Versailler Vertrag?

1 Antwort

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Das Erklären der Probleme und das damit eng verbundene Beurteilen der Auswirkungen ist zum Teil schwierig und in knapper Form können Einseitigkeiten und mangelnde Berücksichtungen von Gesichtspunkten auftreten.

Ein skizzenhafter Versuch bleibt offen für Möglichkeiten der Ergänzung.

1) Hauptinhalte

territoriale Bestimmungen enthielten direkte (Abtrennung) oder indirekte (nach Abstimmung abgetreten) Gebietsverluste Deutschlands:

  • Eupen-Malmedy
  • Elsass (Elsaß-Lothringen)
  • Nordschleswig
  • Hultschiner Ländchen
  • Oberschlesien (teilweise, östliche Gebiete)
  • Westpreußen und Posen
  • Danzig (wurde „Freie Stadt Danzig“ unter Aufsicht des Völkerbundes)
  • Memelland

Verbot eines Zusammenschlusses von Deutschland und Österreich zu einem einzigen Staat außer bei Zustimmung des Völkerbundrates

zeitweise Kontrolle anderer Staaten in einigen Gebieten (Saargebiet bis zu einer Volksabstimmung in 15 Jahren unter Aufsicht des Völkerbundes, befristete militärische Besatzung im Rheinland und Ruhrgebiet)

Verpflichtung zu großen Entschädigungsleistungen (Reparationen) in Form von Geldzahlungen und Sachlieferungen, deren endgültige Höhe und Dauer von einer Reparationskommission festgelegt werden sollte (Deutschland und seine Verbündeten wurden als Urheber für alle Verluste und Schäden verantwortlich gemacht)

Gründung des Völkerbundes als internationale Organisation der Staaten

Gründung der Internationalen Arbeitsorganisation zur Förderung sozialer Gerechtigkeit der Menschenrechte und der Arbeitsbedingungen

Abtretung der deutschen Kolonien an den Völkerbund

Verkleinerung der Handelsflotte Deutschlands

militärische Einschränkungen Deutschlands, vor allem durch Festlegung einer Höchstzahl der Truppen, Abschaffung allgemeiner Wehrpflicht und Verbot bzw. Begrenzung der Herstellung und des Besitzes bestimmter Waffen

dazu mit einigen zusätzlichen Einzelheiten:

https://www.gutefrage.net/frage/was-waren-die-friedensbedingungen-des-versailler-vertrags#answer-418636105

2) Probleme

Nach vier Jahren Krieg mit heftigen Kämpfen, großen Verlusten, Zerstörungen, Schäden und Entbehrungen, mit Erregung starker nationalistischer Gefühle in der Bevölkerung und propagandistisch-weltanschaulichen Auseinandersetzungen war es sehr schwierig, einen Frieden herzustellen, der eine Chance für ein Beschreiten eines Weges zu versöhnlicheren Beziehungen bot.

Es war kaum möglich, einen Friedensordnung zu schaffen, die auf viel Zufriedenheit vn allen Seiten stieß und nicht auf ein erhebliches Ausmaß an Unzufriedenheit, Verärgerung und Empörung.

Der Friedensvertrag von Versailles (am 28. Juni 1919 unterzeichnet, am 10. Januar 1920 in Kraft getreten) war in erster Linie ein Kompromiss unter den Siegermächten des Ersten Weltkrieges, besonders Frankreich, Großbritannien und den USA.

Deutschland konnte nicht mitverhandeln. Es blieb nur am Ende das Einreichen schriftlicher Vorschläge und Einwendungen. Auch wenn diese ein wenig berücksichtigt worden sind, handelte es ich insofern um einen Diktatfrieden, keinen Verständigungsfrieden. Deutschland konnte zustimmen oder ablehnen. Die deutsche Regierung und der Reichstag wollten zunächst nicht zustimmen, taten dies aber unter Druck eines Ultimatums in der richtigen Einsicht schlimmerer Folgen einer Verweigerung.

Der Kongress der USA lehnte einen Beitritt zum mit dem Vertrag verbundenen Völkerbund ab und ratifizierte den Vertrag nicht. Die USA zogen sich weitgehend wieder aus einem politischen Engagement in Europa zurück. Damit war die politische Unterstützung der neuen Ordnung geringer.

Frankreich hatte starke Schäden erlitten und ein starkes Sicherheitsbedürfnis gegenüber Deutschland, zumal mit dem Entstehen der Sowjetunion aus dem russischen Reich nach der Oktoberrevolution der Bolschewisten ein bisheriger Verbündeter wegfiel. Daher gab es bei vielen Franzosen eine Neigung, Deutschland schwachhalten zu wollen.

Die Aussage zur Verantwortlichkeit Deutschlands und seine Verbündeten für alle Verluste und Schäden war als Rechtfertigung eines Anspuchs auf Wiedergutmachungen gedacht. Viele Deutsche empfanden dies als Zuweisung einer alleinigen Kriegschuld Deutschlands und seine Verbündeten. Da Thema wurde so stark emotionalisiert. Auf deutscher Seite gab es bei vielen eine Neigung, eine eigene Kriegsschuld vollständig zu verneinen.

Die Reparationen waren ein offengelassenes Problem. Der Betrag war noch nicht festgelegt worden. Deutlich war schon, dass die Summe sehr hoch sein würde. Großbritannien, Frankreich und Italien hatten Kriegskredite von den USA bekommen. Da sie diese nun zahlen sollten (die Schulden wurden nicht erlassen), hatten sie ein Interesse, durch die deutschen Reparationen Einnahmen zu erreichen. Wegen der Größenordnungen führte der Gedanke, Wiedergutmachungen zu verlangen und dabei den Verlierer für die Kriegschäden zahlen zu lassen, zu Schwierigkeiten. Für Deutschland wurde eine sehr lange Zeitdauer jährlicher Zahlungen vorgesehen. Seine wirtschaftliche Stabilität war dadurch gefährdet. An die deutsche Seite gab es Kredite aus den USA. Damit entstand allerdings eine finanziell-wirtschaftiche Abhängigkeit.

Auf deutscher Seite wurde der Friedensvertrag vielfach für ungerecht, demütigend und eine Schande gehalten.

Der Versailler Vertrag ist zu einer Belastung für die Weimarer Reüpublik geworden. Die unangenehmen Bestimmungen waren eine Folge des verlorenen Ersten Weltkrieges und damit eine Erbschaft des Kaiserreiches, aber politische Gegner einer Demokratie nutzten das Thema, um Stimmung für sich zu machen und die parlamentarische Demokratie und die sie tragenden Parteien und Politiker anzugreifen. Begünstigt wurde dies durch eine Reaktion großer Teile der deutschen Bevölkerung, die Realitäten verkannten oder verdrängten und sich einer übertriebenen Erwartung eines ziemlich milden Friedens durch Woodrow Wilson, Präsident der USA, hingegeben hatten.

Der Versailler Vertrag hatte ungünstige psychologische Folgen und führte zum langandauernden Problem der Reparationszahlungen, was radikalen Kräften Agitationsmöglichkeiten mit Angriffen auf Demokraten bot, die auf Kompromisse, internationale Verständigung und Einsicht in reale Bedingungen ausgerichtet waren. Die Dolchstoßlegende (eine unzutreffende Darstellung, das deutsche Heer sei im Weltkrieg „im Felde unbesiegt“ geblieben und habe erst durch oppositionelle „vaterlandslose“ Zivilisten aus der Heimat einen „Dolchstoß von hinten“ erhalten) und eine Kriegsunschuldlegende waren schädlich. Revolutionäre im November 1918 („als Novemberverbrecher“ verleumdet) und Demokraten wurden in einer Geschichtsfälschung als Schuldige abgestempelt und die Führungsschichten des Deutschen Kaiserreiches, vor allem die militärische Führung, von ihrer Verantwortung entlastet und gerechtfertigt. Rechtsextreme Propaganda griff oft auf diese falschen Behauptungen zurück. Die Demokratie wurde mit der Niederlage verbunden. So wurde der Versailler Vertrag zu einer Belastung der Weimarer Republik.

3) Auswirkungen

Der Friedensvertrag hat eine Friedensordnung geregelt, die allerdings nicht sehr stabil war.

Er hat aber keineswegs zwangsläufig und direkt zu Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg geführt.

Es ist eine neue politische Landkarte, vor allem in Europa, festgesetzt worden.

Deutschland hat Verluste an Gebiet und Wirtschaftskraft erlitten. Viele Deutsche lebten nun außerhalb der deutschen Staatsgrenzen.

Die Festsetzung der Reparationen ist für einen Wiederaufbau in Europa ungünstig gewesen. Die Summe war zu hoch. Deutschland hat sie tatsächlich damals auch nicht voll bezahlt. Aus den USA gingen Kredite nach Deutschland. Damit ist Finanzierung auf Pump gestiegen und mit der Abhängigkeit von den USA ergab sich eine Anfälligkeit, wie sich dann beim beim Finanzeinbruch an der Börse 1929 zeigte, die zur Weltwirtschaftskrise führte.

Überlegt werden kann auch, ob die Bestimmung des Versailler Vertrages, in Deutschand eine Berufsarmee (mit einer vorgeschriebenen Höchstzahl an Soldaten) einzurichten, Schattenseiten hatte (Staat im Staate mit wenig demokratischer Einstellung).

Deutschland ist im Kern ein souveräner Nationalstaat geblieben. Deutschland ist lebensfähig gelassen worden. Ein Abrutschen in ein Chaos oder einen kommunistischen Umsturz wollten die Siegermächte nicht.

Überlegt werden kann, ob der Friedensvertrag einerseits so hart war, dass er auf starke Ablehnung bei den Deutschen stieß, andererseits so milde, dass Deutschland eine starke Macht in Europa blieb, also eine Einbindung nicht leicht gelingen konnte, aber Deutschland auch nicht dauerhaft entmachtet war.

Es gab Ansatzpunkte für internationale Zusammenarbeit, zum Beispiel durch die Gründung des Völkerbundes. Wie gut dies praktisch gelang, hing allerdings von der tatsächlichen Politik ab, und gegenüber mächtigen Staaten waren die Möglichkeiten sehr begrenzt.

Der Friedensvertag von Versailles ließ die Möglichkeit einer Veränderung über eine Verständigungspolitik offen.

Zeitweise hat es eine verhältnismäßig erfolgreiche Verständigungspolitik gegeben (z. B. Verträge von Locarno 1925, Aufnahme Deutschlands in den Vökerbund 1926), wobei auf deutscher Seite Gustav Stresemann, auf französischer Seite Aristide Briand ein wichtiger Vertreter war. Bei gutem Willen war eine Verbesserung der Beziehungen möglich.

Nicht der Versailler Vertrag für sich genommen, sondern die Reaktion vieler Deutscher auf ihn hat zum Scheitern der Demokratie in Deutschland durch den Untergang der Weimarer Republik beigetragen. Der Versailler Vertrag gehörte zu mehreren ungünstigen Rahmenbedingungen der Weimarer Republik. Er hat eine Rolle in einem Ursachengeflecht gespielt, in dem viele Faktoren vorhanden waren und beim Untergang der Demokratie zusammenwirkten.

Fast alle Parteien in Deutschland traten dafür ein, den Versailler Vertrag zu revidieren (durchsehen, überprüfen und verändern/korrigieren). Ein Wunsch nach Veränderung der Bedingungen des Friedensvertrages war alleingenommen kein Grund für eine Abschaffung der Demokratie. Erst in Verbindung mit einem starken (teilweise extremen) Nationalismus und einer antidemokratischen Einstellung ergab sich bei einer erheblichen Anzahl der Bevölkerung diese Tendenz.