Rassen = Zucht?


08.04.2024, 23:52

das ergibt doch alles keinen sinn.

ich blicke da gar nicht mehr durch.

2 Antworten

Der Begriff der Rasse wird heute nur noch auf die Zucht von Haustieren angewendet. In der Biologie wird anstelle von Rasse heute das Wort Unterart oder Subspezies benutzt. Das liegt u. a. auch daran, dass der Rassebegriff von den nationalsozialistischen "Rassenkundlern" völlig falsch und missbräuchlich verwendet wurde.

Eine Unterart oder Rasse definiert sich als Population einer Art, die eine eigenständige Entwicklungsgeschichte (Phylogenie) besitzt, durch die sie sich von anderen Populationen derselben Art unterscheidet. Eine Unterart muss sich also unabhängig von den anderen Unterarten entwickelt haben. In der Natur geschieht das meist in einer bestimmten geographischen Region, in der sich die Unterart an die lokalen Umweltbedingungen angepasst hat.

Bei der Haustierzucht wurden (und werden) die verschiedenen Vorfahren, die die verschiedenen Rassen begründeten, mit jeweils gewünschten Eigenschaften ausgewählt und dann getrennt von den anderen Linien gezüchtet. Die Linien sind also durch den Menschen getrennt worden und haben sich dann unabhängig voneinander entwickelt. Ein Dackelzüchter etwa wird einen Dackel nur mit einem anderen Dackel verpaaren und nicht mit z. B. einer Dogge. Die Linien von Dackel und Dogge sind also schon seit mehreren Generationen voneinander getrennt.

Wenn wir bei einer Art zwischen verschiedenen Rassen (bzw. Unterarten) unterscheiden wollen, müssen wir nach Merkmalen suchen, welche die eigenständige Phylogenie belegen können. Solche Merkmale nennen wir abgeleitete oder apomorphe Merkmale, genauer gesagt Autapomorphien. Eine Autapomorphie ist ein Merkmal, das für eine Verwandtschaftsgruppe (in unserem Fall die Unterart) charakteristisch ist und das nur in dieser Gruppe vorkommt. Apomorphien können ganz klassisch morphologische Merkmale sein, z. B. Unterschiede in der Körpergröße oder in bestimmten Skelettdetails, in der Körperfärbung usw. Nehmen wir unser Beispiel vom Dackel, dann ist z. B. dessen Kurzbeinigkeit ein solches nur für Dackel typisches Merkmal. Voraussetzung ist, dass die Unterschiede zwischen den verschiedenen Rassen diskret, also eindeutig sind.

Die Menschen sehen natürlich überall auf der Welt sehr verschieden aus. Es gibt aber kein einziges Merkmal, mit dem sich verschiedene Menschenrassen eindeutig voneinander abgrenzen ließen. Nehmen wir etwa die Hautfarbe als Beispiel, dann gibt es zwar Schwarze und Weiße, jedoch gibt es auch zwischen den verschiedenen Populationen alle möglichen Töne dazwischen, war eine Abgrenzung zwischen "Schwarzen" und "Weißen" eben nicht eindeutig möglich macht. Das Merkmal "Hautfarbe" unterscheidet sich also nicht diskret, sondern graduell. Jeder Versuch einer Abgrenzung wäre hier völlig willkürlich. Und das gilt bei unserer Art nicht nur für die Hautfarbe, sondern für jedes andere Merkmal auch. Biologisch gibt es deshalb ganz einfach keine Begründung dafür, die eine Aufteilung in unterschiedliche Menschenrassen rechtfertigt.

Auch genetische Merkmale können Apomorphien sein. Mittlerweile hat der Vergleich von DNA-Sequenzen in der Erforschung der Phylogenie der Lebewesen eine große Bedeutung bekommen, weil sich damit enorm große Mengen an Einzelmerkmalen (jede einzelne Base eines Gens ist ein Merkmal für sich, bei einem 1000 bp langen Gen haben wir also schon 1000 Einzelmerkmale, die wir vergleichen können) vergleichsweise einfach und eindeutig (jedes Merkmal kann nur entweder A, G, Tvoder C sein) miteinander vergleichen lassen und das dank des technologischen Fortschritts immer kostengünstiger und schneller. Das Problem: wenn wir nur mit einer genügend hohen Auflösung suchen, finden wir bei jedem einzelnen Individuum einzigartige genetische Merkmale, da bekanntlich jedes Individuum genetisch einzigartig ist. Auf die Spitze getrieben hieße das, dass man jedes Einzellebewesen als eigenständige Linie/Art betrachten müsste. Der Versuch eine Grenze festzulegen, ab welchem Grad an Unähnlichkeit wir von getrennten Linien sprechen sollen, wird dadurch wieder vollkommen willkürlich. Wir könnten sagen, wir sprechen ab einem Sequenzunterschied von 2 % von getrennten Linien und alles, was kleiner ist, betrachten wir noch als eine Linie. Grnauso gut könnten wir aber auch 1 % oder 5 % als Grenze festlegen. Wir können uns allenfalls nähern, indem wir sagen, ok, wir schauen uns einmal an, wie groß die Unterschiede bei den Populationen von nahverwandten Arten sind, die allgemein als Unterarten aufgefasst werden. Im Fall des Menschen könnten wir also als Referenzmaße die genetischen Unterschiede zwischen den verschiedenen Unterarten des Schimpansen nehmen.

Menschen sind trotz ihrer phänotypischen Vielfalt genetisch extrem homogen. Du kannst das Erbgut zweier beliebiger Menschen auf der Erde vergleichen, es stimmt zu 99.9 % überein, sogar dann, wenn die beiden von verschiedenen Kontinenten sind. Zum Vergleich: das Erbgut zweier Schimpansen, die in ein und demselben Waldgebiet leben, unterscheidet sich schon stärker voneinander.

Hinzu kommt beim Menschen, dass die genetische Variabilität innerhalb der Populationen größer ist als zwischen den Populationen. Das heißt, dass die Menschen, die in einer Population leben, sich genetisch stärker voneinander unterscheiden als das die einzelnen Populationen untereinander tun. Zur Veranschaulichung stell dir ein Dorf vor, in dem verschiedene Menschen leben. Die Dorfbewohner sind alle sehr verschieden. Es gibt große Menschen, kleine Menschen, Dunkelhaarige und Blonde, manche haben braune Augen, andere blaue oder grüne usw. Also alle wirklich recht unterschiedlich. Der Unterschied zwischen zwei Dörfern ist aber klein, denn in einem anderen Ort sind die Leute ja auch groß, klein, blond, dunkelhaarig, ...

Somit gibt es auch genetisch keinen Rechtfertigungsgrund, nach dem wir den Menschen in verschiedene Rassen untertrilen könnten. Im Gegenteil, die Biologie belegt ganz klar, dass wir alle Menschen ausnahmslos zur gleichen Abstanmungslinie stellen müssen, dem anatomisch modernen Menschen Homo sapiens sapiens.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig

Der Rasse-Begriff ist eine Unterkategorisierung von einer Art. Es gibt also innerhalb der Art "Hund" verschiedene Rassen mit teils komplett unterschiedlichen Merkmalen. Diese Merkmale werden durch Zucht eben gefördert oder vermindert und definieren unter bestimmten Kriterien eine Rasse. Diese sind auch genetisch teilweise stark unterschiedlich und können sich ggf. nicht mehr natürlich paaren.

Eine solche Zuchtlinie ist mit jeder Art möglich. Auch mit Menschen. Man kann bestimmte Merkmale definieren die man fördern möchte und müsste dann duzende Generationen von Hunderten Menschen dazu zwingen sich nur so fortzupflanzen und das ist ethisch nicht vertretbar.

Außerdem würde das die Grundlage für eine rassenideologische Trennung bieten, die auch schon ohne menschliche Rassen genügend Aufschwung hat(te).

Biologisch ist der Begriff der Rasse generell umstritten, weil Zucht widernatürlich ist und die Unterteilung in Populationen bestimmter Arten deutlich genauer ist. Außerdem ist der Rassebegriff durch die Gräueltaten der Nationalsozialisten sehr stark beschmutzt wurden.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – sehr gutes Abitur