Klavier "generalüberholt" - gibt es eine verbindliche Defininition dafür?
Hallo, an alle Klavierkenner,
habe vor 2 Monate ein Klavier gekauft. Yamaha U3, zu einem Spitzenpreis aus dem Netz. Angebl. "GENERALÜBERHOLT". Das aber ist nun leider nicht. Es ist zwar in einem guten altersgerechten Zustand, und deshalb geht der Preis 2.650 € auch in Ordnung. Aber der Klavierstimmer sagte, zu "generalüberholt" fehle noch eine ganze Menge.
Nun zur Frage: gibt es in Deutschland einen verbindlichen Standard für Klaviere, die "generalüberholt" sind? Eine DIN oder ISO oder eine Definition von der Klavierbauer-Innung? Hab in Netz nichts gefunden.
Mindestens muss der Verkäufer die Mängel nachbessern, das ist klar. Aber Wenn ich noch Anspruch auf ein paar mehr Arbeiten hätte (Filze abschleifen, erneuern etc.) wär das natürlich lohnend für die Zukunft. Danke.
2 Antworten
Einen verpflichtenden Standard gibt es dazu nicht. Der Ausdruck "generalüberholt" ist sozusagen ein Werbeschmäh. Aber seien wir ehrlich, generalüberholen gibt es nicht, würde man nämlich alles erneuern, so könnte man gleich neu bauen, und letzteres käme billiger, weil jeder Arbeitsschritt, der als Reparatur ausgeführt wird, ist zeitaufwändiger als (in der Fabrik) neu bauen.
Es ist auch meistens nicht notwendig, alles zu erneuern, sondern nur fehlerhafte Teile zu erneuern oder instandzusetzen, das sollte genügen.
Ein Yamaha U3 ist eine sehr gutes Instrument, aber es gibt einen Haken: Möglicherweise ist das Instrument ein Grauimport aus dem fernen Osten (Japan etc.), da kann es Probleme geben. Yamaha baut seine Instrumente angepasst für verschiedene Klimazonen. Und im fernen Osten ist das Klima feuchter als bei uns in Mitteleuropa. Viele dieser Grauimporte sind dann bei uns nach der ersten Heizperiode (mit trockener Raumluft) kaputt. Du solltest bei einem solchen Instrument dann für ausreichend Luftfeuchtigkeit im Winter sorgen.
Ob Dein Instrument ein für unser Klima konzipiertes ist kannst Du, wenn Du Zweifel hast, bei Yamaha Europa (findest Du im Internet) erfragen, Du brauchst dazu die genaue Typenbezeichnung und die Opus-Nummer. Beide findest Du oben auf der Gussplatte, wenn Du den Oberdeckel aufmachst.
Diese Zielvereinbarung halte ich für sehr praxisgerecht! Weiter ins Detail zu gehen führte ins Uferlose.
Bei einem gepflegten Yamaha gibt es erfahrungsgemäß sehr wenig mechanischen Verschleiß. Wesentlichster Verschleißteil bei einem Klavier sind die Hammerfilze, vergleichbar mit den Reifen an einem Auto, diese spielen sich in jedem Fall ab, je mehr man spielt bzw. je lauter man spielt (je fester man in die Tasten haut) desto schneller.
Danke für die Bewertung!
Naja.... Einige Achsen der Hämmer sind breit und haben zuviel Seitenspiel, das Repetitionsverhalten einiger Töne lässt zu wünschen übrig. Also das Instrument wurde nicht einmal gründlich reguliert.
Also Vorsicht beim MS-Musikshop von Dr. Sergiu Movile
Habe mir den MS-Shop im Internet angesehen. Da dieser Händler an neuen Klavieren nur chinesische Fabrikate und an Gebrauchtinstrumenten nur Yamaha und Kawai hat, so schließe ich daraus, dass die Yamahas und Kawais diese Grauimporte aus dem Fernen Osten sind (die er entweder über einen holländischen Importeur bezieht oder vielleicht selber importiert). Das ist eine ziemlich typische Konstellation in dieser Branche.
Schäden an Achsen bei Yamaha Instrumenten sind sehr selten - wenn sie halbwegs gepflegt wurden. Wenn dieses Instrument solche Schäden hat, dann kann es definitiv nicht als "generalüberholt" bezeichnet werden.
Versuche anhand der Opus-Nummer (sollte wenn Du den Oberdeckel aufmachst rechts oben nach der Typenbezeichnung (U3) am Gussrahmen stehen) das ungefähre Alter herauszubekommen.
Zu einer generalüberholt gehört folgendes:
Agraffen erneuern
Silier und Böckchen überarbeiten
Duplexskalen überarbeiten oder erneuern
Saitenraumgarnierung erneuern
Neu lackieren oder Ausbesserungen am Lack
Stegdoppel erneuern
Stegstifte erneuern
Druck neu aufbauen
Klaviatur überarbeiten / erneuern
Mechanik-Gestell überarbeiten / erneuern
Hammerköpfe und Hebeglieder austauschen
Dämpfung überarbeiten / erneuern
Spielgewicht angleichen (optimales Auf- und Niedergewicht einstellen)
Mehrfaches Stimmen
Intonieren des Instrumentes
Wenn nur ein Teil dieser Auflistung getätigt wurde, darf man nicht von einer Generalüberholung sprechen, sonder von einer Teil- Generalüberholung
So ungefähr denk ich mir das ja auch. Aber die große Preisfrage ist: WO STEHT DAS???
Auf diese Auflistung brauchst Du Dich gar nicht berufen, die ist der Phantasie eines Nicht-Fachmannes entstanden. Hier fehlen zum einen wichtige Punkte, zum anderen sind völlig unwichtige angeführt, einige davon sind überhaupt nicht relevant. ("Duplex Skalen überarbeiten oder erneuern" zum Beispiel: Von einer Duplex Skala spricht man, wenn das Klavier von der Konstruktion her klingende Vorder- und (vor allem) Hinterlängen (der Saiten) hat. Die hat es eben oder die hat es nicht. Da gibt es nichts zu erneuern. Stegdoppel erneuern: Schon der Ausdruck ist falsch. Ein Steg kann eine Aufdoppelung haben, muss aber nicht. Und die erneuert man nicht, ausser sie ist gerissen, und dann ist das ganze Klavier meist schon sehr schlecht. Und so weiter.)
Wenn ein Fachmann (gerichtlich beeideter Sachverständiger) sagt, das Klavier hat mindestens doppelt so viel gekostet als es wert ist, dann kannst Du vom Kauf zurücktreten.
Diese Auflistung hat leider mit seriöser Klavierbautechnik nichts zu tun!
Hab nach langem Suchen doch noch sowas wie eine Zielvereinbarung der Musikinstrumentenbauer-Innung für Generalüberholung von Klavieren gefunden. Ist sehr allgemein gehalten, aber immerhin:
www.das-starke-handwerk.de/biv/aktuelles/generalueberholung.pdf