Wann ist Farbfernsehen in Westdeutschland populär geworden?

6 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Das hat nichts mit Popularität zu tun, das ist eine Sache des Preises.

Ein Farbfernseher braucht mehr Elektronik und die muß stärker sein. Ein Farbfernseher (mit Bildröhre) braucht mehr als 10x so viel Leistung. Also ist alleine der Mehraufwand im Fernseher schon mal richtig viel teurer.

Auch die Bildröhre ist viel teurer. Bei S/W schreibt ein Elektronenstrahl das Bild auf einen mit weißem Phosphor beschichteten Schirm. Das war's!

Bei Farbe braucht man 3 Elektronenstrahlen die aufeinander abgestimmt sind, eine Schattenmaske die immer nur einen der Strahlen auf eine Sorte Phosphor scheinen lässt und natürlich 3 verschiedene Sorten phosphor.

Die Amis wollten preisgünstiges Farbfernsehen sofort haben. Der Preis ist keine Fehlerkorrektur der Farbe und "billiger Phosphor" der keine reinen RGB Farben darstellen kann. Das Ergebnis sind ehr Pastellfarben die dann auch noch ständig falsch übertragen werden. Da hat der Nachrichtensprecher oft ein Grünliches oder Purpurrotes Gesicht bis man dann an dem gründen Knopf vorne am Fernseher dreht bis das Bild richtig zu sein scheint. Das hält dann in der Regel nur für 20 Minuten. Das Farbübertragunsgverfahren nennt sich NTSC was scherzhaft als "Never The Same Color" bezeichnet wird. Erst Mitte der 1980er war die Technik so weit, dass die Fernseher ihre Farbverfälschungen computergesteuert ausgleichen konnten.

In Deutschland kommt PAL zum Einsatz. Hier werden die Farbinformationen für jede zweite Zeile gespiegelt übertragen. Fehler wirken sich so abwechselnd positiv und negativ aus. Der Fernseher nimmt die Farbe der aktuellen Bildzeile und mischt die mit der Farbe der vorhergehenden Zeile. Das reduziert die Farbauflösung zwar um die Hälfte, das Menschliche Auge hat aber bezogen auf die Helligkeitsauflösung sowiso nur 1/3 der Farbauflösung, das merkt man also nicht. Aber dazu muß sich der Fernseher die alte Zeile merken. Das ging anfangs nur mit einer Verzögerungsstrecke. Schnelle preisgünstige Zwischenspeicher kamen erst Ende der 1980er auf. Zurerst kam eine Ultraschall Kristallverzögerungsstrecke zum Einsatz. Und der Kristall war da ein echtes Juwel, das Material zwar nicht so teuer wie ein echter Edelstein, dafür aber der Schliff ein vielfaches Präziser als man das bei Diamanten machen muß. Das Herzstück von PAL kostete Anfangs DM 20.000,-!!! Dafür konnte man sich mehr als 3 Autos kaufen!

Erst Ende der 1970er wurde ein Farbfernseher erschwinglich für den gehobenen Mittelstand, vorher konnten sich nur die wirklich Reichen einen Farbfernseher leisten. Anfang der 1980er kamen dann Preisgünstige Alternativen für PAL so dass ein Farbfernseher nur noch etwa das 3-fache eines S/W Gerätes kostete. Zusammen mit dem allgemeinen Preisverfall bei Transistortechnik konnte sich dann jeder Mittelständler durch eisernes Sparen einen Farbfernseher leisten. Erst mitte der 1980er war dann ein Farbfernseher für das Wohnzimmer Mindeststandard da nicht viel zu teuer. Zweitgeräte oder insbesondere Tragbare Geräte (Batteriebetrieben, leicht) waren immer noch oft S/W. Erst so in den 1990ern verschwanden die S/W Fernseher vom Markt, keiner wollte die mehr haben, auch Zweitgeräte waren dann in Farbe, nicht zuletzt auch wegen den Spielekonsolen (Kinder). 

In den 1980ern gab es den schönen Witz:

Kunde: "Guten Tag, ich hätte gerne einen Farbfernseher"

Verkäufer: "Sehr gerne, welche Farbe soll es denn sein?"


Commodore64  22.05.2015, 13:19

Übrigens lohnte sich ein Farbfernseher bis Ende der 1970er nicht wirklich.

Man konnte zwar Farbe schon auf Magnetband aufnehmen, aber nur maximal 2x kopieren. Für eine Fernsehproduktion musste man dann auf Kinofilmmaterial zurückgreifen was sehr teuer war.

In Farbe gab es nur alles was Live war, also Fußballübertragungen und Nachrichten und teuer Produziertes wie Wissenschaftsshows und Kinofilme. Alles andere war in S/W.

Bestes Beispiel sind die frühen Sience Fiction Serien.

  • Star Trek USA, ab 1966 in Farbe auf Schmalfilm produziert
  • Raumpatrouille Orion DE, ebenfalls ab 1966 produziert in S/W
  • Mondbasis Alpha 1 UK, ab 1975 produziert auf 35mm Kinofarbfilm
Vitaly89 
Beitragsersteller
 22.05.2015, 22:49

Vielen Dank für eine interessante und informative Antwort!

Und beste Wünsche aus Sibirien! :)

Vitaly

Ichh kann mich noch erinnern, das es Vico Torriani war, dessen Sendung als erste farbig wurde. War "Der goldene Schuß" und eine beliebte Samstag-Abend- Show. Das war lange zuvor angekündig worden und viele hatten daher schon vorher einen Farbfernseher gekauft. Enttäuschend war, dass anfangs die meisten Filme immer noch schwarz-weiss waren. Ausnahme z.B. die beliebten Serien wie Bonanza die aus den USA kam. Die deutschen Serien, kann mich z.B. noch an "Graf Joster" und "Raumschiff Orion" erinneren waren weiterhin noch schwarz-weiß. Es gab auch so komische Folien, die über den schwarz-weiß-Fenseher geklebt wurden, die mehrfarbig waren und Farbe vorgaukeln sollten. War Bauernfängerei. Mein Opa hatte sowas gekauft. Da unser TV schon recht alt war, wurde eben ein neuer gekauft (vom Weihnachtsgeld). Der Preis war so um das drei-bis vierfache höher als ein schwarz-weißer. Allerdings gingen die Preise mit der Zeit runter, wie immer wenn was neues auf den Markt kommt.


Vitaly89 
Beitragsersteller
 21.05.2015, 22:54

Danke! :)

Ich erinnere mich das sich zur Fußball WM 1974 viele in Deutschland ihren ersten Farbfernseher gekauft haben,da waren sie in Deutschland auch noch recht teuer.


bcords  21.05.2015, 23:08

Kommt hin mit dem was ich aus meiner Kindheit so weiß und was mir die Altgesellen so während meiner Ausbildung zum RF Techniker erzählt haben.

Vitaly89 
Beitragsersteller
 21.05.2015, 22:51

Danke! :)

Es gab nur wenige Sendungen in Farbe. Anfangs wurde in den Programmheften auf eine Farbsendung hingewiesen. Einige Jahre später dann auf S/W Sendungen. Die ersten Apparate waren auch für unsere Verhältnisse sehr teuer. Über 2200 DM bei einem Durchschittsverdienst von 650 - 1000 DM. Die Olympiade 1972 in München und die WM 1974 haben den Verkauf angekurbelt und der Fernseher kostete nur noch 1500 DM . Die richtige Farbwelle setzte ein als ein Gerät nur noch ca. 800 DM kostete.  Was die Dinger heute kosten wirst ja wissen. So ab 200€ biste dabei mit einem Flat TV


Vitaly89 
Beitragsersteller
 22.05.2015, 04:14

Danke! :)

Ab 1970 in zunehmenden Maße. Ab 1980 dann noch schneller, da Farbfernseher immer Billiger wurden.  Aber Farbfernsehen war bis Ende 70er Jahre für viele in Westdeutschland immer noch so etwas wie Luxus. Schwarz/Weiss Fernsehen war noch bis ca. Mitte der 80er Jahre in Westdeutschland teils weitverbreitet. Damals in den 80er Jahren waren die Farbfernseher von Quelle am billigsten. Teils waren sie aus der DDR. Von Robotron oder VEB Staßfurt usw. Die hießen bei Quelle Universum Farbfernseher. Bei Neckermann  und Otto glaub Hanseatic usw. Quelle war damals führend bei Fernseher....Video....Musikanlagen....Haushalts Geräte usw. Finanzierung war auch über die Hauseigene Noris Bank möglich.


Vitaly89 
Beitragsersteller
 22.05.2015, 00:28

Danke! :)