Leitfrage für klassismus?

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Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Klassismus: Spannendes Thema!

Bevor wir 'ne Leitfrage draus basteln, würde ich Dir gerne ein (zumindest noch einigermaßen) aktuelles Thema ans Herz legen:
Die Silvester-Krawalle in Berlin - und die ("politischen" bzw. populistischen/medialen) Reaktionen darauf.

Es gab' ja (nicht gerade wenige) Leute, die nach der "Herkunft der Täter" fragen wollten.
So auch hier auf "gutefrage":
https://www.gutefrage.net/frage/nach-herkunft-der-taeter-fragen

Mein Ansatz war bei dieser Diskussion bereits:
Ja, klar kann man nach der Herkunft fragen.

Aber "Herkunft" ist halt nicht das Land (oder die Stadt), in dem man selbst (oder die eigenen Eltern, Großeltern...) geboren/aufgewachsen ist - sondern die Herkunftsfamilie, das soziale Umfeld, aus dem man "herkommt". In dem man aufgewachsen ist bzw. sozialisiert wurde.

Klassismus ist ein komplexes Thema.
Und je nachdem, wie viel Zeit/Platz Du hast, kannst Du zum "großen Rund-um- Schlag" ausholen - oder solltest Dich eher auf (einen) Teil-Aspekt(e) konzentrieren.

Mögliche Leitfragen sind also:

  • Wie sehr beeinflusst die Familie/das Dorf/die Stadt/das "Viertel" (Stadtteil, Kiez,...), in der/dem man aufwächst, die eigenen Chancen auf Bildung?
  • Inwiefern beeinflusst unsere Herkunft (und der damit "einhergehende" Bildungsgrad/Schulabschluss) unsere Job-Chancen/ Berufsaussichten?
  • Beeinflussen unsere soziale Herkunft, unsere Bildung, unser Job/Beruf (unsere sozio-ökonomischen Lebensumstände) unsere Neigung zu Gewalt, unser kriminelles Potential?
  • usw. (weiterer Lebensweg)
  • usf.

Vielleicht reicht Dir das schon als "kleiner", (hoffentlich) inspirierender Denk-Anstoß?

Für ein paar (mehr oder weniger gute, mehr oder weniger zielstrebige) Argumente könntest Du Dir meine Diskussion mit tommgrinn anschauen, indem Du auf den o.a. Link klickst.

Oder Du schaust Dir die Lanz-Sendung an, in der Fritze Merz gegen "kleine Paschas" rumgepöbelt hat:

Einen Grund für die Ausschreitungen sieht Merz in mangelnder Integration. Vor allem in Berlin haben viele Tatverdächtige bei unterschiedlichen Delikten einen Migrationshintergrund. Für den Chef der  CDU ist das ein Anlass zur verbalen Offensive: "Wir sprechen hier über Leute, die eigentlich in Deutschland nichts zu suchen haben", sagte Merz. (...)

Woraufhin der cdU-Vorsitzende vom Pädagogen und Soziologen Prof. El-Mafaalani mehrfach korrigiert wurde, z.B.:

"Mit Merz' Kritikpunkten hatte El-Mafaalani ganz grundsätzlich ein Problem. "Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll", sagte der Bildungsexperte. "Erst einmal sprechen Sie mir ein bisschen viel über Arabischstämmige. Vorhin haben wir noch gesagt: Afghanen, die da beteiligt waren – das sind schon mal keine Arabischstämmigen." In Afghanistan sind Paschtunen und Tadschiken die größten Volksgruppen. (...)
"Es gebe auch Menschen mit Migrationshintergrund, die "hervorragend integriert" seien, sagte Merz zu El-Mafaalani: "Das wissen Sie, Sie sind doch auch ein gutes Beispiel dafür." El-Mafaalani, als Kind syrischer Eltern im Ruhrgebiet geboren, entgegnete: "Ja, und wenn ich dann was falsch mache, wollen Sie meinen Vornamen wissen."

https://www.zdf.de/gesellschaft/markus-lanz/markus-lanz-vom-10-januar-2023-100.html

Aladin El-Mafaalani kann ich Dir zu diesem Thema generell wärmstens empfehlen!
Er ist ein ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet Klassismus.

Zum Einstieg ein kurzer Beitrag (4min) vom WDR und sein Integrationsparadoxon (knapp 9min.).
Wahrscheinlich reicht die Lanz-Sendung und das Integrationsparadoxon schon als Material für Deinen Vortrag. :)
Falls Du Dich auf die Aspekte (bzw. eine der Fragestellungen), die ich hier nun vorgeschlagen habe, "einschießen" willst.

Falls Du mehr von Prof. El-Mafaalani hören magst: Hier und hier gibt's ausführlichere Interviews (je 3 Std.) mit ihm. :)

Falls Du noch Fragen hast oder so:
Immer her damit! :)

So oder so:
Viel Spaß und Erfolg mit diesem Thema und Deiner Präsentation!

Es sollten nicht die strukturellen Aspekte außen vor gelassen werden. Z.B. wäre eine provokative Frage spannend: Warum diskriminieren Lehrkräfte Arbeiter*innenkinder und was kann man dagegen machen? Als Grundlage führe ich immer die IGLU-Studie an, die nachweist, das bei gleicher Intelligenz und bei gleichen Lese- und Schreibfähigkeiten Kinder aus privilegierten Elternhäusern 3,81 mal so oft eine Gymnasialempfehlung erhalten wie Kinder aus Arbeiter*innenhaushalten. Und da sind Kinder von arbeitslosen Eltern noch nicht einmal berücksichtigt. Die Tabellen 8.6, 8.7 und 8.8 zeigen die krasse Diskriminierung gegenüber Zehnjährigen. https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/pdf/PresseUndAktuelles/2017/IGLU_2016_Berichtsband.pdf
Die Frage wäre auch, warum die Kultusministerkonferenz, die den Berichtband auf ihrer Homepage verbreitet, nicht auf diese krasse Ungerechtigkeit reagiert, sondern das alles schönredet.
Zum Schönreden gibt es von dem wohl bekanntesten Bildungsforscher Klaus Klemm eine Auflistung. Er hat im letzten Jahr für den DGB in einer kurzen Studie noch einmal die Benachteiligungen von Arbeiter*innenkinder durch das klassistische Schulsystem zusammengefasst und sehr frustriert am Ende die wohlfeilen Politiker*innensprüche aufgelistet, die nach jeder neuen Studie versprechen, die Benachteiligung zu beenden, obwohl dann wieder nichts geschieht (jedenfalls nicht für Arbeiter*innenkinder). https://www.dgb.de/uber-uns/dgb-heute/bildung-und-bildungsarbeit/++co++3d891f16-0b01-11ec-bb4d-001a4a160123