine Niete
Er zeigte sich den Belastungen gewachsen = Ihm liegen schnell die Nerven blank
Er war bei unseren Kunden schnell beliebt = Er hatte bei Kunden kein Standing, Ansehen
Er galt im Kollegenkreis als toleranter Mitarbeiter = Und war für den Chef ein harter Brocken
Er ist mit seinen Vorgesetzten gut zurecht gekommen = Er ist ein Mitläufer, der sich gut zu verkaufen weiß
Er hat eine freundliche und gesellige Art = Er hat eine Schwäche für Alkohol
Für die Belange der Belegschaft bewies er stets Einfühlungsvermögen = Er flirtete heftig und war stets auf der Suche nach Sexualkontakten
Er ist ein anspruchsvoller und kritischer Mitarbeiter = Er ist eigensüchtig, besteht auf seinem Recht und nörgelt gern
Wir wünschen ihm auf seinem weiteren Weg in einem anderen Unternehmen viel Erfolg = nur nicht bei uns!

https://www.handwerksblatt.de/themen-specials/arbeitszeugnisse-richtig-schreiben/geheimsprache-im-arbeitszeugnis-entschluesseln-3

zum Bsp steht im Arbeitszeugnis "er/sie bemühte sich stets um Pünktlichkeit" - heisst - der/die war, wenn er/sie überhaupt mal kam, nie pünktlich.

"er/sie versuchte die ihm gestellten Aufgaben zu erledigen" - übersetzt: er/sie hat wirklich gar nix auf die Reihe gekriegt