"Stäbchen rein, Spender sein" -Knochenmarkspende nicht ohne vorherige Operation, warum dann dieser Satz?

13 Antworten

Mit dem Stäbchenabstrich wir erst mal ganz einfach und ohne OP festgestellt, ob derjenige als Spender in Frage kommt. Wenn das der Fall ist, muss er sich einer Spenden-OP noch lange nicht unterziehen, wenn er nicht will.

Das ist genau so, wie wenn Du Lottowerbung liest, die sagt "Werden sie Millionär!". Die verspricht Dir ja auch nicht, dass Du Millionär wirst, sondern nur dass Du es werden könntest.


lauracon  14.05.2015, 13:15

Die Op wird nur noch in 20% der Fälle gemacht (siehe mein Kommentar) Mittlerweile werden die Stammzellen fast immer über das BBlut entnomen, ähnlich wie bei einer Plasmaspende. 

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mychrissie  15.05.2015, 09:47
@lauracon

Interessant, das wusste ich zum Beispiel noch nicht. Ist für potentielle Spender aber sicher eine interessante Nachricht.

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    Ich stimme dir vollkommen zu, dass diese Werbung den Vorgang der Spende gefährlich verharmlost und grob irreführend ist. Der Slogan trifft auf die Registrierung zu, aber nicht auf die Spende.

  • Bedenke, dass sowohl Knochenmarkspende als auch Stammzellenspende keine risikolosen und schmerzfreien Eingriffe sind und wohl überlegt sein sollen.
  • Natürlich ist es toll, wenn Menschen die Bereitschaft haben, anderen zu helfen und dafür sogar Schmerzen, Operationen und Risiken zu tragen bereit sind. Gleichwohl sollte man sich schon bei der Registrierung überlegen, ob man wirklich im Falle eines Treffers dazu bereit wäre und diese Schmerzen und Risiken in Kauf nehmen würde. Ansonsten könnte sich die DKMS die Kosten für deine Typisierung ersparen und das wäre insgesamt besser als eine spätere Absage.
  • Bei der Knochenmarkspende aus dem Beckenkamm kommt es etwa im Verhältnis 1:20.000 zu ernsthaften Komplikationen. Zudem findet die Operation unter Vollnarkose statt und alle üblichen Narkose-Risiken fallen an. Oftmals wird vorher Eigenblut gespendet und nach der Operation rücktransfundiert. Im besten Falle fällt ein Krankenhausaufenthalt von üblicherweise 3 Tagen und eine Krankschreibung für weitere Tage an mit einer als mehr oder minder schmerzhaft empfundenen Abheilzeit.
  • Bei der Stammzellspende erhält man ein Medikament, das die Stammzellen aus dem Knochenmark in die Blutbahn austreten lässt. Die Langzeiterfahrungen damit sind stark begrenzt und ob es nicht genau durch diese Maßnahme zu späteren Krebsfällen oder andere drastischen Folgekrankheiten kommen kann, ist nicht abschließend geklärt. In 60% der Fälle treten infolge des Mittels so starke Schmerzen auf, dass ein Schmerzmittel verabreicht werden muss, die Milz vergrößert sich auffällig und die Blutwerte sind auf Monate stark verändert. Die Spende selbst ist zudem grob vergleichbar mit einer besonders langwierigen Blutspende mit bis zu 6 Stunden Entnahme an zwei aufeinanderfolgenden Tagen.
  • Interessanter Fachartikel zu Spenderisiken bei Stammzellspende: http://www.drk-haemotherapie.de/data/ausgabe_10/beitraege/spendersicherheit_bei_der_mobilisation_und_entnahme_10_07.pdf
  • Ich persönlich habe mich nicht registrieren lassen und möchte solche Risiken und Schmerzen definitiv nicht in Kauf nehmen. Ich finde auch nicht, dass man das von Fremden verlangen kann. Hier wird sehr viel schöngeredet und verheimlicht und hinterher mag keiner sagen, dass es wirklich sehr unangenehm war.
  • Hinzukommt, dass viele gerade dann nicht mehr bereit sind, persönliche Risiken auf sich zu nehmen, wenn sie selbst für Kinder sorgen und Verantwortung tragen. 

Sooo ich will auch mal ein bisschen was schreiben, 

also dieser einfache Spruch "Stäbchen rein, Spender sein" passt zwar auch nicht 100%ig, aber wenn man sich typisieren lassen hat egal ob über den Wangenabstrich oder eine kleine Blutentnahme dann ist man in der Datenbank des Zentralen Knochenmarkspenderegister Deutschlands (ZKRD) gespeichert. Wenn es dann eine Übereinstimmung mit einem Patienten, der an Blutkrebs oder einer ähnlichen Krankheit erkrankt ist bei der eine Stammzellentransplantation nötig wird, dann wird zuerst die DKMS kontaktiert (oder eine andere Datei, es gibt noch viel mehr als diese eine in Deutschland aber die DKMS ist die größte) und von der Datei bekommt dann auch der potentielle Spender Bescheid, dass er mit einem Patienten übereinstimmen könnte. Dafür ist dann erstmal noch eine weitere Blutentnahme nötig, denn bei der Ersttypisierung können aus Kostengründen nur etwa die Hälfte aller HLA Gewebemerkmale typisiert werden. Dabei ist ebenfalls interessant, dass die Blutgruppe so gut wie keine Rolle spielt, denn der Empfänger nimmt nach einer erfolgreichen Transplantation die Blutgruppe des Spenders an!

Wenn nach der erneuten Blutentnahme dann feststeht, dass wirklich alle Gewebemerkmale passen und auch kein Ausschlusskriterium zutrifft, dann wird der Spender erstmal ausführlich über das Spendeverfahren informiert. GANZ WICHTIG: Der Spender sollte zwar im Normalfall zu einer OP bereit sein, aber die OP wird nur noch in 20% der Vollnarkose benötigt und darüber wird man natürlich im Voraus informiert. In allen anderen Fällen wird die periphere Spende gemacht, bei der der Spender sich 5 Tage vor der Spende den Wirkstoff G-CSF spritzt um vermehrt Stammzellen zu bilden und diese ins Blut auszuschwemmen. So können dann die Stammzellen bei der Spende ganz einfach dem einen Arm entnommen werden und durch eine Zentrifuge (Zellseperator) gefiltert werden, das restliche Blut geht dann in den anderen Arm zurück. Der Vorgang dauert ca. 4 Stunden und man kann in der Zeit einen Film schauen und wird mit Essen und Getränken versorgt. 

Vor der Spende findet immer eine Voruntersuchung statt, bei der der Spender ebenfalls ausführlich informiert wird und komplett durchgecheckt um alle Risiken zu minimieren. Und zu der eigentlichen Spende kann man sogar eine Begleitperson mitnehmen. Außerdem werden alle Kosten erstattet. 

Ich selbst habe jetzt beide Spendeverfahren einmal gemacht, für eine Frau aus den USA, da die Zellen beim ersten Mal leider nicht angewachsen sind. Ich kann nur sagen, dass beide Verfahren überhaupt nicht schlimm waren, es war ein unfassbares Erlebnis für mich und damit einem Menschen vielleicht das Leben gerettet zu haben, lässt mich alle kleinen Problemchen mit den Spenden vergessen. Tut mir Leid, dass die Erklärung so lang geworden ist, aber ich hoffe, das ich es einigermaßen verständlich formuliert habe. Wenn ihr irgendwelche Fragen habt, dann schreibt einfach oder kommentiert, denn es ist so unfassbar wichtig, dass viele Menschen als Stammzellspender registriert sind. 

Gute Nacht! :D 

der spruch heissst das du getestet wirst und danach kommt die op wen du jemanden helfen kannst wen dein knochenmark passt

lauracon  14.05.2015, 01:09

Die OP wird nur noch in 20% der Fälle gemacht (und häufig für Kinder). 

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Der Werbeslogan ist natürlich in erster Linie dazu da, um mehr Leute in die Spenderdatei reinzuholen. "Stäbchen rein, spender sein" ist da eben ein kerniger Satz, der darstellen soll, dass die Registrierung überhaupt kein Aufwand ist. Je mehr Leute dann in der Datei sind, desto besser.

Die allermeisten Registrierten werden wahrscheinlich in ihrem Leben niemals zur Spende geladen. Aber wenn man tatsächlich - auch nach zig Jahren - mal in Frage käme, hat man dabei auf jeden Fall immer noch genug Zeit, sich mit der Sache erneut auseinanderzusetzen. Da wird man dann aufs Neue und deutlich intensiver an die ganzen Details herangeführt.

Wenn man dann tatsächlich in Frage kommt, kann man immer noch sagen, dass man zu keiner OP bereit wäre, sondern nur die Stammzellen per Apherese spenden möchte, das ist kein Problem. Die Apherese wird (wie andere ja schon geschrieben haben) generell als bevorzugtes Verfahren eingesetzt. Wenn man sich dennoch total Unwohl dabei fühlen sollte, kann man auch komplett absagen. Dieser Weg ist insgesamt immer noch sinnvoller, als sich gar nicht erst registrieren zu lassen. Lieber lehnen 5 von 10 Registrierten die Spende im Nachhinein noch mal ab, als dass sich diese 10 überhaupt nicht hätten registrieren lassen.