Kennt jemand eine negatives Statement zu Anglizismen?

2 Antworten

Ich bin selbst Sprachwissenschaftler und habe mich auch mit Anglizismen beschäftigt. Man kann zusammenfassend sagen:

1) Dass die deutsche Sprache Wörter aus anderen Sprachen übernimmt, ist normal und unausweichlich. Die meisten Lehnwörter werden auch gar nicht mehr als solche erkannt. Eines der ältesten Lehnwörter aus dem Englischen ist "Boot".  

2) Lehnwörter sollten allerdings der übernehmenden Sprache angepasst werden, damit diese ein einheitliches System (der Lautung und Rechtschreibung) behält. Das ist wiederum wichtig, um die Sprache nicht beliebig zu komplizieren und immer schwerer erlernbar zu machen. Positives Beispiel: Keks (aus "cakes")

3) Keinen Gewinn bringen Lehnwörter, wenn sie etablierte deutsche Wörter ersetzen (z.B. "backpack" für "Rucksack", "family" für "Familie", usw.). Oft übernehmen sie nach und nach auch weitere deutsche Wörter, wobei die Bedeutung immer mehr verwässert wird und auch nicht mehr mit der Bedeutung des englischen Begriffs übereinstimmt. Beispiele: ticket (für Fahrschein, Eintrittskarte, Strafzettel, Notizzettel), pool (für eine beliebige Vorratsmenge), city (für Innenstadt, aber auch das gesamte Stadtgebiet), deal (für eine beliebige Abmachung) usw.

4) Abzulehnen sind Neubegriffe ("Pseudoanglizismen"), die gar nicht aus dem Englischen stammen und nur englische Schreibweise und/oder Aussprache erhalten haben, um den Begriff unter Ausnutzung des Prestiges des Amerikanischen zu verbreiten. Bekanntestes Beispiel: Handy, aber auch Mobbing (in Schweden entstanden), usw.

5) Bedenklich wird es für eine Sprache wie das Deutsche, wenn auch Spontanbezeichnungen für Dinge und Ereignisse in Deutschland fast ausschließlich auf (Pseudo-)Englisch benannt werden, als ob das Deutsche seine Formulierungskraft verloren habe. Behörden (z.b. "girls' day"), Firmen, Bildungseinrichtungen (vor allem Unis) und Kirchen tun sich dabei negativ hervor, wobei immer "international" mit "auf Englisch" verkürzt wird.

Die vorstehenden Ausführungen sind rein sprachwissenschaftlicher Natur. Trotzdem wird man bei solcher Anglizismenkritik gleich als Purist, Nationalist und Schlimmeres verunglimpft. Zum Anwalt der deutschen Sprache hat sich der "Verein Deutsche Sprache e.V." gemacht. Auf dessen Seiten findet man auch Anglizismuskritik. Der Sprachwissenschaftler Reiner Pogarell (siehe im Netz) aus Paderborn hat u.a. ein "Wörterbuch überflüssiger Anglizismen" mit herausgegeben. Auch unter dem Stichwort "Denglisch" (Deutsch-Englisch-Gemisch wie "Food ist unser business") findet man einiges.

earnest  03.03.2016, 11:43

Dieser Verein schüttet mitunter das Kind mit dem Bade aus.

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RudolfFischer  04.03.2016, 10:51
@earnest

@earnest: "Dieser Verein schüttet mitunter das Kind mit dem Bade aus."

Unbestritten. Das liegt allein daran, dass man sich in sprachlichen Dingen nie einigen kann.

Aber, um augenzwinkernd im Bild zu bleiben, man kann das Kind nur dann mitunter mit dem Bade ausschütten, wenn man es regelmäßig pflegt. Andere baden das Kind (die deutsche Sprache) gar nicht, sondern lassen es verlottern (Mischsprache Denglisch).

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earnest  04.03.2016, 19:01
@RudolfFischer

Da sind wir völlig einer Meinung. 

Diesen Verein kenne ich allerdings etwa näher. Da könnte Dir mein Klapprechner aber Geschichten erzählen ...

Baden wir das Kind also lieber nicht ZU heiß ... 

;-)

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RudolfFischer  05.03.2016, 09:34
@earnest

@earnest: "Diesen Verein kenne ich allerdings etwa näher."

Ich auch, ich bin nämlich Miglied Nr. 32 (von über 10.000!). Aktiv mache ich allerdings nichts, habe früher an Veranstaltungen teilgenommen und dabei zum Teil durchaus sympathische und kompetente Sprachexperten kennengelernt. 

In der Menge der Mitglieder eines Vereines, der aus einem Protestimpuls heraus entstanden ist, wird man aber immer auch einige finden, deren Einstellungen man übertrieben findet. Meine eigene ist die o.a. rein mit sprachwissenschaftlicher Begründung, wie man mit Anglizismen umgehen soll.

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RudolfFischer  05.03.2016, 09:44
@earnest

"Klapprechner" ist übrigens eine sehr einprägsame kurze Bezeichnung im Deutschen, viel besser als das "Schoß-oben" (Laptop) im Englischen. Ich pflege das Wort "Klapprechner" zu benutzen, stoße bei denen, die den Begriff noch nicht kennen, auf Erstaunen und danach schmunzelndes Begreifen.

Der albernste Anglizismus, der mir in letzter Zeit öfter begegnet, ist "round about" (Kreisverkehr) für "rund", "ungefähr", womit sich modern wirken wollende "Macher" in der Gesellschaft schmücken. ("Das neue Rathaus wird round about 5 Millionen kosten."

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"Ich verabscheue allen negativen Purismus, dass man ein Wort nicht brauchen soll, in welchem eine andere Sprache Vieles oder Zarteres gefast hat." 

(Goethe) 

"Also lieber 'Sex' als 'Geschlechtsverkehr."'

(earnest)

earnest  01.03.2016, 22:08

Ach herrje, jetzt war das ein "Statement", das das Negative nur als Wort in sich trug ...

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theringledude 
Fragesteller
 01.03.2016, 22:16

ich habe dabei mehr an ein Statement aus den letzen 10 Jahren gedacht. Das ich auch gut in meine Facharbeit einbringen kann die sich mit Einflüssen von Anlgizismen auf die Gesellschaft beschäftigt. Bitte um Hilfe Herr Experrte :)

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RudolfFischer  02.03.2016, 08:21

"Also lieber 'Sex' als 'Geschlechtsverkehr."' (earnest)

Och ne, das gehört für mich in den Rotlichtbereich und ist wohl kaum etwas "Zarteres", wie Goethe es möchte.

"Geschlechtsverkehr" ist Behördendeutsch.

Zur Bezeichnung der schönsten Tätigkeit im Leben gehört "Liebe", deren Ausdruck das ja auch sein soll. Am passensten finde ich daher zu sagen "sich lieben", wobei die Zweideutigkeit bewusst, aber aus dem Zusammenhang jeweils trotzdem klar ist.

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Minilexikon  02.03.2016, 13:51
@RudolfFischer

Das Problem beim Begriff "Sex" ist, dass er auf Englisch sowohl den Geschlechtsakt als auch im Sinne von "Gender" das Geschlecht bezeichnet und somit das Original uneindeutig ist.

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earnest  03.03.2016, 11:38
@RudolfFischer

Als Sprachwisenschaftler ist Dir sicher klar, Rudolf, dass "lieber" nicht "am liebsten" bedeutet ...

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RudolfFischer  04.03.2016, 10:47
@Minilexikon

Die Nichteindeutigkeit im Englischen ist nicht das Problem, denn hier geht es um die Verwendung im Deutschen, in dem Anglizismen in der Regel bald eine Bedeutungsdifferenzierung durchmachen.

Für mich klingt "Sex" im Deutschen nach reinem körperlichen Ausleben und damit negativ. Zur körperlichen Liebe gehört meiner Einstellung nach die psychische Liebe unverzichtbar dazu. Nur dann "liebt" man seinen Partner (im doppelten Sinne) und hat nicht einfach mit ihm Sex.

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