warum waren die menschen im mittelalter so dumm und warum hat keiner etwas gegen diese miesen lebensbedingungen gemacht?

11 Antworten

Ich denke nicht, dass man die Menschen im Mittelalter einfach kollektiv als „dumm“ bezeichnen kann.

Selbstverständlicherweise war damals aber das Bildungsniveau durchaus niedriger als heute.

Das hatte mehrere Gründe: Zum einen war es unmöglich, gute Lehrmaterialien für die Massen zu entwerfen, da Techniken wie der Buchdruck noch nicht entwickelt waren, weshalb z. B. Lehrbücher nicht für die großen Massen hergestellt werden konnten. Außerdem war es meist auch nicht möglich, dass Eltern ihre Kinder in die Schule schicken konnten. Diese mussten auf dem Feld oder bei anderweitigen Arbeiten mithelfen, um die Ernährung der Familie zu gewährleisten. Nur ein kleiner Teil der Menschen, namentlich der Erbadel, hatte die Möglichkeit, ihre Kinder intellektuell weiterbilden zu lassen.

Dass nichts gegen das feudalistische System und die Grundherrschaft getan wurde, ist wohl vornehmlich darauf zurückzuführen, dass ein Aufstand gegen dieses nicht im Interesse der Masse der mittelalterlichen Bevölkerung gewesen wäre, hat ihnen doch dieses System Schutz vor Angriffen von Außen und Produktionsmittel wie Felder zum Bestellen geboten. Ein Aufstand gegen dieses System war zudem organisatorisch schwer umzusetzen, da die für einen solchen notwendige Kommunikation über weite Strecken mit nur spärlich vorhandener Infrastruktur und dem Mangel an Lesefähigkeiten in der Masse der Bevölkerung kaum zu bewerkstelligen war.

Die Menschen waren nicht dumm aber Bildung hatte so ab 700n Chr. an Stellenwert bei der Mittelschicht verloren. 

Dies hatte verschiedene Gründe..  Die Elite war nicht bereit für Änderungen weil sie sich immer noch an den alten römischen Werten orientierte. Obwohl die Infrastruktur bereits am zerfallen war. 

Alles Neue wurde verworfen weil es früher besser war.

Viele Dinge die mehrere hundert Jahre selbstverständlich waren wurden knapp da die römischen Handelswege nicht mehr unterhalten wurden. Auch weil viele Waren aus Nordafrika und Indien gar nicht mehr nach Rom kamen. Dies trifft sich zeitgleich mit der Islamischen Expansion bei welcher der Handel zum Beispiel mit Papyrus völlig gestoppt wurde.

In Europa gab es ausser Pergmanet gar kein Schreibmaterial mehr welches erschwinglich war.

Geschrieben wurde also nur noch beim Adel und der Kirche. Weil es zum Luxus wurde. 

Da auch Korn und Salz nicht mehr über den römischen Handel nach Mitteleuropa kam stellten die Bauern auf Kornwirtschaft um. 

Salz zum Pökeln (Konservieren) von Fleisch fehlte und das heimische Korn war äussert schwierig zum Lagern über den Winter.. Zu viel Feuchtigkeit und es schimmelte oft (wurde mangels Nahrung aber trotzdem gegessen).. Was zu Vergiftungen führte und das Immunsystem der Armen ständig belastete...

Diese Mangelernährung führte auch dazu dass die Menschen immer kleiner wurden (Kein Protein, ständig geschwächt von Schimmelvergiftungen)..

Und aus dieser Gesamtsituation heraus entwickelte sich dann auch die völlige Kirchenhörigkeit und Aberglaube. Da es im irdischen Leben kaum einen Ausweg gab - wurde das Übel der menschlichen Sünde zugeschrieben und nur die Kirche konnte Absolution erteilen. Die Mennchen gaben also noch das Wenige was sie besassen für den Kauf eines Sünden-Ablasses aus, in der Hoffnung auf ein besseres Leben im Jenseits...

Dumm waren sie nicht - Aber sie wussten es einfach nicht mehr besser. 







katzenjunge  21.03.2017, 01:27

AndyG66, im Mittelalter gab es keine Mittelschicht.

Das Mittelalter war eine Ständegesellschaft, Klerus, Adel, Bürger freie Bauern.

Zu Beginn des Frühmittelalters 500-1500 konnte nur der Klerus lesen und schreiben, nicht mal der Adel verstand die lateinischen Schriften. Die Bildung lag in den Händen des Klerus, der sich dadurch ein Vormachtstellung erwerben konnte. Deutschland war eine Agrargesellschaft und 90% der Bevölkerung lebte auf dem Land. An den Höfen der Adeligen waren Lohnschreiber angestellt!

Im Hochmittelalter entstanden Klosterschulen wo Adelige lesen und schreiben lernen konnten.

Daraus entstanden im Spätmittelalter Domschulen wo reiche Bürgerssöhne Bildung erwerben konnten.

Korn wird seit 10000 Jahren angebaut!

Klimakatastrophen ereigneten sich erst in der frühen Neuzeit," die kleine Eiszeit", worauf es zu Hungerkatastrophen kam, das Getreide auf den Feldern verfaulte und man dafür Schuldige suchte und es zur Verfolgung von Menschen durch die heilige Inquistion, die von der weltlichen Inquistion abgelöst wurde kam und die über dragonische Strafen, abgestraft wurden.

Die Leibeigenschaft wurde in Deutschland erst lange nach dem Mittelalter abgeschafft.

1
AndyG66  21.03.2017, 02:39
@katzenjunge

Ich spreche davon warum es überhaupt ein Mittelalter gab.

Zu Beginn des Frühmittelalters konnte nur der Klerus schreiben.. Sag ich ja!.... Vorher aber nicht!

Auch ein Mittelstand gab es - der verschwand!

Korn - Ne stimmt nicht.  In unseren Breitegraden war bis ca. 700 - 800 Kornanbau nicht sehr verbreitet. 

Aber ungefähr ab 600 - 700 wurde umgestellt - Vorher hatten die Bauern hauptsächlich Herden, Schafe, Ziegen.. usw...  

Die kleine Eiszeit ist eine Periode ab 1450...

Du erzählst von ca. 500 Jahre später wie ich oben. 

0
AndyG66  21.03.2017, 02:54
@AndyG66

.. Man nennt das frühe dunkle Mittelalter ja so weil es kaum schriftliche Aufzeichnungen gibt..  Und die ganze Elite zeitlich rückwärts orientiert waren (Rom) ... Die Christianisierung war erst gerade abgeschlossen..

Die Mangelernährung fängt um das Jahr 700 an.. aus den Gründen die ich erwähnte... Das Volk hatte meist nur noch Kornbrei...  Kaum richtige Speicher um das Korn trocken zu lagern...und immer noch Kornsorten aus dem Süden (ursprünglich) welches extrem anfällig für Mutterkorn Befall war.

Ab da sind die Menschen in Europa durchschnittlich nur noch 1.55 gross und die Pupertät setzte deutlich später ein....

0
AndyG66  21.03.2017, 03:17
@AndyG66

.Vorher war überall Wald! . Weiler und Einzelhöfe standen noch auf Lichtungen mitten im Wald.. Schweinemast und generell Tierherden wurden im Wald gehalten....  Die Waldrodungen starteten und der Umstieg auf Korn und Acker begann. (und das frühe Mittelalter)...    Dies geschah so 500 - 800n Chr... Das Zaunrecht wurde eingeführt usw... Ab da hungerte das Volk regelmässig.

Der Mittelstand verschwand mit der römischen Infrastruktur. Diese lebte vom Handel und an römischen Routen (Strassen)...  Zahlungsmittel der Römer war Salz und Korn. 

0
AndyG66  21.03.2017, 04:04
@AndyG66

Und der Form halber hier noch was einer der Hauptgründe war:

Absolut kein Papyrus mehr erhältlich in Europa.

Im 7 Jahrhundert (islamische Expandierung) wurde Schreibmaterial zum absoluten Luxus! Papyrus zwar vorher schon Mangelware aber begrenzt noch erhältlich..  Pergament aufwendig und extrem teuer.

Zitat Wiki:

Besonders in der Mitte des 7. Jahrhunderts war Schreibmaterial unerschwinglich teuer, so dass man besonders in dieser Zeit Pergamentbücher palimpsestierte. Diesem Vorgang fielen in erster Linie antike Texte zum Opfer, die Platz machen mussten für „Antiphonarien oder Heiligengeschichten“.[2]

0
katzenjunge  21.03.2017, 14:08
@AndyG66

AndyG66, bis auf die Umstellung auf den Anbau von Korn, da ich es so verstanden hatte, das Du meintest dass Korn erst mit Beginn des Mittelalters angebaut wurde, habe ich die Fakten die Du benennst, doch überhaupt nicht bestritten.

Nur habe ich das Bildungswesen im Mittelalter in der jeweiligen Epoche, Frühmittelalter, Hochmittelalter, Spätmittelalter, was natürlich nur einer gewissen Oberschicht vorbehalten war, etwas näher beleuchtet, weil es in der Frage darum ging, warum die Menschen im MA so dumm waren.

Mit der Erwähnung dass die Leibeigenschaft erst lange nach dem Mittelalter im 19. Jahrhundert abgeschafft wurde, wollte ich nur verdeutlichen dass diese feudalen Strukturen in Deutschland bzw. Europa, noch lange Bestand hatten.

0
AndyG66  21.03.2017, 14:43
@katzenjunge

Ja .. hab dich dann halt einfach falsch verstanden mit dem Korn, 

Ich wollte dir übrigens nicht den Wind aus den Segeln nehmen - wenn du Lust hast ergänze ruhig was dir gerade einfällt :-)

Ansonsten hatte ich einfach Lust mein Wissen über die Zeit des frühen Mittelaters, resp das Ende der Spätantike nachzuprüfen und einfach noch ergänzt was mir gerade einfiel (Waldrodung usw..)... resp. die Gründe zusammengetragen warum es zum dunklen frühen Mittelalter kommen konnte.

Interessant finde ich dass selbst in Bayern noch bis ca 400 - 500 n Chr. sogar viele Sklaven schreiben konnten ( Wie in Rom üblich) und so rund 10 - 15% der Bevölkerung (in römischen Siedlungen) schreiben konnten.

Und dann innert 100-200 Jahren auch in Mittel Europa alle antiken Bücher zerstört oder überschrieben wurden. 

Dabei muss auch der frühe Zauberbücher Wahn der Kirche ein grosser Faktor gewesen sein. Die hielten alles was mit Mathematik (griechische Wissenschaft) zu tun hatte für alten Zauber. Und beriefen sich dabei auf Paulus und dessen Zauberbücher-Verbrennung.

Die Sklaverei/Leibeigenschaft ist ein weiteres Trauerkapitel. Wie du richtig sagst - Die Schuld-Leibeigenschaft begann nach der Abschaffung der Sklaverei durch die Kirche beinahe nathlos.

1
katzenjunge  21.03.2017, 22:05
@AndyG66

AndyG66, beschäftigst Du Dich mit der Spätantike und dem Frühmittelalter, oder worauf beruht Dein umfangreiches Wissen?

Dass in Bayern die Sklaven noch 400-500 n.Chr. schreiben konnten wusste ich nicht.

Was die verbotenen Bücher anbelangt, habe ich mal gehört das sie in geheimen Archiven des Vatikan gelagert sein sollen.

Weniger bekannt ist auch dass schwarze Katzen fast ausgestorben waren, weil sie als Verkörperung des Teufels auf den Scheiterhaufen verbrannt wurden und die Kirche ihren Hass auf die Weiblichkeit voll ausleben konnte. Die Katze gilt in der Mythologie als die Verkörperung der Weiblichkeit. Dabei war die Hauskatze im frühen Mittelalter ein teures Handelsgut, weil sie nicht so intensiv wie der Iltis roch und sich als Mäuse und Rattenjägerin hohes Ansehen genoss, was sich aber im Hochmittelalter mit Aufkommen der scholastischen Lehre zb. Thomas von Aquin" schlagartig änderte, der Frauen als minderwertiges hirnloses, bösartiges und für den Teufel anfälliges leeres Gefäß, nur zum Gebären fähig, ansah! 

Schon erschreckend mit welcher Brutalität Europa christanisiert wurde und alles Wissen verbannt wurde und dem Volk verwehrt wurde.

Was die Abschaffung der Leibeigenschaft im 19 Jahrhundert anbelangt, so mussten sich die Leibeigenen in Hessen freikaufen.  Die Wenigsten konnten das und kamen bei ihrem ehemaligen Herrn in Schuldknechtschaft.

Hoffe mich noch öfter mit Dir über Spätantike, Mittelalter austauschen zu können.

LG 

 

0
AndyG66  21.03.2017, 22:31
@katzenjunge

@Katzenjunge

Als ich in die Lehre ging (Zürich, Schweiz - Röm. Turicum)) gab es direkt in der Gasse vor unserer Tür römische Ausgrabungen welche soweit ich mich erinnere die ganzen 4 Jahre als ich dort war - Schicht für Schicht abgetragen und kategorisiert wurden..  

Dies war sehr interessant und lehrreich für mich,  denn jedesmal wenn irgend etwas Aussergewöhnliches gefunden wurde, bekam ich das mit und ging zuschauen...  

Auch arbeitete ich für einen Architekten in der Altstadt in den Gassen wo die alte Stadtmauer war als Projektleiter...  Bei jedem Altbauprojekt stiessen wir auf Funde aus dem Mittelalter. oder früher..

Aus dieser Zeit und aus den Kontakten mit den Archäologen stammt mein Interesse für die Spätantike/MIttelalter und besonders die Lebensumstände der damaligen Bevölkerung.

Daneben interessiert mich Kirchengeschichte und Theologie (aus den selben Gründen, bin nicht religiös)...

Zu den römische Siedlungen im Gebiet des späteren Frankenland Alpen, Rhein, Bayern gibt es diverse Literatur. Ich erinnere mich speziell an einen deutschen Archäologen welcher Grabsteine beschriftet von Sklaven für Sklaven (Freunde) fand...  Und die Zahl 10 - 15% kommt wohl aus Hochrechnungen - da ein römischer Mittelschichts Haushalt jeweils aus 20 - 80 Leuten (inkl. Sklaven) bestand und viele Haussklaven lesen und schreiben konnten. 

1
katzenjunge  24.03.2017, 03:42
@AndyG66

AndyG66, das hört sich ja sehr interessant an.

Leider gibt es ja wenig Information über das Frühmittelalter und ganz besonders wie die einfachen Leute gelebt haben.

Ich habe jetzt begonnen mich mit der Nibelungensage etwas näher zu beschäftigen, sehr interessant, was sich alles für geschichtliche Hintergründe aus dieser Sage ergeben.

In der Schule haben wir die Nibelungensage leider nicht durchgenommen, weil das in den 70ziger Jahren sehr verpönt war und in die Naziecke abgedrückt wurde, nur weil die Nationalsozialisten die Sage für ihre bescheuerte Ideologie missbraucht haben. Dafür wurden das dritte Reich bis zum Abwinken durch genommen.

Sehr schade, dabei ist die Nibelungensage spannender als jeder Krimi mit ihren Charakteren.  Ein toller Stoff !

LG

0

Die die untere Schicht, also die freien Bauern und Leibeigenen, hatten keinen Zugang zu Bildung (ob sie deshalb alle "dumm" waren lässt sich bestreiten). Dies hatte mehrere Gründe.

So gab es weder das Angebot, noch hätten es die Kinder wahrnehmen können. Denn die Kindheit war bereits in jungen Jahren vorbei. Ab dann wurde die Arbeitskraft benötigt, um die Familie zu versorgen. Es wäre allerdings auch problematisch gewesen Bildungsmaterialien zu verteilen, da die einzige Möglichkeit der Vervielfältigung, das handschriftliche kopieren war und nur ein sehr geringer Teil der Bevölkerung lesen konnte.

Die Kontinuität der Lebensumstände der freien Bauern und Leibeigenen sind zum Teil auf den geringen Bildungsstand zurückzuführen. Eine essentielle Rolle spielte allerdings der Einfluss der Kirche. Es wurde geglaubt, dass Gott einen in eine bestimmte Rolle gebracht hat, in der man sein Leben lang verbleiben solle, ohne Sünden zu begehen. Da die Menschen sehr gläubig waren, gab es wenig Widerstand gegen dieses System.

Leibeigenschaft - Unterdrückung - keine Schulbildung - kein wirkliches Rechtssystem - eine übermächtige Kirche - ein übermächtiger Staat - keine Aufklärung .

Die Menschen haben ihr Heil im Glauben gesucht - die Erde war lediglich ein Jammertal. Wer aufmuckte wurde erledigt. Was zählte schon ein Menschenleben ?

Wenn man sich ansieht, wie manche Menschen heute noch ähnlich leben, so leiden sie nicht an "Dummheit" sondern einfach unter wirtschaftlichen Missständen die sie sich nicht entwickeln lassen..  

Die Menschen im Mittelalter waren nicht dumm. Bestenfalls hatten sie einen anderen Bildungsstand als heute. Und wie alle Menschen haben sie sich eben mehrheitlich mit ihrer Lebenswelt arrangiert. Einer Lebenswelt, die sich im Verlauf der 1000 Jahre, die das Mittelalter umspannt, kontinuierlich verändert hat.

Heute gibt es Menschen, die viel mehr Möglichkeiten haben, ihr Schicksal in die eigene Hand zu nehmen und sich trotzdem dagegen entscheiden, sich gehen lassen, ungebildet bleiben oder sich gar in der Zahl der Möglichkeiten verheddern. Bevor man über andere Epochen urteilt, sollte man erstmal einen klaren Blick auf die eigene werfen.