Kontingenzprinzip mit Beispielen?

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Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Da mir der Wiki-Artikel nicht sehr viel sagt, versuche ich einen anderen Zugang über mögliche Welten.

Zunächst ist Kontingenz das Gegenteil von Sachverhalten, die notwendigerweise existieren bzw. nicht existieren können.

Der Umfang von SV, die notwendig sind oder notwendig nicht sind, hängt aber vom Set der möglichen betrachteten Welten ab. Je weiter man die Möglichkeiten faßt, desto größer wird die Menge kontingenter SV.

A) Ein Eisenklumpen (Hufeisen) hat in der aktualen Welt (Erde) immer und überall dasselbe Gewicht (tatsächlich nicht ganz).

B) Im Set der möglichen Himmelskörper des Universums gilt das nicht mehr. Beim Übergang von A nach B erweist sich das Gewicht als kontingent. Die Masse ist aber notwendig dieselbe.

C) In einem anderen Universum eines Multiversums könnten (nach Lewis: sind) andere Naturgesetze gültig sein. Die Lichtgeschwindigkeit muß keine Obergrenze sein, die Gravitationskonstante ist anders, die Elementarladungen von Proton und Elektron. Inwieweit so ein Universum konsistent (beständig) wäre? Keine Ahnung.

Die Naturgesetze werden also von B nach C kontingent.

D) Bleiben die Gesetze der Logik z.B

1) das Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten: es regnet oder es regnet nicht, ein Drittes ist nicht möglich

2) Das Gesetz vom ausgeschlossenen Widerspruch: es ist nicht möglich, daß es regnet und nicht regnet (Ort und Zeit berücksichtigt).

3) Die Äquivalenz von Bejahung und doppelter Verneinung: wenn es regnet, dann ist es nicht der Fall, daß es nicht regnet und wenn es nicht der Fall ist, daß es nicht regnet, dann regnet es (doppelte Implikation).

Die intuitionistische Logik lehnt 1 ab, weil die Aussage, daß alle geraden Zahlen aus wenigstens 2 Primzahlen zusammensetzbar sind, weder beweisbar noch widerlegbar ist und weil nicht beweisbar ist, ob das überhaupt entscheidbar ist (Goldbach).

3 wird abgelehnt, weil z.B. die Aussage: "wenn der Schlüssel im Schreibtisch ist, dann ist er nicht außerhalb" (=nicht-Nicht-Schreibtisch) zwar gilt, aber die Umkehrung der Implikation (ist er nicht draußen, dann ist er im Schreibtisch), nicht überprüfbar ist: draußen ist das Universum.

Hier werden also 2 weitere Gesetze kontingent.

Ein mittelalterlicher Theologe oder Mönch oder beides (müßte nachschauen) lehnt sogar 2 ab, da Gott alles kann, bekam allerdings Ärger mit der Amtskirche.


NovemberAbend 
Beitragsersteller
 29.07.2019, 15:23

Vielen Dank für diese ausführliche Hilfe. Ich bin sehr beeindruckt, wie viel Zeit die Leute in die Beantwortung der Fragen investieren.

Aber ich muss noch einmal nachfragen weil ich zwei Sachsen nicht ganz verstanden habe:

1) Warum lehnt diese "Intuitionistisch Logik" 1 ab? Da war mir deine Erklärung etwas zu kompliziert.

2) Bei B) bedeutet das ja, dass wenn die äußeren physikalischen/räumlichen/zeitlichen Bedingungen sich ändern, der beschriebene Sachverhalt auch andere Eigenschaften aufweist. Das müsste ja auch bedeuten, dass ein Gegenstand innerhalb gleicher äußerer Bedingungen nicht kontingent wäre, also dieselben Eigenschaften haben müsste?

PFromage  30.07.2019, 09:23
@NovemberAbend

1)Intuitiv (und dagegen sind paradoxeerweise die Intuitionisten) stimmt man dem Satz vom ausgeschlossenen Dritten zu, selbst wenn man weiß, daß bestimmte Fragen wohl nie entschieden werden können:

"Caesar hatte die Blutgruppe A oder nicht A". Das unterschreibt wohl jeder, obwohl man es nicht entscheiden kann. Vielleicht wird man es aber irgendwann mit raffinierten DNA-Tests aus Überresten ermitteln.

Kommt aber die Unendlichkeit ins Spiel, wie bei der Goldbachschen Vermutung, die bis jetzt mit Supercomputern nie widerlegt werden konnte, dann sind die Intuitionisten strenger. Das Problem ist hier, daß es noch nicht entschieden werden konnte und nicht einmal bekannt ist, ob es entscheidbar ist (der Fermat-Satz wurde z.B. inzwischen geknackt). Die int. Logik ist also strenger als die klassische.

2) Ob ein Gegenstand innerhalb gleicher äußerer Bedingungen nicht kontingent ist, also dieselben Eigenschaften haben müsste, kann ich nicht sagen. Hier ist (meines Wissens) noch nie eine Abweichung von Naturgesetzen festgestellt worden.
Wenn sich aber die Elementarladungen von Proton und Elektron minimal unterschieden (es ist logisch nicht notwendig, daß sie gleich sind), wäre das eine zweite (neben dem Urknall) Hypothese für die Nebelflucht. Aber hier sind die Physiker gefragt.