Warum bewegen sich Pianisten so komisch beim spielen?

Nachtschatte7  21.09.2022, 19:51

Wie meinst du das "komisch"?

Pappstrohhalm 
Fragesteller
 21.09.2022, 19:52

Dieses hin und her geschwinge

6 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo Pappstrohhalm,

Du verallgemeinerst in Deiner Frage. Die meisten der großen Pianisten konzentrieren und beschränken sich auf das Wesentliche. Friedrich Gulda wurde in seinen jüngeren Jahren sogar nachgesagt, er bewege sich kaum, er sitze wie am Schreibtisch.

Was ist auf den Körper bezogen das Wesentliche? Die technischen Anforderungen zu meistern. Was man aus der Hand spielt, kann bewegungsmäßig in der Hand bleiben. Was man aus dem Arm spielt, braucht - um nicht zu verkrampfen - Gegengewicht und entspannendes Wechselspiel mit dem Oberkörper.
Der Pianist sollte sein aufmerksamster Zuhörer sein. Die Musik geschieht in seiner Vorstellung, sein Körper realisiert das nur mit Hilfe des Instrumentes.

So wie in einer Unterhaltung Gesten ins Gespräch einfließen, so können beim musikalischen Vortrag Gesten in den Bewegungsablauf einfließen: Momente der besonderen Aufmerksamkeit, der Leichtigkeit, wenn die Musik zu tanzen beginnt, verstärkter Zugriff, wenn eine Passage eindringlich oder episch wird...

Alles weitere ist unkontrolliert und mehr oder weniger schlechte Angewohnheit.

Bei einigen wenigen aber auch Show. Einen der bedeutendsten Pianisten höre ich gern, ihm beim Spielen zusehen fällt mir schwer: Lang Lang. Was er in seinen Konzerten praktiziert - außer dem eigentlichen Klavierspiel natürlich - hat mit der Musik nur noch wenig zu tun: Bei kantablen, verinnerlichten Stellen sieht er aus, als habe ihm eben seine ältere Schwester seinen Hamster vergiftet, und gleich fängt er an zu weinen. Aber bei einem breiten Publikum kommt das offenbar an...

LG
Arlecchino

Pappstrohhalm 
Fragesteller
 25.09.2022, 12:50

Dankeschön.

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AnakininLove  11.07.2023, 15:36

Lang Lang ist und bleibt auch mein Idol und Favorit.(^-^).

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Da gibt es mehrere Gründe und auch unterschiedliche Auffassungen.

(1) Klavier wird (entgegen Annahmen vieler Laien) nicht aus den Fingern gespielt, sondern aus dem Oberkörper. Die nötigen Bewegungen entstehen bereits in den Schultern. Da der Bewegungsapparat konsequent locker bleiben muss hilft es vielen nicht zu verkrampfen, indem sie "mitschwingen", anstatt immer nur ruhig zu verharren.

(2) Demgegenüber steht die Aussage Kratzerts aus seinem Standardlehrwerk, der Körper sei am lockersten in einer komplett ruhigen Pose, zusätzliche Bewegungen bedeuten eher mehr Aufwand.

(3) Wie Don Credo bereits geantwortet hat, lassen sich viele von Rythmus und Melodik der Musik treiben und geben sich hin, was automatisch zur Bewegung führt, wie das "Mitschunkeln", wenn das Radio läuft.

(4) Einige Pianisten neigen zu einem übertriebenen Showeffekt (bestes Beispiel ist der allseits bekannte Lang Lang). Möglicherweise um dem Publikum noch klarer zu machen, dass sie die Musik, die sie spielen auch tatsächlich "leben". Möglicherweise auch um Schwächen in der Interpretation zu überspielen (wie in besagtem Beispiel).

lg up

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Musikalisch unterwegs seit über dreißig Jahren.

Also als ich damals Klavierunterricht hatte, da habe ich so ein Teil an den Oberkörper gesetzt bekommen, das dazu da war, das ich nur auf die Noten schauen konnte aber nicht auf meine Hände, ich bewege mich deswegen auch so als ob ich einen Stock im Popo hätte und keine Hüftrotation möglich ist.

Mein Kollege hatte ganz cool am Keyboard gelernt und sieht nicht so verkrampft aus wie ich, wenn er spielt.

Während Sänger, Konzertsänger, deren Instrument der ganze Körper ist, relativ ruhig verharren, schaukeln Pianisten oft hin und wider, als ob sie Fliegen verscheuchten, sodaß man nicht hinschauen mag. Man kann aber oft genug auch nicht hinhören, denn dem Zuviel der Körperbewegung entspricht das Zuschnell der Fingerbewegung. Beides kommt aus Affektiertheit, weil sie dadurch einerseits ihre Fertigkeit, andererseits ihre Person bewundern lassen wollen. Ein berühmter Pianist spielt zB Liszts Liebestraum Nr 3 geradezu in Überschall, sodaß man nicht einmal so schnell umblättern kann, als er spielt, weil es wie einen Wettbewerb gilt, wo Einer den Andern übertreffen muß, um ebenfalls zu bestehen oder aufzufallen. Klavier- oder gar Orgelwettbewerbe befördern diese Unsitte noch: dort ohne Gefühl trotz Schunkelei, hier ohne Ohren trotz hundert (nuancierenden) Registern, weil zumeist alle mit Einmal!

Es ist nicht damit sie die Musik mehr fühlen, sondern weil sie die Musik so stark fühlen, dass sie die Emotionen auch durch Bewegung ausdrücken müssen.

Wenn man z. b. ein Lied hörst, was einem super gut gefällt, bewegt man sich auch oft mit, tanzt dazu etc.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung