Unterschied zwischen objektiven Wirklichkeit und dem Wissen beim Konstruktivismus?
Was ist der Unterschied zwischen einer "objektiven" Wirklichkeit und dem brauchbaren Wissen beim Konstruktivismus?
3 Antworten
Meinst Du den Radikalen Konstruktivismus?
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Der verneint zwar nicht das Vorhandensein einer "objektiven Wirklichkeit". Sagt aber aus, dass keine objektiven Aussagen darüber getroffen werden können, weil jede Aussage von einem Subjekt getroffen wird, dessen Wahrnehmung subjektiven und biologischen Einschränkungen unterliegt, und das deshalb immer nur einen Ausschnitt der objektiven Wirklichkeit abbilden kann.
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Wissen oder Wirklichkeitskonstruktionen sind deshalb vor diesem Hintergrund nie "absolut wahr", sondern allenfalls "viabel", sprich passend oder brauchbar.
> "Gar das Subjekt ist eliminiert,"
Ist das im Konstruktivismus so, oder eher in der Hirnforschung?
> "weil alles Erleben durch neuronale Prozesse festgeschrieben ist."
S.o. Auch wird das Ganze hier unsinnig bzw zirkulär. Denn wenn alles Erleben "durch neuronale Prozesse festgeschrieben" wäre (wie erlebt man dann Neues?), dann wäre auch die Erkenntnis neuronaler Prozesse durch neuronale Prozesse festgeschrieben.
Nun, aimbot, Du trägst Eulen nach Athen zum notizhelge.
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Dass der Radikale Konstruktivismus das Subjekt eliminiert ist eine von Unkenntnis getragene absurde Behauptung. Ganz im Gegenteil, das Subjekt wird zum Dreh- und Angelpunkt jeder "Wirklichkeit", jeder "Realität". Diese ist, sofern geteilte Realität, allenfalls Ergebnis einer intersubjektiven Abstimmung und Konditionierung.
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Alles, was eliminiert wird, ist die Illusion, es könnten objektive Aussagen über objektive Wirklichkeiten getroffen werden. Dass diese Auffassungen mitunter einem Theologen nicht in den Kram passen, der glaubensimmanent von einer objektiv erfahrbaren Wirklichkeit ebenso ausgehen muss, wie von "absolut verkündbaren Wahrheiten", ist ein anderes Thema. Lässt sich auf Basis radikalkonstruktivister Prämissen übrigens hervorragend diskutieren. Oder lies doch mal Everett. Der war als evangelikaler Missionar im Amazonas und fiel letztlich vom Glauben ab, weil eben dieses christliche "Wahrheitskonstrukt" unhaltbar wurde.
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Die Wurzeln des Radikalen Konstruktivismus liegen bei Kant und bei Platon.
Ganz recht ..
nur! ein Ansatz.
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Allerdings ein recht gut und plausibel begründeter, der jede andere Auffassung locker widerlegt.
Experimentell sogar ;-))
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Alldieweil niemand wegdiskutieren kann, dass Wirklichkeits- und Realitätswahrnehmung massiven, neurophysiologisch, psychologisch und sozial bedingten Einschränkungen unterliegen. Siehe u.a. die tausend Experimente zur visuellen Wahrnehmung, die deutlich machen, wie die visuelle Welt vom Subjekt konstruiert wird.
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http://kuerzer.de/mvi9C57uZ
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Die "Realität der Objekte" kann deshalb keine 1:1 Abbildung durch ein "Subjekt" erfahren.
Wir erkennen - so bereits Kant - nur einen Ausschnitt einer rückgeschlossenen objektiven Wirklichkeit. Für unsere Sinne gibt es Einschränkungen wie für unsere Möglichkeiten, Sinneseindrücke miteinander zu verknüpfen. Die Wissenschaft verhilft uns mit detaillierter Forschung und neuen Erfassungsmethoden, die uns neue "Sinne" geben, immer weiter in diese unbekannte "objektive Wirklichkeit" vorzudringen. Man könnte sagen, wir kommunizieren in einer uns gegebenen Art und Weise mit der "objektiven Wirklichkeit" und diese antwortet fragebezogen, nach dem Motto: Wie man in den Wald ruft, so schallt es zurück.
Da vieles davon unbewusst geschieht, ist meiner Meinung nach der Begriff der Konstruktion überzogen. Hier geht es nicht nur um ein Impuls-Resonanzverhältnis sondern um Formung, Konstruktion. Es gibt das Phänomen, dass stark ideologiegeprägte Menschen Fakten, die nicht in ihr Weltbild passen ausblenden. Wunschvorstellungen sind Filter. Doch als korrigierendes Moment gibt es die von unseren Wusnchvorstellungen unbeeinflusste Resonanz aus der Welt und die vielfältige zwischenmenschliche Kommunikation. Mehr Bedeutung bekommt der Konstruktivismus, wenn man von der individuellen auf die gesellschaftliche Ebene geht. Hier ist das prägende Moment über gesellschaftliche Machtgruppen (Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Religion) bereits stärker. Dennoch hat das Scheitern des realen Sozialismus gezeigt, dass die konstruierte Beugung der gelebten Wirklichkeit unter eine uns nicht ganz zugängliche "objektive Wirklichkeit" seine Grenzen hat. Gesellschaftliche Ideale sind Gruppenhypothesen ans große Unbekannte, die geduldet oder abgewatscht werden. Wie sagte Herr Gorbatschow in weiser Einsicht: Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Er hätte auch sagen können, den bestraft die "objektive Wirklichkeit". Heidegger hätte gemurmelt: ... den bestraft das SEIN.
Der Unterschied zwischen objektiver Wirklichkeit und brauchbarem Wissen ist zunächst der, dass die beiden Begriffe unterschiedlichen Kategorien angehören (vgl. Unterschied zwischen einem Apfel und der Zahl 7):
Wirklichkeit ist ein Seinsmodus in Abgrenzung zu Möglichkeit und Notwendigkeit. Realität, oft synonym mit Wirklichkeit verwendet, bezeichnet das, was auch außerhalb des Denkens existiert.
Wissen ist Meinung/Information über (Teile der) Wirklichkeit.
Der Konstruktivismus geht davon aus, dass eine objektive Wirklichkeit (=Realität) existiert, die aber nicht erkennbar ist; und dass (subjektive) Wirklichkeit(en) von (realen) Gehirnen hervorgebracht werden. Und dass dies nichts als brauchbare Annahmen sind (weshalb der Konstruktivismus eben nicht zirkulär ist).
Wissen gilt im Konstruktivismus als brauchbar (viabel), wenn es hilft, Probleme zu lösen, die typischerweise die Gestalt haben: "Was passiert, wenn ich dies oder jenes tue?" oder "Was muss man tun, um dies oder jenes Ergebnis zu erzielen?"
Ojektive Wirklichkeit ist reduziert auf das, was in naturwissenschaftlichen Theorien vorkommt. Erfahrung hat keine Relevanz.
Gar das Subjekt ist eliminiert, weil alles Erleben durch neuronale Prozesse festgeschrieben ist.
Der kritische Realismus ist die Wurzel des Konstruktivismus.