Was für Schmuck gab es in der DDR?

7 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

In der DDR gab es sicherlich eine ähnliche Struktur der Schmuckhersteller, die vom mittleren Betrieb mit ca. 200 Leuten bis zum Einzelhandwerker als selbständiger privater Geschäftsmann reichte. Schmuckhersteller ab 10 Beschäftigten wurden seit 1972 als volkseigener Betrieb geführt, oftmals noch vom ehemaligen Besitzer als Direktor geleitet. Privatbetriebe hatten also maximal 9 Beschäftigte. Das Problem bestand weniger im Absatz der Produkte, vielmehr in der Kontigentierung der Rohstoffe Gold und Silber, da Gold hauptsächlich nur gegen Devisen im Ausland beschaffbar war, in kleinen Mengen aus einheimischer Förderung von Zinnerz, anderen Buntmetallen und sowjetischer Uranerzförderung als Nebenprodukt mit anfiel.

Produziert wurden alle üblichen Körperschmuckarten der damaligen Zeit aus Gold und Silber. Ein Großbetrieb war der VEB Ostseeschmuck in Ribnitz-Damgarten (Mecklenburg-Vorpommern), vormals KRAMER, wo hauptsächlich Bernstein von der Ostseeküste verarbeitet wurde. In der Edelschmiede meiner Heimatstadt wurde mit ca. 200 Mitarbeitern Goldschmuck zu 90% Exportanteil nach Westdeutschland hergestellt, so wie das auch etwa in allen Konsumgüter herstellenden Betrieben der Fall war. Im Handel sah es für die DDR-Bürger sehr düster aus: Golderzeugnisse gab es überwiegend nur bei anteiligen Altgoldankauf. Wer heiratete war gut beraten, von der verstorbenen Urgroßmutter noch alte Ringe zum Altgoldaufkauf vorlegen zu können. Das Tragen von Schmuck während des Arbeitsprozesses war weniger attraktiv, weil detaillierte Arbeitsschutzbestimmungen besonders bei Maschineneinsatz das Ablegen von Schmuck forderten. Etwas Positives sollte nicht unerwähnt bleiben: Die (wenigen) Schmuckstücke in den Läden konnten die Eigenschaft vorweisen "Made in GDR", von den in westdeutschen Läden gekaufte Erzeugnisse hatten diese Eigenschaft auch zum Teil, ohne dass es dem Käufer bekannt war. Heutzutage, so denke ich zumindest, dürfte der vollkommen übersättigte deutsche Schmuckmarkt ein Aushängeschild ausländischer Erzeugnisse sein, eigentlich schade!

sacm2858 
Fragesteller
 28.12.2020, 09:00

super danke. weisst du ob es eine politisch Einflussnahme gab auf die Art des Schmucks?

Hatte Schmuck eine soziale Ausweis- Hervorhebungsfunktion wie im Westen (Stichwort Brillantring und Rolex)?

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gb200  28.12.2020, 11:06
@sacm2858

Politische Einflussnahme: Denke ich NEIN. Es könnte aber sein, dass zentrale Planungsorgane die Produktion von Eheringen bestehend aus einem Tombak-Kern ( Kupfer-Messing-Legierung) mit Goldüberzug zu einem staatlich gestützten Endverbraucherpreis ( Stückpreis 25,- Mark der DDR) in die Wege geleitet haben.

Schmuck hat generell eine Hervorhebungsfunktion mit sozialem Hintergrund und persönlichen Charaktereigenschaften und Ansichten, egal ob dieser durch harte Arbeit, Geschenke oder Erbschaften zum Besitz hinzukam. Das Bedürfnis der Leute aus Politik, Chefetagen sowie der Arbeiterklasse war sicherlich hier geringer gewesen und wurde nicht durch Medien und Werbetätigkeit beeinflusst.

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gertraudeZ  28.12.2020, 11:36
@sacm2858

Wir als Jugendliche trugen auch gern Schmuck jedoch weniger um uns zu einer sozialen Schicht zugehörend zu bekennen, vielmehr um einfach auffallen zu wollen. Dazu diente meist Silberschmuck oder sogenannter Modeschmuck.

Leider konnte die relativ unbewegliche Marktwirtschaft nicht schnell genug reagieren, um internationale Modetrends schnell umsetzen zu können.

Mir ist da noch in Erinnerung: Etwa 1979 kam plötzlich wieder die Mode auf, Ohrringe zu tragen. Viele Mädels waren plötzlich "heiß" auf Creolen und fragten von Geschäft zu Geschäft vergebens danach. Die Ladenbesitzer wurden der vielen Nachfragen überdrüssig und man sah an vielen Ladentüren bereits ein Schild "Keine Ohrringe vorrätig." Daher ließen sich einige Teenager welche von der Westverwandtschaft schicken und fielen dann hier besonders damit auf. Als dann endlich die Planwirtschaft auf den Bedarf reagierte, war der große Run dann plötzlich vorbei. Und so war es generell bei typischen Modeartikeln.

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gb200  03.01.2021, 00:40
@gertraudeZ

Danke Gertraude! Du hast " des Pudels Kern getroffen" wie man so sagt!

Ich kann mich da noch gut erinnern: Ich fuhr so alle 14 Tage dienstlich nach Berlin.

Meine weiblichen Kolleginnen, meist Lehrlinge ( heute AZUBIS genannt) für den Beruf "Technische Zeichnerinnen" ( gibt es heute nicht mehr dank PC) stürmten geradezu auf mich ein, aus Berlin Creolen mitzubringen. Tatsächlich gab es da im U-Bahnschacht Alexanderplatz einen Modeschmuckladen mit dem Namen "Schmuckkästchen", der Ohrringe aus Nichtsilber in vielen Varianten anbot. Ich kaufte damals so etwa 10 Paar Ohrringe ( äußerst preiswert). Als ich dann den nächsten Tag wieder auf Arbeit war, gab es fast Streit, wer was bekommen sollte!

Kaum zu glauben, wird wohl der Wessi jetzt sagen, aber die Begünstigten waren dennoch happy, ein Paar Ohrringe abbekommen zu haben.

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Gold und Edelsteine waren extrem teuer in der DDR. Trotzdem gab es auch diesen Schmuck zu kaufen. Weil ein Ring mit einem schönen Stein aber leicht das Doppelte von einem PKW kosten konnte, haben nicht viele Frauen großen Schmuck aus Gold mit Edelsteine besessen. Die Frauen, die so etwas besaßen zeigten es auch gern her. In der Regel wurde viel Schmuck aus Silber verkauft. Besonders Jugendliche konnten sich gar nichts anderes leisten. In meiner Stadt gab es mehrere Schmuckläden. Der eine hatte eher die teuren Sachen, der andere die billigen und ein dritter die ungewöhnlichen Teile. Dort konnte man Schmuck aus wirklich schönem Holz kaufen. Die Hölzer waren unterschiedlich gefärbt, zusammen geleimt und dann hat man Armreifen, Anhänger oder auch Ketten daraus gemacht. Es wurde dort auch Schmuck aus Bernstein verkauft. Im Vergleich mit dem Modeschmuck aus dem Westen war der Schmuck in der DDR qualitativ hochwertiger. Es wurde aber auch ganz viel selbst hergestellt. Dafür nahm man ein wenig Kupferdraht oder Angelsehne, ein paar Muscheln vom Strand, ein paar Federn, ein wenig Kleber und schon hatte man ein Unikat. Manche Leute verdienten sich eine goldene Nase mit ihren kreativen Fähigkeiten.

gb200  27.12.2020, 23:42

Richtig ist die Aussage, dass sich Jugendliche damals Goldschmuck nicht leisten konnten, aber in Wirklichkeit lieber Silberschmuck bevorzugten, und heutzutage erst recht aber gar keinen Goldschmuck haben möchten, sondern fast ausschließlich auf Silber ( bzw. Edelstahl) stehen.

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Gab es zu kaufen, sicher nicht in der Menge wie heute, aber wenn man wollte hat man auch echten Goldschmuck mit Edelsteinen kaufen können. Und es gab auch genug Leute die sich das leisten konnten.

Aber das man das stolz im Betrieb zur Schau gestellt hat ist ja nun totaler Blödsinn. Warum hätte man das tun sollen ? Auf der Arbeit hat wohl niemand teuren Schmuck getragen, höchstens die Chefsekretärin des Betriebsdirektors 😉

Schmuck von ganz ganz anderen exquisiten Experten!

Neben den Goldschmieden, den Industrie Modeschmuckherstellern gab es noch eine halbwegs unbekannte Szene, die für einen sehr speziellen Kundenkreis "kunsthandwerklichen Designerschmuck" aus oft unedlen Werkstoffen herstellten. Es waren im eigentlichem Sinne Künstler, die ab Werkstatt oft ihren Schmuck vertrieben, aber auch in professionellen Galerien des Staatlichen Kunsthandels präsent waren. Die Nummer EINS in der DDR war die Galerie Skarabäus in der Frankfurter Allee, in Thüringen die Galerie im Steinweg in Suhl, die Galerie Schmidt-Rottluff in Chemnitz,. sowie Galerien in Dresden, Weimar, Leipzig, Rostock Warnemünde, Die Blaue Scheune in Arenshop. Einige private Boutiquen, wie Josefine von Krepl in Berlin oder die Evangelische Verlagsbuchhandlung in Leipzig waren auch aktiv.

Selbst die Stasi hatte einen eigenen Schmuck - Export - Betrieb: In Mühlenbeck bei Berlin gab es eine Außenhandelszentrale des Staatlichen Kunsthandels, welches zum Imperium von Alexander Schalck-Golodkowski und eigentlich ein halb geheimer Verein war. Das ging so, ein Schmuckdesigner verkaufte dort eine Brosche für 30 DDR Mark und bekam manchmal auch 3 DM in Form von 6 Fünfzig Pfennig Forum Schecks. Mühlenbeck verkaufte die Brosche für 50 DM an eine Galerie in Hamburg. Dort wurde die Brosche für 300 DM mit dem Namen des Galeristen verkauft. Wenn der Galerist noch wissen wollte, wie die Produktionstechnologie funktioniert, dann wurde ein operativer Vorgang organisiert , das heißt ein wenig Industriespionage bei dem Schmuckdesigner betrieben.

In meiner Stasiakte fand ich dann das Ergebnis der Stasi-Spione:

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Forum Scheck

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Edelstahl Anhänger, partiell abgedeckt und sandgestrahlt, Zellgummi - Halsreif Bild zum Beitrag

Es war eine Abteilung des Ministeriums für Staatssicherheit. In den 60er und 70er Jahren war diese Szene nicht gerne gesehen, weil diese kreativen Individualisten die real existierende sozialistische Gesellschaft ungeplant und ungewollt durcheinander brachten. Alleine schon aus dem Grund, weil der Schmuck dieser Fachleute total anders war. Die Funktion dieser Institution war einfach. "Alles was gut ist" zu exportieren in das NSW / Nicht sozialistische Wirtschaftsgebiet). Und so gab es diesen Schmuck auch in Köln, Braunschweig, München, Paris, Rom, Tokio, usw.

Fibel, Edelstahl, Salzätzung, gefärbtes Resin:

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Schneeflockenobsidianfibel gefasst mit Edelstahl:

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Basalt Halsschmuck, 900 Silber, Zellgummi:

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In den Medien der DDR machte sich dieser Schmuck ziemlich rar. In den Frauen-Magazinen Sibylle, Pramo, Für Dich, Saison usw. war wenig zu betrachten. Die Namen der "Produzenten" waren oft nur Insidern bekannt: Renata Ahrens, Jutta Amling, Herrmann Baldauf, Edith Beckmann, Claudia Baugut, Christina Brade, Angelika Claus, Uta Feiler, Maria-Cornelia Felsch, Helmut Franke, Gerhild Freese, Michael Franke, Antje Freiheit, Bernhard Früh, Silvia Grüner, Olaf Haacke, Ingrid Haufe, Henrik Human, Beata-Maria Hinz, Hans-Joachim Härtel, Richard Hebstreit, Renate Heintze, Volker Knaut, Peter Kuhl, Manfred Lehmann, Rolf Lindner, Wolfgang Lorenz, Mareile Manthey, Margarete Mühlbach, Silvia Nagel, Irmtraud Ohme, Dorothea Prühl, Gebriel Putz, Frank Raßbach, Angelika Rübesamen, Barbara Ruge, Heidrun Schäfer, Bettina Schwerber, Wolfgang Schlüter, Helmut Senf, Rainer Schumann, Armgard Stenzel, Manfred Stenzel, Jürgen Steinau, Mariano Sellin, Klas-Dieter Urban, Christel Schmehling-Albert, Renate Tauber, Helga Villany, Wilfried Weisse, Monika Winkler. Viele waren Goldschmiede, waren Fach- und Hochshulabsoventen, (Schneeberg, Heiligendamm, Burg Giebichenstein, Berlin -Weissensee). Autodidakten gab es äußerst wenige. Anfang der 80er Jahre fingen auch die Museen der DDR an diesen Schmuck aus zu stellen und zu sammeln.

Mein Schmuck wurde im Thüringer Museum in Eisenach ausgestellt und schaffte es im Januar 1990 nach Paris auf die ObArt Ausstellung:

https://www.youtube.com/watch?v=E-Z0F1c76gc

Ein wenig habe darüber geschrieben:

>>>Die rhebs Schmuckstory<<<

Auch heute noch kann man weltweit Schmuck dieser "Experten finden.

http://www.oona-galerie.de/ http://www.galerie-spektrum.de/

http://www.galerie-biro.de http://www.galerie-ra.nl/

http://www.alternatives.it/

Broschen, sandgestrahlt im Vakuum Titannitrid beschichtet:

Bild zum Beitrag

Einen kleinen Nachteil hat diese Schmuckszene, der Schmuck ist nicht billig! Man zahlt hier für die Kreativität, manchmal auch für die Idee oder den Namen. Wie bei Niki de St. Phalle Autorenschmuck limitierte Auflage "Nashorn": 2400 Euro!

https://www.youtube.com/watch?v=5khcPY2rVVw

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
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Ich war Teenager und stand auf Modeschmuck. Da hatte ich auch ein paar schöne Teile. Das hat mich selber gewundert, dass es die recht einfach gab.