Krankenhaus nach Reanimation verweigern?

12 Antworten

Diese Situation ist medizinisch realitätsfern, da Patienten nach einer erfolgreichen Reanimation niemals sofort wieder wach sind, das gibt es nur in Filmen. In der Realität, erfolgt eine längere Nachbehandlung in einem geeigneten Krankenhaus, zunächst auf der Intensivstation. Der Patient wird nach Wiedererlangung eines Spontankreislaufes (ROSC) narkotisiert und sein Kreislauf i.d.R. mit Medikamenten unterstützt. Gehen wir vom kardialen Kreislaufstillstand bei Erwachsenen aus, der meist ursächlich für eine Reanimationssituation ist. Hier hatte der Patient meist einen schwerwiegenden Herzinfarkt, d.h. das unterversorgte Herzmuskelgewebe ist abgestorben und anfänglich weich wie eine Puddingmasse, erst nach mehreren Tagen, wird es durch vernarbendes Bindegewebe ersetzt. Würde der Patient unmittelbar aufwachen, würde er natürlich fragen, was denn passiert ist und wenn man ihm dann sagen würde: "Sie hatten gerade einen Kreislaufstillstand, waren klinisch tot, wir mussten Sie wiederbeleben", dann wäre dies natürlich eine enorme Stresssituation für den Patienten, worauf dieser mit der Ausschüttung von körpereigenen Stresshormen reagiert, die das Herz auf Hochleistung fahren. Wie man sich vorstellen kann, ist dies bei dieser anfänglichen "Puddingmasse" sehr kontraproduktiv, die Gefahr, dass diese einreist, es zu einer Herzbeuteltamponade mit anschließendem Tod kommt, dementsprechend sehr groß. Daher, wird der Patient ersteinmal in Narkose gelegt, um ihm den Stress zu nehmen.

Rechtlich betrachtet, dürfte ein Patient unmittelbar nach Kreislaufstillstand in aller Regel nicht verweigerungsfähig sein, es fehlt schon an der Orientierung zur aktuellen Situation. Letztlich, wäre dies aber eine Einzelfallentscheidung des anwesenden Notarztes, das nichtärztliche Rettungsfachpersonal, trifft eine solche Entscheidung nicht. Bei verweigerungsfähigen Patienten, ist grundsätzlich deren Wille nach erfolgter, entsprechender Aufklärung zu akzeptieren. Als ich noch in der Ausbildung gewesen bin, hatten wir mal einen Einsatz, bei dem der Patient einen Krampfanfall erlitten hatte, er war wie es üblich ist danach auch desorientiert und war dementsprechend unmittelbar danach nicht verweigerungsfähig. Da Krampfanfälle bei ihm allerdings bekannt gewesen sind, das auch von Dritten bestätigt worden ist und er nicht mit in's Krankenhaus kommen wollte, haben wir tatsächlich ausnahmsweise eine halbe Stunde samt der Notärztin vor Ort abgewartet, bis er wieder orientiert und verweigerungsfähig gewesen ist. Letzlich, wurde er dann in die Obhut seiner Angehörigen übergeben, die zwischenzeitlich auch eingetroffen gewesen sind.

Mfg

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Rettungsdienst🚑, sehr großes Interesse an Notfallmedizin.

Nach einer Reanimation ist niemand wach und ansprechbar: nach Thoraxkompression und Defibrillation folgt die Intubation, also Beatmung. Um diese zu ermöglichen wird der Patient nach Wiedererlangen eines Spontankreislaufes mit Medikamenten umgs. "in Narkose versetzt", also relaxiert (falls die Beatmung nicht tolleriert wird) und sediert (also schlafen gelassen).

Nach einer Reanimation wäre eine Willenserklärung aus rechtlicher Sicht übrigens nicht wirklich bindend, da der Patient diese Tragweite dieser Situation direkt nach einer Bewusstlosigkeit nicht einschätzen kann.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Das ist eine Sache die es nur in einem schlechten Kinofilm gibt.

Wenn jemand reanimiert werden muss steht der anschließend nicht einfach auf und geht weg.

Der Rettungsdienst kann schon froh sein wenn sie den Patienten einigermaßen stabil halten können bis sie ihn in die nächste Notaufnahme gebracht haben.

Von Experten Rollerfreake und iwaniwanowitsch bestätigt

Hi,

dieses hypothetische Szenario hakt gleich an mehreren Punkten...

Die Sanitäter reanimieren die Person erfolgreich. Diese Person verweigert nun allerdings ins Krankenhaus gebracht zu werden nachdem sie wieder wach ist.

Die Wahrscheinlichkeit, innerhalb von Minuten nach Einsetzen eines Spontankreislaufs (ROSC) "wach" zu werden, ist erstaunlich gering. Die Wahrscheinlichkeit, innerhalb von Minuten mit einer GCS von 15 und vierfach orientiert aufzustehen, geht gegen Null.

Im Prinzip: die geschilderte Situation tritt in der Realität nicht ein.

Müssten die Sanitäter diese Person jetzt gegen ihren Willen ins Krankenhaus bringen oder müssten sie den Wunsch des Patienten akzeptieren. Gehen wir Mal davon aus dass der Patient klar und entscheidungsfähig ist.

Grundsätzlich ist der Wille eines einwilligungsfähigen Patienten nach entsprechender Sicherungsaufklärung zu akzeptieren, auch wenn dieser die Ablehnung notwendiger medizinischer Maßnahmen beinhaltet.

Allerdings: wenn die Grundvoraussetzungen schon nicht vorliegen, ist das Gedankenspiel letztendlich obsolet. Oder: unsinnige Grundannahme.

Die Einwilligungsfähigkeit setzt allgemein voraus, dass der Patient regelhaft volljährig ist, keine Anzeichen einer derzeit vorliegenden oder kurzzeitig bevorstehenden neurologischen oder psychiatrischen Störung vorliegen, keine Anzeichen einer Intoxikation vorliegen, er aufgeklärt wurde und sich der Tragweite seiner Entscheidung bewusst ist.

Kann man im vorliegenden Fall regelhaft verneinen.

Allein schon die vorher bestehende Bewusstseinsstörung lässt erhebliche Zweifel an der Einwillungsfähigkeit aufkommen, die Erfassung der Tragweite kann man regelhaft verneinen.

Demnach: die Einwilligungsfähigkeit wäre eben nicht gegeben - was am Ende die Entscheidung des Notarztes ist - und der Transport in die Klinik kann ggf. bei vorliegender Eigengefährdung auch gegen den Willen des Patienten erfolgen.

LG

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Notfallsanitäter, Blogger, Medizinstudent
sunnywobgirl  17.12.2021, 12:15

Sehr gut erklärt, entspricht genau der rechtslage. Eine situative Orientierung, bei einem Patienten, der kurz zuvor, keinen Kreislauf mehr hatte, und nun eine Krankenhauseinweisung verweigert, kann nicht gegeben sein.

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Meines Wissens nach, müssen sie den Wunsch des Patienten respektieren.

Edit: https://www.rettungsdienst.de/tipps-wissen/transportverweigerung-48416

iwaniwanowitsch  17.12.2021, 13:22

Ja, prinzipiell sind Entscheidungen der Patienten bindend, ABER: nach einer Reanimation ist man nicht wach und kann somit auch keine Entscheidung mitteilen.

Dazu kommt, dass es auch Gesundheitszustände gibt, in denen die Entscheidung eines Patienten durch einen Arzt und nötigenfalls das Ordnungsamt in Zusammenarbeit mit der Polizei missachtet werden kann, Stichwort "Zwangseinweisung".

Genau das steht übrigens auch in dem von dir verlinkten Artikel, siehe Punkt 3.:

3. Diese Voraussetzung liegt in der Regel nicht bei einer Person vor, die…
…bewusstlos oder eben erst aus der Bewusstlosigkeit erwacht ist,
…minderjährig ist,
…geistig behindert ist,
…unter einer Psychose leidet,
…hohes Fieber hat,
…unter Alkohol- oder Drogeneinfluss steht, (oder Medikamenteneinfluss, Anmerkung durch mich persönlich)
…verwirrt ist, insbesondere bei Altersdemenz,
…an einer Krankheit leidet, die das Denkvermögen angreifen kann (Hirntumor) oder (zB Hypoxie, Anmerkung durch mich persönlich)
…stark übermüdet ist.
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