Warum sind große Aussenseiter oft die sympathischten Menschen?

9 Antworten

Lieber Charles,

es kommt ganz auf den Betrachter an, ob man jemanden sympatisch oder unsympatisch findet. In deinem Zitat von Jean Genet geht es weniger um Sympatie als um Interesse - beides weckt Aufmerksamkeit und Anziehungskraft, ist aber dennoch nicht dasselbe.

Noch wichtiger als den Betrachter finde ich die Ursache, also was jemanden zum Außenseiter macht und aus welchem Grund sie sich aus der Gesellschaft zurück gezogen haben. Ich entdecke häufig (aber noch lange nicht immer) Menschen in Außenseitern, die aus dem ewig alten Hamsterrad heraus steigen und sich ihrem Menschsein öffnen. Und wenn sie dies dann auch noch in Frieden tun und nicht wie besessen auf andere losgehen, ist das wie das sprichwörtliche Sahnehäubchen.

Wenn dieser innere Frieden jedoch fehlt und eher einer Verachtung anderer Menschen entspringt (wie zum Beispiel bei Schopenhauer), dann ist dieser Mensch bestenfalls interessant, aber ganz sicher nicht sympatisch - zumindest nicht für Zeitgenossen. Symptathie entspringt eher aus einer Art Zusammengehörigkeitsgefühl. Wenn also jemand zwar anders ist, aber sich dennoch sozial verhält, wenn die Seite des Menschen in uns anklingt, weil jemand zu seinem Menschsein gefunden hat - zu seiner Natur und wenn er auch noch den Mut hat, sich dazu zu bekennen, dann bewirkt das eine starke Anziehungskraft in uns. Ich muss gerade an Sir Peter Ustinov denken. Er war gewiss ein 'Eigenbrötler', der sich nicht verbiegen ließ, aber er war dennoch ein unglaublich sympatischer Mensch. Was man von Klaus Kinski nicht wirklich sagen konnte. Der war zwar faszinierend und spannend - aber Sympatie hat er eher selten geweckt.

Selbst Widerständler betrifft das - Mahatma Gandhi war legendär. Klar war er ein Außenseiter, aber wie! Dennoch war er ein unglaublich sympatischer Mensch. Oder Nelson Mandela - beide stehen für die Größe, die Welt zu verändern mit Respekt vor dem Gegner. So kleine Giftmolche aus dem gemeinen Volk die nur rumkrakeelen und Politiker, Reiche und andere Mächtige auf unterirdisch asoziale Weise angehen kann man ja nicht einmal im gleichen Satz nennen - die sind nicht sympatisch, sondern benehmen sich einfach abstoßend. Sie haben auch keine Wege, sondern plärren und prollen nur herum - das ist nicht, dem jemand folgen möchte.

Von daher kann ich weder 'Außenseiter' noch 'sympatisch' als Schublade benutzen sondern ziehe es wie meist vor, eher sehr differenziert an die Frage heran zu gehen. Es geht nicht so sehr darum, DASS jemand ein Außenseiter ist, sondern darum, auf welche Weise sich das äußert. Eben so wie sich Liebe durch Anziehungskraft äußert - und noch lange nicht jeder Anziehungskraft auf andere ausübt, auch nicht durch bloßes Außenseitertum. Es braucht mehr, es braucht etwas, das Anziehungskraft ausübt und durch das sich andere eben angezogen fühlen.

Warum sind sie wohl Außenseiter?  Weil sie meist mental auf einer völlig anderen Ebene stehen als ihre „normale“ Umwelt. Entweder sie sehen die Welt und das Leben aus einem weiteren Blickwinkel und erkennen Zusammenhänge im Gesamtgefüge, die einem Großteil der Menschen einfach verborgen bleiben. Oder sie haben eine radikale Ansicht zur Lebensgestaltung, die andere zwar oftmals auch haben, aber sie haben die Courage das bis zur letzten Konsequenz auszuleben. Häufig sind sie auch einfach Visionäre, deren Verstand Dinge umfasst, die andere sich nicht mal vorstellen können, oder sogar für verrückt oder lächerlich halten, da sie es nicht begreifen. Und dieser Nimbus des mysteriösen, und die Transzendenz in ihrem Lebensstil, wie ein Planet im eigenen Universum zu kreisen, erweckt natürlich Neugier und Faszination, und fördert das Verlangen einen Einblick in diese unbekannten Sphären zu erhaschen.  Jedoch liegt  durchaus nicht bei jedem der „Außenseiter“ ist ein derart philosophischer Background zu Grunde. Manche haben halt wirklich nur ein an der Klatsche, sind Menschenscheu, oder schlicht ein Ar...loch.

Philosoph91  10.02.2018, 11:38

So treffend und anspruchsvoll formuliert.

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Ich würde nicht sagen, dass Aussenseiter die sympathischeren Menschen sind, im Gegenteil. Eher würde ich es so sagen: Sie sind die interessanteren, schillernderen, Menschen und vermutlich daher für uns anziehend. Sympthieträchtiges Verhalten bedingt vorzugsweise soziale Integration und einen "normalen" Lebensweg. Und in der Regel das: Viele Geschwister! Das mag seltsam klingen, aber meine Erfahrung (auch beruflich) ist die, dass Menschen mit vielen Brüdern und Schwestern häufig die sind, die am anziehendsten, weil am wenigsten kompliziert wirken.

Aussenseiter sind zwar häufig charmant, aber dies nur oberflächlich. Denn eigentlich lehnen sie die Nähe zu Menschen ab, werden ihrer schnell überdrüssig und daher plötzlich egoistisch, narzistisch und schlichtweg unsympathisch.

"..Aussenseiter werden immer erst berühmt nachdem sie gestorben sind, weil sie dann für den Teufel auf Erden keine Gefahr mehr darstellen, richtiges und richtige Menschen zu vermehren..."

Hallo Charles!

Eine sehr gute Frage!

"Außenseiter" sind oftmals vom Charakter her deutlich zugänglicher und in ihrer Denkweise oft viel toleranter als gedacht -----> man muss sich nur die Mühe machen und sie kennenlernen, ihnen ehrlich begegnen & sie auf sich wirken lassen.

Sie wirken auch aus dem Grund oft auf die anderen zumindest "schrullig-sympathisch", weil sie einfach ihr Ding machen, sich nicht beirren oder bekehren lassen & auf die Meinung der Mehrheit, die sie deswegen erst zum Außenseiter abstempelte, ziemlich pfeifen. Sie sind keine Mitläufer!

Viele Menschen haben sogar eine gewisse Sehnsucht so zu sein wie etwa ein Außenseiter, der einfach nur das macht auf das er Böcke hat, sie trauen sich jedoch aus Angst vor den Reaktionen anderer nicht.

Philosoph91  10.02.2018, 18:58

Sehr schön beschrieben. Ich erkenne mich wieder.

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