warum will man sich schlecht fühlen?

7 Antworten

Du siehst das richtig, dass es keine Gesetzmässigkeit gibt, sich in irgend einer Situation zu ärgern oder traurig, fröhlich, etc. zu sein. Wir "müssen" überhaupt nichts; nicht mal sterben, denn das kommt auch von alleine!In unserer frühen Kindheit bekommen wir von unseren Eltern immer laufend Eindrücke. Wir machen uns ein eigenes Bild darüber, wie wir und die anderen sind und Welt ist. Unsere Bezugspersonen können uns folgende "Antreiber" mit auf den Lebensweg geben. - Sei stark!- Sei perfekt!- Sei anderen zu Gefallen!- Streng dich an!- Beeil dich!Solange wir im Hier und Jetzt unseren Antreibern, die wir besonders als wichtig erachten, gerecht werden, fühlen wir uns einigermassen gut. Jetzt kommen wir oft in Situationen in denen wir nicht mehr die Kraft haben, diesen Antreibern gerecht zu werden. Stell dir vor, du stehst an der Kasse im Supermarkt. Deine Einkäufe sind auf dem Band und registriert. Jetzt suchst du dein Geld und stellst mit Schrecken fest, dass du es zuhause vergessen hast. Jetzt kannst du deinen Antreiber "sei (immer) perfekt" oder "streng dich (immer) an" nicht mehr halten. Blitzartig fühlst du dich schlecht, weil du dir selber nicht mehr genügst. Und du erlebst schlechte Gefühle aus deiner frühen Kindheit: "Ich bin für nichts zu gebrauchen", "Ich bin ein Nichtsnutz", "Ich bin wieder mal so peinlich", "ich schäme mich", usw. Was kannst du jetzt gegen diesen unbewussten "Automatismus" machen? Du kannst versuchen, dir in solchen Situationen eine Erlaubnis zu geben, dass du trotzdem in Ordnung bist, wenn du mal dein Geld vergessen hast.Die Erlaubnisse heissen:Sei perfekt - Du bist gut genug, so wie du bistSei anderen zu gefallen = Sei dir selber zu gefallenSei stark = Sei offen und drücke deine Wünsche ausStrenge dich an = Tue esBeeil dich = Nimm dir Zeit, du hast Zeit.Wenn du so übst, dann werden für dich ärgerliche Situationen je länger je entspannter werden.

ShinChilla 
Fragesteller
 09.04.2011, 15:10

du führst es also auf die anpassung an die gesellschaft und die sozialisation zurück. man verhält sich so, weil man es so gelernt und vorgeschrieben bekommen hat. man will sich also in gewissen momenten schlecht fühlen, weil man denkt, dass es so sein muss.

das ist ehrlich gesagt auch die einzige antwort auf diese frage, die mir einfällt. ist allerdings irgendwie unbefriedigend weil banal und naheliegend...

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Batino  11.04.2011, 09:17
@ShinChilla

Es ist letztlich eine Anpassung an die Sozialistation. Es ist das Ursache-Wirkungsprinzip. Alle unsere Vorfahren haben einen Einfluss auf die Art wie wir heute sind. Mit Beobachtung unserer Bezugspersonen haben wir gelernt, wie wir uns selber sehen möchten. Wir haben von unserem Umfeld, später natürlich auch unseren Kameraden Rückmeldungen auf unser Tun bekommen. Je nach dem, wie diese waren, zogen und ziehen wir unsere Schlüsse daraus, wann wir geliebt und wann wir schlecht ankommen. Wir bemühen uns ständig, gut bei den anderen anzukommen (sagen wir, die meisten von uns) und deshalb bilden wir diese Antreiber.

Wie gesagt, man "muss" sich in diesen Momenten nicht schlecht fühlen. Es kommt nur darauf an, dass man in einem Moment, in dem solche Gefühle hochkommen sich überlegt, ob das etwas mit unseren Antreibern zu tun hat. Wenn ich es merke, dass ich mich deshalb schlecht fühle, weil ich mal wieder versagt habe, eigentlich nur nur weniger schaffte, als mein Massstab es mir selber vorschreibt, dann kann ich darauf reagieren. Also "will" ich so reagieren, weil ich mich mit diesem Gefühl vielleicht auch wohl fühle. Vielleicht denke ich sogar, dass es mir ganz recht geschieht, dass mir das passiert. Das ist unsere elterliche Instanz in unserem Bewusstsein. Also der Teil in uns, der so etwas wie immer noch wie die Eltern auf uns aufpasst und uns kritisiert, lobt, etc.

 Es wird uns kaum gelingen, uns nicht zu ärgern oder schlecht zu fühlen, aber wir verfallen dann nicht in langes Grübeln oder gar in eine Depression, wenn es oft passiert. So gesehen ist die Lösung banal zu beantworten, jedoch eher schwer, das Banale umzusetzen. Das ganze läuft ja jeweils innerhalb von Sekunden ab und so ist es schwierig, es zu merken, wenn das Gefühl eintrifft.

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Weil wir beide Seiten in uns tragen, die hellen wie die dunklen, und beide haben ein Recht, ausgelebt zu werden.

ShinChilla 
Fragesteller
 08.04.2011, 19:26

wie können seiten ein recht auf irgendetwas haben? helle und dunkle seiten, sind hypothetische schwarzweißmalereien die ideellen ursprungs sind und daher gar keine rechte haben.

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ShinChilla 
Fragesteller
 08.04.2011, 19:30
@ShinChilla

aber um auf deine formulierung einzugehen: unabhängig davon, wie sich das mit irgendwelchen rechten beider seiten verhält, wieso sollte man die dunkle seite überhaupt ausleben WOLLEN?

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Pirkko  08.04.2011, 20:02
@ShinChilla

Weil sie sich so oder so ihren Weg nach draußen suchen.

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ShinChilla 
Fragesteller
 09.04.2011, 01:02
@Pirkko

wieso sollten sie das tun? sind es lebewesen? führe deine aussagen doch bitte etwas mehr aus. mit halbgarem spirituellem geschwafel kann ich nix anfangen.

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Pirkko  09.04.2011, 15:07
@ShinChilla

Dann lies mal ein bisschen was über Psychologie und Verdrängung.

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ShinChilla 
Fragesteller
 14.04.2011, 02:29
@Pirkko

woooow psycholigie und vedrängung... genauer gings jetz nich oder?

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Eine sehr interessante Frage.

Es geht hier im Grunde nur um ein Gedanke: "hey, wir könnten es besser haben."

Also einfach gesagt: Wir sind glücklich, wenn wir unzufrieden sind.
 


Sieh dir die leute an, die reich sind, alles haben - aber sich mit Koks zudröhnen. Sie haben alles, was sie brauchen, und noch mehr - aber sie sind unglücklich mit ihrem Leben - weil sie alles haben.


Wir Menschen verlangen nach der Perfektion, obwohl wir es gar nicht wollen. Wenn wir etwas bekommen, möchten wir etwas besseres. Wir wollen immer mehr - Und das ist auch gut so: Das ist der Motor unserer Entwicklung, der uns verantreibt.


Stell dir vor, die Urzeit-Menschen hätten sich mit dem zufrieden gegeben, was sie hatten - Ein Speer, vieles zum Essen wie Wildschweine oder Mammut. Kalt, aber erträglich. Dann würden wir nun genauso leben, und ich würde hier nicht deine Frage beantworten.

Nein, sie wollten es besser haben. Weitere Dinge wie Tierfell wurden verwendet, weil es uns wärmte. Wir verwendeten Feuer, um in der Dunkelheit Licht zu haben. Sie haben Häuser gebaut, um sich besser vor Wind und Sturm zu schützen.


Aber auch wenn die Perfektion unser Ziel ist - wir wollen es nicht. Wir wollen die Herausforderung, die Probleme dorthin, die wir zu bewältigen haben.

"Der Weg ist das Ziel" - wie es so schön heißt.

Was wäre es denn für ein Leben, wenn man nichts zu bewältigen, keine Probleme zu lösen, einfach nicht zu tun hat ?

Ein schönes? Eine Ziet lang vielleicht. Ewig? Nein.


Ein weiser Mensch hat mal gesagt: Der Sinn des Lebens ist, danach zu suchen. Und das ist es auch.

Wir wollen etwas zum aufregen. Wir wollen Probleme. Weil erst die Unvollkommenheit, unser Leben lebenswert macht.

ShinChilla 
Fragesteller
 08.04.2011, 20:49

wow das is mal ne saubere antwort =) du führst das ganze also auf einen evolutionären trieb zurück. wenn dieser wille zur unvollkommenheit nicht da wäre, gäbe es auch keinen fortschritt. absolut schlüssig. stelle ich diese frage vielleicht, weil ich mich von dem emotionalen aspekt trennen will und mich dahingehend weiterentwickeln will, mich nicht mehr schlecht fühlen zu müssen/wollen.

warum aber muss man sich schlecht fühlen um das zu erkennen? eine nüchterne betrachtung würde doch völlig ausreichen. du führst es darauf zurück, dass wir uns schlecht fühlen müssen, aber wir haben doch eigentlich die wahl.

der millionär, der sich zudröhnt; was fühlt er? er ist unglücklich und will glücklich sein, weshalb er sich dazu entscheidet drogen zu nehmen. sein wohlstand scheint also gar keinen einfluss darauf zu haben ob er sich gut oder schlecht fühlt, denn er ist doch nicht unglücklich, weil er nicht reicher wird. ich denke, dass er sich im grunde schlecht fühlen will, und diese tatsache nicht begreift. um dies zu betäuben nimmt er drogen, die letzenendes aber nur wieder dazu führen, dass er unglücklich ist.

warm wir aus evolutionärer sicht unglücklich sein müssen hast du gut dargestellt. aber meiner meinung nach erklärt das nicht warum wir das auch noch wollen.

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dathree  09.04.2011, 08:02
@ShinChilla

Auch eine interessante Ansicht.

und jetzt, weiß ich leider auch nicht weiter.

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ShinChilla 
Fragesteller
 09.04.2011, 15:11
@dathree

schade. hatte auf eine längere diskussion gehofft ;)

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Hallo ShinChilla!  Ich habe es so gemeint (u. m.E. haben es die Existenzphilosophen auch so gemeint): Außerhalb des "Man" kann man im allg. nicht glücklich sein, weil man dort feststellt, (fast) alle halten sich in der "Man-Welt" auf, weil sie dort hoffen, frei von Angst zu sein (Heidegger meint jedoch, die "Angst" sei eine "Grundbefindlichkeit", der sich keiner entziehen kann). Man ist also außerhalb des "Man" alleine. Wer ist schon in der Einsamkeit glücklich? Es sei denn, man findet ein "Du" (evtl. mehrere), mit dem / denen man ein "existentielles Mitsein" begründen kann (Sartre hält davon nichts; s. "Das Spiel ist aus"). Eine echte Liebes- und Lebensgemeinschaft kann also, außerhalb des "Man", zwei Menschen tatsächlich glücklich machen. (Nietzsche: "Idioten des Glücks"!); oder: ein existentieller Bund mehrerer Menschen, so eine Art Orden oder Blutsbrüderschaft, könnte dem Leben auch einen Sinn geben. Im "Man" selbst kann man allenfalls glücklich werden, wenn man seine Vernunft ausschaltet und "wie das Vieh vegetiert" (s. "Hamlet, 4. Akt). Als vernünftiger Mensch gibt man sich zwar gerne dem Irrtum hin, man könnte auch in der "Seinsvergessenheit" des "Man" glücklich werden, aber man wird immer wieder eines Besseren belehrt. In der "Man-Welt" gibt es nur Pseudo-Freunde und Pseudo-Freundinnen. Nichts ist hier echt, alles ist Schein.

Das ist ein Philosophen - Blog; also möchte ich die Frage philosophisch zu beantworten versuchen, und zwar mit Hilfe der Existenzphilosophie: Der Mensch lebt normalerweise uneigentlich und unfrei, d.h. im sog. „Man“ (Heidegger). Er tut hier das, was „man“ tut, passt sich also an, weil er nur so Freunde zu finden glaubt. Gerät er in eine existentielle Krise (natürlich mehr als nur schlechte Note, z.B er hat schweren beruflichen Misserfolg, die Freundin verlässt ihn oder eine schwere Krankheit sucht ihn heim), wird er automatisch aus der Scheingeborgenheit des „Man“ herausgerissen und landet in der „Eigentlichkeit“ des Seins. Hier wird er sich dessen bewusst, was das Dasein „eigentlich“ ist, nämlich „Geworfenheit“ aus dem Nichts ins Dasein, „Vorlauf zum Tode“ und bald wieder Verschwinden im Nichts. Ein Zurück ins „Man“ gelingt meistens nicht, weil der Mensch die Scheinhaftigkeit dieser Pseudogeborgenheit durchschaut hat (falsche Freunde, untreue Geliebte; unfreies, angepasstes, bloßes „Vorhanden-sein“ in der „Man“- Welt). Selbst wenn er wieder in dieses unfreie Leben „eintauchen“ möchte, wird er seines Lebens dort nicht froh, denn aus dem Nichts – sagt jedenfalls Heidegger – erreicht ihn immer wieder die Angst und der Ruf der „Sorge“, der ihn daran erinnert, dass ein Leben i.S. eines bloßen „Vorhandenseins“ seiner Würde als Mensch nicht angemessen ist. Erst wenn er „entschlossen“ den Weg in die „Eigentlichkeit des Seins“ wagt, existiert er wirklich, allerdings ist er dann auch einsam; es sei denn, er findet jemanden, der ihn auf diesem Weg in das existentielle Sein begleitet und mit ihm ein (sog.) existentielles „Mitsein“ begründet (wird schwierig sein, wie Sartre in „Das Spiel ist aus“ treffend dargestellt hat). Dass der Mensch eine Neigung hat, sich schlecht zu fühlen, ist jetzt wohl klar. In der Scheingeborgenheit merkt er durch den Anruf der „Sorge“, dass es mit seinem „uneigentlichen Vorhandensein“ (im „Man“) nichts ist. Wird er aus dieser Scheingeborgenheit unfreiwillig (durch die genannten existentiellen Krisen) herausgerissen, steht er zwar, wie Heidegger sagt, in der „Lichtung des Seins“, aber er lebt dann andererseits unter dem Alpdruck, dass unser Dasein „Geworfenheit“ und „Vorlauf zum Tode“ ist, was den Menschen auch nicht gerade fröhlich stimmt. Deshalb also immer wieder die (verständlichen) Versuche, in die Scheingeborgenheit des „Man“ zurückzukehren (Die Anführungszeichen betreffen Schlüsselwörter der Existenzphilosophie). - Natürlich kannst du deine Frage auch mit Hilfe der "pessimistischen" Philosophie Schopenhauers beantworten. Das aber führt hier zu weit. - Ein Tipp: fröhlich sein kann man nur unter der Voraussetzung, dass man die "Angst" und den Ruf der "Sorge" nicht zur Kenntnis nimmt. Erfasst uns aber eine der genannten Krisen, dann hilft keine Fröhlichkeit mehr, es sein denn man findet tatsächlich - während der Krise - jemanden, der mit einem ein "existentielles" Mitsein begründet. Nietzsche nannte diese beneidenswerten Leute: "Idioten des Glücks"!

ShinChilla 
Fragesteller
 09.04.2011, 15:08

starker tobak den du mir hier auftischst :D muss das erstmal verdauen. hoffentlich hab ich das jetzt richtig verstanden.

für mich hört es sich so an, als würdest du damit erklären, warum der mensch sich schlecht fühlt. das bezieht sich, wie ich das verstehe, auf das erfahren von unangenehmen wahrheiten. ist man erstmal aus dem "man" heraus kann man nicht mehr zurück. das leuchtet ein, vor allem, weil ich sartre auch gelesen habe. aber bei mir bleibt noch die frage offen, warum man in der welt außerhalb des man nicht glücklich sein kann, sondern erst in das "man" zurückkehren müsste, um glücklich zu sein. ist man in der eigentlichkeit dazu determiniert, sich schlecht zu fühlen, weil man nur noch seine eigene vergänglichkeit im auge hat?

 

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