Shakespeare als Vorbild des Sturm und Drangs?

3 Antworten

Shakespeare ist das Vorbild für viele Epochen. Zu seiner Zeit, als Personen im Drama eindimensional dargestellt und hauptsächlich durch ihre Position innerhalb der Gesellschaft beschrieben wurden, ist er bereits in verworrene seelische Untergründe eingedrungen, wie es die Dichter erst hunderte von Jahren später gewagt haben.

Dazu kommt, dass Shakespeare von Romantikern ins Deutsche übersetzt wurde (Schlegel, Tieck) und uns deshalb noch moderner vorkommt, als er es ohnehin schon ist.

Stefan Zweig hat gesagt, dass vor Dostojewski nur Shakespeare mit fast wahnsinniger Intensität die Grenzen des menschlichen Wesens und Unwesens ausgelotet hat. Und das hat ohne Zweifel etwas von Sturm und Drang.

Hi. 

Die "Stürmer und Dränger" haben sich bei Shaespeare das herausgesucht, was ihnen ins Konzept paßte. 

Übrigens hat Shakespeare in seinen Stücken die "chain of being" auch ad absurdum geführt, zum Beispiel in der "Degree-Rede" des Ulysses in "Troilus und Cressida".  Das KANN man als Angriff auf die zeitgenössische Werteordnung interpretieren, hier: auf das elisabethanische Weltbild. Und damit paßt dann wieder einiges zum Sturm und Drang.

Shakespeare war und ist nicht allen ALLES, aber vielen VIELES. 

Gruß, earnest

earnest  20.06.2015, 11:19

-upps: Shakespeare

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himbeermuffin9 
Fragesteller
 20.06.2015, 12:33
@earnest

Danke für die Antwort :) So genau kenne ich mich damit nicht aus, hatte nur in Englisch gelernt, dass Shakespeare von der Great Chain Of Being beeinflusst war und in Deutsch, dass er die Stürmer und Dränger beeinflusst hat. Kam mir deshalb widersprüchlich vor. Jetzt verstehe ich es ein bisschen besser. :) Vielleicht passt es ja auch insofern, weil Shakespeare ja teilweise die antike Dramentheorie missachtet hat? Bin mir aber nicht sicher, ob die das im Sturm und Drang auch getan haben.

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earnest  20.06.2015, 12:36
@himbeermuffin9

Gern. 

Ja, auch diesen "Verstoß" halte ich für einen in diesem Zusammenhang sehr wichtigen Aspekt.

Vielleicht denkst Du auch an die "lebensprallen" Dialoge, zum Beispiel im "Sommernachtstraum". Und an die unzähligen deftigen Wortspiele allüberall.

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In seiner Sturm-und-Drang-Phase stellte Goethe die Natur (im Menschen und außerhalb des Menschen) über alles. Vor allem in der Dichtkunst galt ihm die Natur als die eigentliche Inspirationsquelle. Als Vorbild diente ihm Shakespeare, von dem er sagte: „Natur! Natur! Nichts so Natur als Shakespeares Menschen“. Aus Shakespeare weissage die Natur, verkündete Goethe. Entsprechende „Kraftnaturen“ hat Goethe im „Götz“ und im "Egmont" geschaffen, im „Werther“ den eher empfindsamen Naturmenschen, der alles, was dem natürlichen Empfinden entgegensteht – z.B. die Gesetze der Adelsgesellschaft –zutiefst verachtet.