Kontakt zu den Eltern wieder aufnehmen oder lieber doch nicht?
Ich, 33, und meine Freundin sind seit 4 Jahren zusammen. Bis vor 2 Jahren hatten wir es extrem schwierig, weil ich zu meinen Eltern eine viel zu starke Bindung gehabt habe. Ich bin ihr einziges Kind.
Bevor ich meine Freundin kennen gelernt habe, habe ich in einer Wohnung in meinem Elternhaus gelebt. Eigentlich war es schön, aber im Nachhinein habe ich für mich festgestellt, dass ich mich doch oft wie der kleine Junge gefühlt habe und mich dadurch oft in meinen Entscheidungen von meinen Eltern beeinflussen lassen habe. Kurz gesagt fühle ich mich jetzt freier als damals.
Am Beginn der Beziehung zog ich zu meiner Freundin - ca. 2,5 Autostunden entfernt -, was für meine Eltern ein Schock war. Sie kamen damit nicht zurecht. Auch ich kam damit nicht zurecht und meine Freundin und ich machten dadurch 2 extrem harte Jahre durch. Der Umzug fühlte sich für mich wie eine Flucht an.
Dadurch, dass wir uns so liebten und wir endlich Ruhe brauchten, habe ich den Kontakt zu meinen Eltern dann nach 2 Jahren völlig abgebrochen. Ich weiß, dass sie darunter sehr leiden. Um uns zu beschützen, habe ich nach und nach alle familiären und "alten" Kontakte abgebrochen.
Nun ist es durch eine familiäre Angelegenheit dazu gekommen, dass ich zum ersten Mal wieder auf Besuch bei jemand Verwandten in meine alte Heimat gefahren bin und ich dachte, dass es eigentlich schön wäre, wieder mehr Kontakt mit allen zu haben. Meine Freundin war gelinde gesagt nicht begeistert. Sie hasst meine Eltern für die Steine, die sie uns in den Weg gelegt haben. Sie sagt, dass die Tür diesbezüglich für immer verschlossen seien und dass dieses Thema für sie nie wieder auf den Tisch kommt. Sie hat angst, dass alles wieder so werden könnte wie am Anfang der Beziehung. Das verstehe ich , doch denke ich auch, dass ich in der Zwischenzeit sehr gereift bin und mich selbst auch als Mann (und nicht mehr als kleiner Junge) meinen Eltern gegenüber beweisen würde. Ich bin ein Mensch, bei dem die Türen wahrscheinlich nie ganz geschlossen sind. Ich denke, dass sich Menschen entwickeln, reifen und lernen, mit Dingen umzugehen. Meine Freundin hingegen gibt zwar auch viele Chancen, aber irgendwann sind die Schotten komplett dicht. Sie hat zu ihrer Mutter und zu ihrer Schwester seit 15 Jahren keinerlei Kontakt mehr. Und generell tut sie sich leicht, Kontakte zu unterbinden, wenn sie es für richtig hält.
Meine Freundin weicht nach ewigen Gesprächen nicht von ihrer Position ab. Ich hingegen habe schon den Wunsch, sich ab und zu mal zu hören oder sich mal ein Bild oder eine Nachricht zu schicken.
Was würdet ihr an meiner Stelle tun?
War jemand von euch schon einmal in so einer Situation?
9 Antworten
Hier sind so tolle Antworten dabei und du möchtest trotzdem noch weitere Ratschläge haben? @miju66 und @Neugier2022 haben es voll auf den Punkt getroffen.
Deine Eltern haben dich auf die Welt gebracht, hatten eine sehr enge Bindung zu dir, welche vielleicht auch nicht nur von ihnen kam, sondern auch von dir - da du ja anscheinend von der einen Abhängigkeit in die nächste gehst.
Das deine Freundin deine Eltern hasst und nicht möchte, dass du wieder den Kontakt aufbaust, finde ich ehrlich gesagt ein Unding und sehr egoistisch von ihr. Ich hoffe, dass du dich eines besseren belehren lässt, eine eigene Entscheidung triffst und dass tust, was dir gut tut und wonach du dich sehnst.
Blut ist schließlich immer noch dicker als Wasser.
Ich denke niemand Außenstehendes wird die Meinung von deiner Freundin vertreten und wenn du es tust, wirst du es irgendwann bereuen. Ich wünsche dir ganz viel Erfolg und hoffe, dass du dich "richtig" entscheidest ♥ deine Eltern werden bestimmt froh und erleichtert sein, wenn du dich melden solltest.
Bei mir war es ähnlich. Ich habe immer mal wieder lange Zeiten keinen Kontakt zu meinen Eltern (Mutter und Stiefvater) gehabt. Das liegt daran dass meine Mutter in meiner Kindheit sehr schlimme Fehler begangen hat. Hab ich dann aber wieder den Kontakt gesucht lief es eine Zeit lang gut und dann ging es wieder Berg ab. Ich habe für mich den Kompromiss gefunden den Kontakt zu halten bis ich merke dass er mir nicht mehr gut tut. Ich treffe nun selbst die Entscheidung, was sich für mich richtig anfühlt und mir Sicherheit gibt. Vielleicht solltest du auch klein anfangen. Die Kontrolle liegt ja dann bei dir. Wenn es nicht gut geht kannst du dich ja jederzeit zurückziehen. Dann hast du es aber zumindest versucht. Vielleicht denken deine Eltern ja auch dass sie damals Fehler gemacht haben und würden sich auch gerne ändern. Versuchen solltest du es. Denn irgendwann kann der Tag kommen an dem du die Gelegenheit dazu überhaupt nicht mehr bekommst. Ich denke du würdest dir dann immer Vorwürfe machen. Wie du dich beschreibst wirkst du stark und reif genug dafür. Deine Freundin muss ja erstmal nicht mit machen, sollte es aber akzeptieren und respektieren. Wenn ihr euch wirklich liebt respektiert sie dein Verhalten so wie du auch erstmal respektieren solltest dass sie keinen Kontakt haben möchte.
Danke für deine ausführliche Antwort.
Ich habe das so ähnlich versucht, meiner Freundin zu erklären und ihr gesagt, dass ich mir heute viel sicherer bin als damals, dass sozusagen ich die Zügel bei einem Kontakt in der Hand hielte. Aber sie sagt, dass auch nur der Name meiner Eltern schon ausreichen würde, um bei ihr alles zu brechen, was wir uns in der Zwischenzeit aufgebaut haben. Und sie sagt, dass alles, was ich mit meinen Eltern austauschen würde, auch gleichzeitig sie selbst betreffen würde, weil wir ja in einer Partnerschaft sind.
Ich will ja auch nicht egoistisch mein eigenes Ding durchziehen, ohne auf sie Rücksicht zu nehmen. Aber wenn ich alles so mache, wie sie sich das vorstellt, dann komme ich keinen halben Schritt weiter und fresse meine Gedanken in mich hinein.
Wie geht man mit so einer Situation um? Egoistischer handeln? Sich fügen und nichts unternehmen?
Fügen sollte man sich in einer Beziehung niemals. Dann verrätst du dich selbst und wirst dich nie wieder selbst respektieren. Ich bin jetzt mal vorsichtig aber es klingt ganz so als dürftest du keinen Kontakt mehr zu deinen Eltern haben weil sie auch keinen mehr zu ihrer Familie hat. Meine Frau wurde auch sehr schlecht von meiner Mutter behandelt. Sie hat ihr aber trotzdem immer wieder Chancen gegeben und heute verstehen sich beide sehr gut. Ich musste meiner Frau aber auch erstmal beweisen dass die Kontrolle bei mir liegt und ich hinter ihr stehe. Das mache ich aber auch wenn sie nicht dabei ist. Zwei wichtige Punkte dabei sind Ehrlichkeit und Transparenz. Ich erzähle ihr alles. Egal ob WhatsApp Nachricht, Telefonat oder ein Treffen mit meinen Eltern. Sie soll sich sicher sein dass sie mir Vetrauen kann. Ich war aber auch sehr offen und konfrontativ bei meinen Eltern sodass sie wissen woran sie sind. Ich finde es schon krass dass deine Freundin da so wehement mauert. Unternimm den Versuch nur sei dir im klaren darüber dass es eine schwere Situation für dich werden wird da du die Reaktionen beider Seiten verarbeiten musst. Gerecht werden musst du in erster Linie nur dir selbst. Wenn es gut läuft wird deine Freundin sicherlich auch irgendwann bereit sein einen Schritt zu wagen. Zeige ihr dann das sie bei dir sicher ist. Wenn sie es nicht kann aber merkt dass dir der Kontakt gut tut sollte sie diesen Respektieren solange er keinen negativen Einfluss auf eure Beziehung hat. Deine Eltern sollten das selbe aber ebenfalls tun. Wenn es ihnen um dich geht sollten sie akzeptieren dass du hinter deiner Freundin stehst und sie in deiner Abwesehenheit nicht schlecht machen.
Hallo Thomas, gern gehe ich auf die Gefühle deiner Freundin ein, auch diese sind nicht ganz unberechtigt.
Sie scheint familiär schlechte Erfahrungen gemacht zu haben. Ich kenne sowas, meinen Vater nicht zu kontaktieren löst in mir keinerlei Gefühle mehr aus, Blut ist nicht dicker als Wasser und irgendwann hat auch bei mir jeder seine Chance vertan
In ihrer Logik wird sie dich vor einem Fehler bewahren wollen.
Evtl. sind deine Eltern ja auch wirklich so schrecklich das es Sinn macht, dafür kenne ich die Vorgeschichten nicht.
Also ich könnte mir auch vorstellen, das es Menschen im Leben meines Mannes gibt, die ich darin nicht wieder auftauchen sehen möchte.
Hat sie dir eine Konsequenz genannt, sollest du gegen ihren Wunsch den Kontakt wieder aufbauen?
Sie hat mit ihrer Mutter sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Mit 16 ist sie ausgezogen, weil sie sonst drauf gegangen wäre, sagt sie. Ihre Mutter hat ihr zum Beispiel gesagt: "dich wird nie jemand lieben können". Auch hat sie ihren kleinen Hund heimlich weg gegeben, als sie nicht zu Hause war. Der war dann einfach weg. Ihre Mutter kam angeblich mit ihrem eigenen Leben nicht klar, ist selber in einem Kinderheim aufgewachsen. Sie hatte ein Gasthaus, in dem die Kinder dann noch nachts den letzten Gästen ihr Bier auftischten, als die Mutter ihrem Schlaf nachkam.
Danke für deine Sichtweise. Die Konsequenz wäre, dass es dann kein WIR mehr gäbe. Also das Aus der Beziehung.
Hallo,
es klingt ein wenig, als ob du vielleicht von der Abhängigkeit von deinen Eltern in die Abhängigkeit von deiner Freundin rutschen würdest. Wenn du inzwischen als Mann gereift bist, dann triffst du deine eigenen Entscheidungen, oder?
Kontaktabbruch scheint so ein bisschen das Ding deiner Freundin zu sein, sie neigt dazu. Aber ist das auch für DICH inzwischen noch das Richtige? Weißt du, die Ablösung von den Eltern muss ja vor allem innerlich stattfinden, nicht äußerlich. Wenn man die innere Ablösung geschafft hat, kann man außen natürlich einen losen Kontakt auf Smalltalk-Basis pflegen, das ist gar kein Problem. Ich mache das auch so.
Eltern leben nicht ewig, einer von ihnen kann unerwartet plötzlich sterben. Wie wäre es für dich, wenn du dann nie mehr die Möglichkeit hättest, dich zu melden, obwohl du das doch eigentlich wolltest? Manchmal schiebt man Dinge zu lange auf und hat dann plötzlich keine Chance mehr, das zu tun, was man eigentlich tun wollte.
Ich würde einen vorsichtigen Kontakt aufnehmen. Und dann schauen, was passiert. Und da würde ich mir von deiner Freundin auch nicht reinreden lassen. Jeder Mensch ist frei, und ein Partner, der einen liebt, lässt einem auch diese Freiheit. Behaupte dich nicht nur gegenüber deinen Eltern, sondern auch gegenüber deiner Freundin. Erlaube ihr nicht, dich unter Druck zu setzen, das wäre emotionale Erpressung.
Ihr müsst deshalb nicht streiten. Sage, dass du eine Entscheidung getroffen hast wegen deiner Eltern. Wenn sie sich aufregt, bleibe ruhig und sage, dass das, was für sie richtig ist, für dich nicht automatisch auch richtig ist. Sie sollte das respektieren. Zumal es eure Beziehung langfristig sehr belasten würde, wenn sie dir den Kontakt zu deinen Eltern sozusagen verbietet und du deshalb eines Tages Schuldgefühle haben wirst. Geh immer deinen eigenen Weg, auch in der Partnerschaft.
LG
Ich habe leider das Gefühl, dass du von einer Abhängigkeitssituation nahtlos in die nächste geschlittert bist.
Du hast dich aus dem "Gefängnis" bei deinen Eltern befreit und lebst nun in einem solchen bei deiner Freundin.
Ich verstehe ihr Misstrauen deinen Eltern gegenüber, aber das rechtfertigt nicht die Forderung, dass du lebenslang keinen Kontakt mehr zu ihnen haben sollst.
Auch in einer Beziehung bleiben beide Partner immer noch eigenständige Individuen, die ihre eigenen Entscheidungen treffen können und auch müssen.
Wenn du den Kontakt, auf lockere Weise wie du schreibst, wieder versuchen möchtest, dann steht es ihr einfach nicht zu, dir dies zu verbieten. Damit stellt sie sich auf die gleiche Stufe wie deine Eltern. Sie tut genau das, was sie an deinen Eltern hasst. In meinen Augen ist das Doppelmoral, egoistisch und intolerant.
Sie muss ja nicht dabei sein, wenn du Kontakt zur Verwandschaft pflegst, aber es dir zu untersagen finde ich herablassend.
Du hast recht, ich habe fast ausschließlich sehr ausführliche Antworten erhalten. Ich wollte dennoch schauen, ob sich vielleicht auch jemand findet, der Aufgrund X, Y zur Gänze die Position meiner Freundin einnehmen würde.
Danke, dass auch du mir so eine tolle Antwort gegeben hast.