Längenkontraktion einfach erklärt?

5 Antworten

Kernaussage: bewegte Objekte verkürzen sich

Erklärung (ziemlich lang, aber hoffentlich nicht zu schwer):

Wenn du zum Beispiel ein Raumschiff, das sich sehr schnell bewegt, beobachten würdest, würde die Zeit in dem Raumschiff aus deiner Sicht langsamer laufen (siehe Zeitdilatation) als aus der Sicht des Raumschiffes. Das heißt, dass alles in dem Schiff für dich sozusagen in Zeitlupe wäre.

Weil die Zeit aus deiner Sicht langsamer verläuft, müsste das Raumschiff sich für dich auch langsamer bewegen.

Das darf es aber nicht, weil das Raumschiff aus deiner Sicht genauso schnell ist, wie du aus der Sicht des Raumschiffs (wie wenn du an einem Bahnsteig stehst und der Zug mit der gleichen Geschwindigkeit vorbeifährt, wie jemand in dem Zug den Bahnsteig vorbeifahren sieht). [Sorry, wenn das zu verwirrend war, Kernaussage ist nur, dass die Geschwindigkeit des Raumschiffes sich nicht durch die Zeitdilatation ändern darf]

Damit das Raumschiff trotz langsamerer Zeit für dich die "richtige" Geschwindigkeit hat, muss der Weg, den das Schiff zurücklegt kürzer werden. (Geschwindigkeit ist Weg geteilt durch Zeit). Deshalb ist für dich die Strecke, die das Schiff zurücklegt, und das Schiff längs seiner Bewegungsrichtung verkürzt.

Wenn jetzt z.B. eine Rakete fliegt und ein Mensch beobachtet die dann sieht die Rakete für den Beobachter verkürzt aus und für den Menschen in der Rakete sieht der Raum vergrößert aus, genauer kann ich es leider auch nicht erklären weil ich das selber nicht richtig verstanden habe

HellooThere  01.08.2020, 17:10

Jap, nur für den Menschen in der Rakete sieht der Raum auch verkürzt aus, weil aus seiner Sicht der Raum sich bewegt (und damit kontrahiert) und die Rakete stillsteht.

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3x14159265  01.08.2020, 17:21
@HellooThere

Achso 🤦‍♀️, warum sieht der Raum oder das Objekt eigentlich verkürzt aus wenn es sich bewegt

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HellooThere  01.08.2020, 17:25
@3x14159265

Hab ich in meiner eigentlichen Antwort versucht zu erklären. Weiß nicht, ob mir das gelungen ist 🤷😅

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SlowPhil  01.08.2020, 17:41
@HellooThere

Der Raum sieht nicht verkürzt aus. Dinge, die vor einem liegen, sehen sogar weiter entfernt aus, als sie sind.

Betrachtet sich die Mannschaft selbst als bewegt, wird sie dies als Aberration deuten, betrachtet sie sich als ruhend, als Retardierungseffekt.

Im letzten Fall wäre allerdings nach NEWTON oder HUYGENS zu erwarten, dass alles um den Faktor

1⁄(1 − v⁄c)

in die Länge gezogen wäre, es ist aber nur

K = √{(c + v)⁄(c − v)}.

Das ist es das, was man „Längenkontraktion“ nennt.

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SlowPhil  01.08.2020, 19:39
@HellooThere

Das mit dem BONDIschen K-Faktor habe ich aus dem Buch 'General Relativity' von John Legat Martin.

Allerdings habe ich mir auch selbst Gedanken gemacht und tue dieses noch.

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Hallo diecooleperson1,

das Wort 'Längenkontraktion' ist irreführend, ebenso wie 'Zeitdilatation'. Beides sind Nebeneffekte der Relativität der Gleichzeitigkeit von Ereignissen, die räumlich getrennt sind.

Bereits die NEWTONsche Physik kennt aber schon die Relativität der Fortbewegung und damit auch der Gleichortigkeit von Ereignissen E₁ und E₂, die im von einer lokalen Uhr Ώ direkt gemessenen Zeitabstand Δτ = τ₂ − τ₁ nacheinander stattfinden.

Dabei heißt Δτ die Eigenzeit und ist eine absolute Größe, so etwas wie eine Entfernung.

Relativität der Gleichortigkeit

Ich trinke ich im Bordbistro eines Raumfahrzeugs B' eine Tasse Kaffee. E₁ ist mein erster und E₂ mein letzter Schluck aus der Tasse.

Sehe ich B' als stationär, also unbewegt an, interpretiere ich damit automatisch beide Ereignisse als gleichortig.

Betrachten wir aber Dein Raumfahrzeug B als stationär, relativ zu dem sich B' mit v in x- Richtung bewegt, liegt zwischen erstem und letztem Schluck nicht nur die von B aus ermittelte*) Koordinatenzeit Δt, sondern auch die Strecke Δx = v∙Δt.

Relativität der Gleichzeitigkeit

Jetzt stellen wir uns aber vor, B sei das mittlere von 3 Raumfahrzeugen jeweils im Abstand d. B' passiert nacheinander A, B und C, und alle Stationen stehen in Funkkontakt.

Bild zum Beitrag

Abb. 1: Wir interessieren und für die Signale, die B und B' dem Moment erhalten, in dem sie einander passieren (t = t' = 0). Natürlich wirst Du dann beide Ereignisse auf t = −d⁄c "datieren".

Mit B' als stationärer Raumstation ist das anders: A entfernt sich, war also näher; C nähert sich, war also weiter entfernt. Deshalb ist muss das Signal von C als um

(1) K² = (c + v)⁄(c − v)

älter interpretiert werden als das von A; genauer gesagt ist t'(C) = −d∙K⁄c und t'(A) = −d⁄(c∙K).

Und was ist jetzt die „Längenkontraktion"?

Wenn ich von B' aus in dem Moment, in dem ich B passiere, die Entfernungen messe, in der ich A bzw. C sehe, komme ich natürlich auf d⁄K bzw. d∙K, egal. Wie ich das zu interpretieren habe, hängt davon ab, wen ich als ruhend ansehe.

Wenn ich nun mich als stationär betrachte, deute ich das als Retardierungseffekt. Demnach muss sich in der Zwischenzeit die Entfernung von A um den Faktor (1 + v⁄c) vergrößert und der von C sich um den Faktor (1 − v⁄c) verringert haben, und wegen

(2.1) (1 + v⁄c)⁄K = (1 − v⁄c)∙K
                               = √{(1 + v⁄c)∙(1 − v⁄c)}
                               = √{1 − (v⁄c)²} =: 1⁄γ

schließe ich, dass jetzt A und C dieselbe Entfernung d/γ von mir haben.

Wenn ich mich als bewegt betrachte, deute ich den Befund als Aberrationseffekt. Eigentlich sollte A um den Faktor 1⁄(1 − v⁄c) weiter entfernt sein, als es aussieht und C um den Faktor 1⁄(1 + v⁄c) näher, und wegen

(2.2) K⁄(1 − v⁄c) = 1⁄((1 + v⁄c)K) = 1⁄√{1 − (v⁄c)²} = γ

schließe ich, dass A und B dieselbe Entfernung d∙γ von mir zu haben scheinen, weil meine Maßstäbe in x-Richtung auf das 1⁄γ-fache verkürzt zu interpretieren sind.

Bild zum Beitrag

Abb. 2: Der Ausdruck "Längenkontraktion" ist irreführend. Die Entfernungen d und d' = d⁄γ sind in der Raumzeit ganz unterschiedliche Strecken, je nachdem, welchen Punkt auf der Weltlinie von C wir als mit den Zeitpunkt der Begegnung von B und B' für gleichzeitig halten.

Der Abstand in der Raumzeit

MINKOWSKI war während EINSTEINs Studium dessen Professor. Er arbeitete aus, dass es zwischen zwei Ereignissen den Abstand

(3.1) Δτ = √{Δt² − (Δx²+Δy²+Δz²)⁄c²} ≡ √{Δt'² − (Δx'²+Δy'²+Δz'²)⁄c²}

bzw.

(3.2) Δς = √{Δx²+Δy²+Δz² − Δt²∙c²} ≡ √{Δx'²+Δy'²+Δz'² − Δt'²∙c²}

gibt, wobei Δτ, wenn es reell ist, nichts anderes als die Eigenzeit. Man spricht von zeitartig getrennten Ereignissen.

Falls Δτ imaginär ist, ist Δς reell und der räumliche Abstand zweier Ereignisse in dem Bezugsrahmen, in dem sie gleichzeitig sind. Man spricht von raumartig getrennten Ereignissen.

Das Minuszeichen macht also den Unterschied zwischen Zeit und Raum aus. Man kann allerdings Parallelen finden. Ich vergleiche einen Vorgang wie etwa das Kaffeetrinken gern mit einer Salami, wobei die Längsrichtung für die Zeit und die Länge für die Dauer des Vorgangs steht. Der Querschnitt steht für das Volumen, innerhalb dessen der Vorgang stattfindet.

Keine Sau würde sich darüber wundern, dass eine schräg geschnittene Scheibe länger ist als eine quer geschnittene. Die Messung der Länge eines bewegten Körpers mit nicht mitbewegtem Maßstab ist eigentlich die Messung des räumlichen Abstands zweier Ereignisse, die im Ruhesystem des Maßstabs gleichzeitig sind. Im Ruhesystem des Körpers sind sie es nicht. Man misst also ganz unterschiedliche raumzeitliche Strecken. Ich spreche gern von einen Schrägschnitt durch die Weltwurst.

Bild zum Beitrag

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*) Du kannst nicht direkt messen, sondern musst die Verzögerung abziehen, die durch die Endlichkeit des Lichttempos c bedingt ist, also die Entfernung durch c teilen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung
 - (Schule, Physik, Relativitätstheorie)  - (Schule, Physik, Relativitätstheorie)  - (Schule, Physik, Relativitätstheorie)

"Je schneller umso kürzer."

Einfach genug?