Tut eine Geburt wirklich so weh, wie alle sagen?

7 Antworten

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Wenn ältere Menschen sich zum Kaffee treffen, versuchen sie sich mit Horrorgeschichten über ihre Krankheiten zu übertrumpfen.

Wenn Mütter sich zum Kaffee treffen, versuchen sie sich mit Horrorgeschichten über ihre Geburtserlebnisse zu übertrumpfen.

Aber ja, Kinderkriegen ist zumindest anstrengend bis sehr schmerzhaft - wenn es einfach wäre, könnten es ja auch die Männer. Würde eine Geburt unbemerkt vonstattengehen, kämen wohl viele Kinder ohne medizinische Hilfe und Betreuung bei Aldi an der Kasse zur Welt.

Die "Natur" hat zunächst wahrscheinlich aber gar nicht so starke Schmerzen vorgesehen - das ist ein Produkt der Evolutuion.

Denn für die Geburtsschmerzen ist der aufrechte Gang verantwortlich, der zu einem schmalen Becken und somit zu einen schmalen Geburtskanal geführt hat. Die zunehmende Intelligenz dagegen führte bei den Babys zu einem größeren Gehirn und somit größeren Schädel. Das Ergebnis ist ein im wahrsten Sinne schmerzhafter Kompromiss.

Ich sehe jedoch auch Vorteile im Geburtsschmerz.

Schmerz schützt den Menschen. Er zeigt uns, dass wir uns um unseren Körper (besser) kümmern oder ihn schonen müssen oder ganz einfach die Hand vom Feuer wegziehen sollten, da sie sonst verbrennt und wir vielleicht sterben.

Die "Natur" war also auch recht clever und hat es so eingerichtet, dass die Anzeichen der bevorstehenden Geburt von der Schwangeren wahr- und ernstgenommen werden. Denn schon die Höhlenfrau hatte dann einiges zu erledigen (einen sicheren Ort aufsuchen, Hilfe holen, Heilkräuter und Brennholz sammeln, Feuer machen, Nahrung und Wasser bereitstellen...) und konnte nicht flugs ins nächste Krankenhaus.

Unter Wehen schüttet der Körper automatisch Endorphine (morphiumähnliche körpereigene Stoffe, die schmerzlindernd bis schmerzhemmend wirken).

Außerdem stehen eine Reihe an Methoden und Arzneimittel zur Schmerzlinderung zur Verfügung. Entspannungs- und Atemübungen, Entspannungsbad, Akupunktur, Homöopathie, Chili-Pflaster, TENS-Gerät (transkutane elektronische Nervenstimulation), Spasmolytika (z.B. Buscopan), Paracetamol, Lachgas, Opioide (z.B. Dolantin oder Meptid - letzteres fällt nicht unter das BtMG - nur in der Eröffnungsperiode).

Das heißt aber nicht, dass es für alle Frauen ein Spaziergang wäre...

Viele Frauen entscheiden sich bei der Entbindung auch für eine Periduralanästhesie (PDA). Dabei wird die Schwangere durch eine Spritze in die Wirbelsäule so betäubt, dass sie vom Schmerz der Geburt oft kaum mehr etwas mitbekommt.

Eine Spontangeburt bedeutet ein paar Stunden Schmerzen mit Pausen und zudem sehr guten Möglichkeiten der Schmerzlinderung - der Lohn dieser Arbeit ist ein Leben.

Schau dich um - die Menschheit ist nicht ausgestorben und ein Großteil Frauen lassen sich mehrmals aufs Kinderkriegen ein. Also wird es wohl irgendwie gehen.

Vor einiger Zeit habe ich nach der Entbindung einer frischgebackenen, sehr jungen Mutter ein großes Kompliment ausgespochen, dass sie doch sehr schön geboren und es toll gemacht hat.

Ihre lakonische Antwort: "Mein Freund hat gesagt, ich soll einfach auf die Hebamme hören und tuen, was sie sagt - das habe ich gemacht."

Wenn eine Frau wegen der Schmerzen keine Kinder haben möchte, ist das vielleicht auch ganz gut so. Denn die Belastung mit Kind(ern) ist für Jahrzehnte viel höher zu bewerten, als nur wenige Stunden Schmerzen.

Alles Gute für dich!

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Ich bin seit fast 40 Jahren Hebamme
Laura8805  02.08.2022, 20:27

Ja, der Mensch ist ein Mängelwesen. Nicht wenige Frauen sind bei der Geburt damals gestorben.

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isebise50  02.08.2022, 20:37
@Laura8805

Damals?

In den vergangenen 25 Jahren hat sich die Müttersterblichkeit weltweit fast halbiert. Doch sterben noch immer jeden Tag ungefähr 800 Frauen an vermeidbaren Komplikationen im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Geburt, 99 Prozent davon in Entwicklungsländern.

Dies bedeutet, dass weltweit jedes Jahr die Einwohner von Städten wie z.B. Karlsruhe, Mannheim oder Augsburg (zum größten Teil vermeidbar) sterben.

In den 48 am wenigsten entwickelten Ländern stirbt jede 260. Frau an den Folgen einer Schwangerschaft oder Geburt, in den Industriestaaten jede 6.600.

Ein Indikator der seit 2000 geltenden Millenniums-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen (5A), der nicht erreicht wurde, ist der Rückgang der Müttersterblichkeit um 75 % zwischen 1990 und 2015.

1990 starben weltweit etwa 380 Mütter pro 100.000 Geburten, demnach war der Zielwert für 2015 95. Doch 2013 starben immer noch 210 Frauen pro 100.000 Geburten – diese Verringerung um 45 % bleibt weit von der Vorgabe aus dem Jahr 2000 entfernt.

Zu den häufigsten Todesursachen im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft zählen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Hypertensive Erkrankungen (Präeklampsie oder Eklampsie), Hämorrhagien (Blutungen), venöse Thromboembolien und Fruchtwasserembolien.

Grundsätzlich kann gesagt werden, dass in dem Moment, in dem die Versorgung der Schwangeren, Gebärenden oder Wöchnerin nicht mehr optimal ist, die Müttersterblichkeit rapide ansteigen kann.

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Laura8805  02.08.2022, 21:01
@isebise50

Also: Du bestätigst es ja noch mal selbst. Das kann schon ziemlich gefährlich werden. Frauen sterben an Geburten ja noch heute.

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isebise50  02.08.2022, 21:22
@Laura8805

Ich habe nie etwas anderes behauptet - nichtsdestotrotz tun mir in meinem Job die Frauen nicht leid, die sich ihren Kinderwunsch erfüllen (wenn ich mich nicht irre, war das doch irgendwo mal deine Ausgangsfrage an mich).

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Laura8805  02.08.2022, 22:43
@isebise50

Genau, das hatte mich interessiert. Ja, sich den Kinderwunsch erfüllen...Ich bin da halt nur immer vorsichtig mit diesem beschönigen, weil ich der Meinung bin, dass sowohl chronisches als auch akutes leiden in dem Kontext nicht verharmlost werden sollte. Also ich für meinen Teil hätte Mitleid aber nach so vielen Jahren ist man vielleicht auch abgehärtet und hört das schreien garnicht mehr.

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Also dem Kind nicht! :-)

Und wenn es jetzt kein Kaiserschnitt, etc. ist - sofern wir von Menschen reden - dann musst das kleine Kind halt durch die "******" heraus gepresst werden.

Mit ****** meine ich natürlich die "Vagina", "Scheide", "Spalte" oder was auch immer man sagen darf / muss.

Dabei können die Schamlippen und ein Teil des Scheidensausgang - also der äußeren Bereich der weiblichen Genitalzone - einreissen ... und das stelle ich mir - sogar als Mann - nicht sonderlich "schön" vor, sondern eher "schmerzhaft"...!? o_O

isebise50  02.12.2021, 12:59
Dabei können die Schamlippen und ein Teil des Scheidensausgang - also der äußeren Bereich der weiblichen Genitalzone - einreissen ... und das stelle ich mir - sogar als Mann - nicht sonderlich "schön" vor, sondern eher "schmerzhaft"...!? o_O

Alles was vorher passiert, kann tatsächlich "eher schmerzhaft" sein. Aber sowohl die Entstehung als auch die Abheilung von Geburtsverletzungen verläuft recht schmerzarm.

Der Damm wird durch den tiefertretenden kindlichen Kopf ausgewalzt und sehr gedehnt und gespannt. Wenn nicht genug Platz da ist, reißt er ein, er stellt quasi eine "Sollbruchstelle" dar.

In Deutschland liegt die Häufigkeit von Dammrissen - je nach Studie - zwischen 20 und 30 Prozent. Meist sind es aber nur kleinere Risse in der Scheidenwand, die auch von allein - also ohne Behandlung - heilen.

Doch konkrete Zahlen sind schwierig zu benennen, da es ja leider auch immer noch Kliniken gibt, die einen Dammschnitt routinemäßig durchführen.

Sehr viel seltener sind Dammrisse 3. und 4. Grades. Sie treten bei 0,7 bis 6 Prozent aller Geburten auf.

Gut versorgte Dammschnitte, Risse (auch seltene höhergradige) und andere Weichteilverletzungen (bei Bedarf Naht in örtlicher Betäubung) heilen in der Regel schnell und komplikationslos.

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Elli113  03.12.2021, 08:39
Und wenn es jetzt kein Kaiserschnitt, etc. ist - sofern wir von Menschen reden - dann musst das kleine Kind halt durch die "******" heraus gepresst werden.

Ein Kaiserschnitt ist übrigens eine große Bauch-OP und alles andere als schmerzlos. Denn wir reden hier nicht von kleinen Rissen, sondern von einem ca 15cm langen Schnitt durch alle Gewebeschichten (Haut, Fett, Muskeln, Gebärmutter) hindurch.

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das kann ich als Mann nicht beurteilen

Jein, es KANN schmerzhaft sein, muss aber nicht unbedingt so sein.
Bei mir liefen beide Geburten recht Human und besonders fix ab, der eine kam direkt vorne an der Anmeldung und bei dem anderen hab ich es gerade so noch in den Kreissaal geschafft.

Das ist, wie bei allen Schmerzerfahrungen, eine sehr individuelle Sache.

Ich kenne sowohl Frauen, die nach dem ersten Kind von weiterem Kinderwunsch abgerückt sind nur um die Schmerzen der Geburt nicht nochmal ertragen zu müssen, als auch solche, die Magendarmkrämpfe als deutlich schlimmer empfunden haben.

Schmerz ist etwas sehr Subjektives und hängt nicht nur von der Stärke des schmerzauslösenden Reizes sondern auch vom aktuellen Hormonhaushalt und dem Gehirn des einzelnen ab. Daher ist es praktisch unmöglich Schmerz objektiv und zuverlässig zu messen.

Im Allgemeinen gelten Geburten aber als eine der schmerzhaftesten Prozeduren, die man als Mensch durchleben kann.