Warum ist die Feuerwehr so militärisch?

13 Antworten

Beispiel.... nachts um kurz vor 12 geht der Pager.... "TH3- Schwer. VU Person Klemmt Fahrzeug Brennt an Tankstelle"

Die Einsatzmeldung hatten wir vor paar Jahren... da bleibt keine Zeit für ne Diskussionsrunde wie man das ganze jetzt am besten an geht. Da muss möglichst Schnell gehandelt werden und das Funktioniert indem man möglicht wenig Nachdenken muss.... und das geht am besten wenn man möglichst viele Handgriffe im Halbschlaf schafft und möglichst viele Standart Prozedere hat.

Und diese Prozedere und Handgriffe müssen geübt werden, nicht nur 1 oder 2x sondern über die Jahre hinweg viele Dutzend male.

Und das klappt nur indem man eine halbwegs feste Herachie und Struktur hat^^

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Maschinist /Servicetechniker für Feuerwehr Einsatzfahrzeuge

Tatsächlich kommen die Ursprünge der US-Feuerwehren aus Mitteleuropa was die Taktiken, Ausbildung, Einsatzgrundsätze und Co angeht... Diese stammen oft aus dem 19. Jahrhundert...

Die Preussen hatten da schon ganz gute orgaisation und das hat sich anch und nach entwickelt. natürlich gibts auch Vorgänger bis ins mittelalter...

Ob man nun Mit Pferdekutsche mit Pumpe drauf oder einem LKW aus 2021 mit Computersteuerung zum Einsatz fährt, macht in der Richtung keinen Unterschied.

Man muss ausbildung machen bis man die handgriffe und handlung "blind" beherrscht, einer sagt wo es lang geht, jeder kennt seine aufgabe vorher, alles passiert "automatisch" ... es muss schnell gehen wenn es menschen zu retten gibt und das muss auch nachts um 3 Uhr funktionieren. Ja so eine Art Drill ist das schon. Nur heutzutage dürfen Feuerwehrangehörige "selber Denken" was früher beim Militär weniger der Fall ist. Es ist auch gut das die nichts mit Militär zu tun haben, weil die vielzahl der Feuerwehrleute macht das freiwillig und ehrenamtlich.

Warum? Weil die Feuerwehr (ähnlich wie das Militär) in Situationen zum Einsatz kommt, wo das Leben eines oder mehrere Menschen von jeder Sekunde abhängig ist. Da ist ein "militärischer Stil" unumgänglich, denn...

  • es muss eine klare Befehlsstruktur geben - für Diskussionen ist schlichtweg keine Zeit!
  • die Mannschaft muss schnell und effizient arbeiten - und das geht nur, wenn jeder zuvor (idealerweise noch vor dem Einsatz!) fest definierte Aufgben bzw. Arbeitsschritte zugewiesen bekommt und dann exakt diese Arbeitsschritte durchführt
  • das Ganze muss dann auch unter Stress, mitten in der Nacht und noch "im Halbschlaf", bei schlechter Sicht und ggfs. miserablen Witterungsbedingungen problemlos funktionieren. Dafür ist dann ein Lernen und ständiges Wiederholen der Aufgaben notwendig, bis das Ganze quasi im Schlaf und ohn überlegen zu müssen funktioniert - und genau das ist dann ein "militärischer Drill".
  • Antreten der Mannschaft: Das dient einem schnellen Überblick der Führungskraft über die zur Verfügung stehenden personellen Mittel. Zudem ist jede Position im angetretenen Zustand mit einer bestimmten Funktion verbunden - somit muss also nicht erst lange Personal auf die einzelnen Funktionen eingeteilt werden.
  • Uniformierung: Auf der einen Seite hat diese (ähnlich wie der Kampfanzug der Bundeswehr) eine auf die Aufgaben der Feuerwehr zugeschnittene Funktionalität, auf der anderen Seite soll "die Feuerwehr" als Einheit wahrgenommen werden (Ausgehuniform), wobei einzig Dienststellung und Qualifikation einen Unterschied darstellt (Dienstgrad- und/oder Funktionsabzeichen) und nicht Dinge wie Alter, Geschlecht, Herkunft, Hautfarbe usw.
Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Stv. Wehrführer und Zugführer bei der Freiwilligen Feuerwehr

Disziplin und militärischer Drill erleichtert das kurzfristige Fällen und die Umsetzung von schwerwiegenden Entscheidungen, bringt eine Organisationsstrukur ins System und vor allem wirkt es für Außenstehende professionell und organisiert. Das strahlt eine Sicherheit und Ruhe aus.

Das alles hilft ungemein, wenn man nachts um 3 zum brennenden Wohnzimmer rausfährt. Oder bei einem Verkehrsunfall. Wenn man selber Ruhe und Professionalität ausstrahlt, hilft das dem Verletzten ungemein, dass er sich beruhigt und "sicher" fühlt.

Wenn da jetzt 9 Mann hektisch und schreiend um das Auto herum springen, bekommt der Insasse nur noch mehr Angst.

Das liegt daran, dass die Umstände, unter denen Soldaten und Feuerwehrler tätig werden müssen, gar nicht mal so unterschiedlich sind. In beiden Fällen werden irgendwelche Leute, die relativ knapp ausgebildet sind, ggf. mitten in der Nacht in verstörende, traumatisierende Situationen geschickt und dann muss alles sofort funktionieren. Außerdem muss die Zusammenarbeit mit den "Nachbarn" spontan funktionieren, d.h. alle müssen ungefähr die gleiche Arbeitsweise anwenden.

Und das klappt nicht, wenn man erstmal eine Diskussionsrunde einberuft, darüber philosophiert wer sich mit der Situation jetzt am besten auskennt und dann per geheimer Wahl abstimmt, welche Vorgehensweise am sinnvollsten ist.

Die Feuerwehren in Deutschland und den USA bestehen grundsätzlich aus Freiwilligen aller Gesellschaftsschichten. Das heißt, dass quasi keine Selektion stattfindet, wer nun für den Einsatz geeignet ist, ob man besonders helle ist oder sonst etwas. Sondern vom Dorfdeppen bis zum Physikprofessor machen alle den gleichen Lehrgang über ein paar Samstage, üben 2x im Monat gemeinsam und dann muss jeder wissen, was wann zu tun ist.

So, wie eben auch der "einfache Fußsoldat" jahrhundertelang irgendein Dorfjunge war, der ein paar Wochen lang den Umgang mit seiner Waffe geübt hat und dann in den Kampf ging. Vielleicht gerade frisch von der Kaserne weg, die erste Nacht im Zelt, schon greift der Feind an und das Gewehr muss im Halbschlaf sicher bedient werden können.

Das funktioniert, wenn man sagt "der Fußsoldat soll nicht denken, sondern das machen was er gelernt hat". Also Befehl und Gehorsam.

Ist bei der Feuerwehr das gleiche: Der Physikprofessor und der Dorfdepp müssen auf der gleichen Ebene zusammen arbeiten können, auch wenn's gerade nachts um 3 ist und die Gesamtsituation eigentlich geeignet wäre, eine Panikattacke auszulösen. Gleiches Prinzip, gleiche Lösung: Befehl und Gehorsam.

Natürlich gibt es eine andere Lösung: Bessere Ausbildung. Wenn man einen Soldaten nicht nur ein paar Wochen, sondern 3 Jahre lang ausbildet, wird er ein sehr viel besseres Verständnis von seiner Arbeit haben und sie wahrscheinlich auch ohne Befehle gut ausüben. Und wenn man einen Feuerwehrler jahrelang ausbildet, wird es dort genauso sein.

So ist es bei den Berufsfeuerwehren: Dort haben die Feuerwehrler eben nicht nur einen kleinen Lehrgang, sondern eine jahrelange Fachausbildung. Das Ergebnis ist, dass sie viel unabhängiger agieren und gewisse Entscheidungen sinnvoll selbst fällen können.

Es ist nur leider für die tausenden Dorf- und Kleinstadtfeuerwehren in Deutschland nicht machbar, Berufskräfte mit entsprechender Ausbildung einzustellen. Deshalb funktioniert der Ansatz mit der höheren Ausbildung nicht. Also muss man sich eben auf das bewährte Prinzip "Befehl und Gehorsam" verlassen.

Im Übrigen basiert das deutsche Feuerwehrwesen in seinen Grundzügen tatsächlich noch auf Regelwerken aus der NS-Zeit.